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Enercon schraubt Nabenhöhe mit Stahl-Stahl-Hybridturm auf 175 Meter

Windenergieanlagen-Produzent Enercon will mit einem Hybrid-Stahl-Turm (HST) genannten Konzept künftig auch leistungsstärkste Anlagen mit sehr hohen Nabenhöhen ohne die inzwischen üblichen Betonturmabschnitte ermöglichen. Wie das Unternehmen aus Aurich in der zweiten Märzwoche mitteilte, wird es dafür seine schon bestehende Technologie eines modularen Stahlturmes (MST) aus miteinander längsverschraubten gewölbten oder mehrfach geknickten Turmwandplatten mit einem darauf gesetzten klassischen Stahlzylinderturm kombinieren.   

Bisher hatte der ostfriesische Hersteller wie andere Windenergieanlagenbauer auch die besonders im deutschen Windkraftmarkt üblichen sehr hohen Nabenhöhen ab 140 Meter meist mit unteren Betonturm-Abschnitten und aufgesetztem Stahlzylinderturm ermöglicht. Insbesondere weil die Windparkentwickler im schon stark windkraftgenutzten Bundesgebiet längst auch küstenfernere Standorte erschließen, bringen sie die Rotoren in immer neuen wind- und energiereicheren Höhenlagen an.

Bei bereits häufig deutlich mehr als 160 Meter, von Enercons Windturbinenbau-Wettbewerbern sogar schon verwirklichten knapp 180 Meter über dem Boden galten die Beton-Hybridtürme bereits als alternativlos: Die Betonarchitektur lässt die Anlagen auf ausreichenden Fußbreiten mit Kreisdurchmessern von bis zu einem Dutzend Metern abstellen und den unteren Turmabschnitt sich nach oben hin rasch verjüngen. Als Abschluss der unteren Betonhälfte dient ein ganz oben aufgesetztes Übergangssegment, Adapter genannt. Darauf flanschen die Errichtungsteam den ersten Stahlzylinderabschnitt mit nur noch kaum mehr als vier Metern Durchmesser, und setzen noch weitere zwei bis drei Stahlzylinderrohre jeweils oben auf. Der untere Betonabschnitt ist im Vergleich zu Stahlzylindersockeln schwingungsarm und deshalb stabiler. Vor allem setzen die Bauteams hier Beton-Drittel- und -Viertelschalen modular jeweils am Boden erst zu Turmringen zusammen. Und diese Ringsegmente türmen die Bauteams mit dem Kran eines aufs andere bis zum Adapter auf und verspannen sie im Turminnern mit Stahlseilen. Mit klassischen Stahlzylindertürmen wären so breite Turmsockel nicht möglich, weil sie nur mit bis zu etwas mehr als vier Meter Durchmesser noch unter den Autobahnbrücken hindurchpassen. Die Betondrittelschalen kommen dagegen mit genehmigungsfreien einfachen Lastwagentransporten über alle Straßen gut zur Baustelle.

Bis 130 Meter Nabenhöhe hatte Enercon allerdings alternativ auch die modularen Stahltürme schon eingesetzt. Die MST lassen sich in Gestalt ihrer Plattengrundformen ebenfalls logistisch problemlos mit einfachen Lastwagen „containerisiert“ anfahren, wie es bei Enercon heißt. Mit zahlreichen Verschraubungen an ihren Längsseiten montieren die Teams sie dort zu ebenfalls in großer Fußbreite ausgreifende und sich deutlich nach oben verjüngende Sockel. Teilweise schon mit aufgesetzten klassischen Stahlzylinderabschnitten zu HST-Hybridtürmen kombiniert, teilweise aus komplett in MST-Bauweise vormontierten Turmabschnitten aufgestapelt stellten die Ostfriesen in dieser Technologie bisher rund 1.300 Türme auf.

Nun soll es die HST-Türme auch für 162, 166 und 175 Meter Nabenhöhe geben um die neuesten Flaggschiff-Windturbinen an Land vom Typ E-160 und E-175 mit 5,56 bis 7,0 Megawatt (MW) Nennleistung zu errichten.

Enercon will mit dem neuen eigenen Turmbaukonzept leichter eigene Bedarf des hierzulande nun wieder rasch zunehmenden Windparkbaubetriebs abdecken, weil es nur wenige Fertigteil-Betonzulieferer gibt. Während der marktführende Betonturmlieferant Max Bögl sowie zum Beispiel ganz neu der Turmbauer Fuchs Europoles allerdings gerade ihre Kapazitäten ebenfalls stark ausbauen beziehungsweise neu in den Markt eintreten, will Enercon offenbar durch den HST-/MST- Turmbaueigenanteil die eigene Lieferfähigkeit zusätzlich absichern. Außerdem soll das neue Konzept die Lieferfähigkeit sehr hoher Türme mit entsprechenden energiereicheren Nabenhöhen auch in ausländischen Märkten erstmals absetzen. Hier konnten die Betonturmlieferanten aufgrund begrenzter Kapazitäten nur bedingt zuliefern. Max Bögl immerhin kann für sehr große ausländische Windparks auch eine extra patentierte mobile Betonfertigteile-Produktion nahe den Baustellen betreiben, wie 2018 und 2019 bei der Installation eines 90-Anlagen-Parks in Thailand vorgeführt.

Zusätzlich lasse die reine Stahlturmbauweise außerdem aber auch einen höheren Anteil lokaler Fertigung in einem ausländischen Markt zu, sagt auf Nachfrage Enercon-Pressesprecher Felix Rehwald. Ein bestimmter teils sehr hoher lokaler Anteil beziehungsweise Local Content in der Bauteilbelieferung von Windparks gilt in vielen Ländern inzwischen als Bedingung für mögliche Zuschläge in Vergütungs- oder Netzanschlussausschreibungen für neue Windparks. „Auf mittel-/langfristige Sicht könnten weitere Vorteile im Hinblick auf die Nachhaltigkeitseigenschaften dazukommen, wenn sich HST-Türme aus CO² -reduziertem oder CO² -neutralem Stahl fertigen lassen. Aufgrund der Technologie und des stahlpreisbedingten stabilen Materialwerts bieten HST-Türme Kunden wesentliche Kostenvorteile beim späteren Rückbau oder Repowering“, notieren die Ostfriesen zudem als zwei weitere Vorzüge ihres neuen Konzepts. Stahllieferanten bieten als Klimaschutzbeitrag für die künftige Windturbinenfertigung inzwischen ihr Material mit deutlich verkleinerten Kohlendioxid-Emissionswerten an. Den Treibhausgasausstoß von Kohlendioxid (CO2) reduzieren allerdings nicht nur Stahlhersteller durch neue Produktionsverfahren. Auch neue Betonrezepturen wie bei Max Bögl lassen künftig wohl den CO2-Fußabdruck von Windparks senken.

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