331 Windenergieanlagen wurden im ersten Halbjahr 2023 mit einer kumulierten Leistung von 1.565 Megawatt (MW) auf deutschem Festland erbaut. Das zeigt die Auswertung der Deutschen WindGuard im Auftrag vom Bundesverband für Windenergie (BWE) und dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Der Bruttozubau im ersten Halbjahr 2023 beträgt damit bereits 65 Prozent des Zubaus des Gesamtjahrs 2022. Trotz bestehender Herausforderungen wird damit voraussichtlich der obere Bereich der Verbändeprognose von 2,7 bis 3,2 Gigawatt (GW) erreichbar. Zu den aktuellen Herausforderungen gehören lange Genehmigungszeiten, die bis in den Transport reichen. Außerdem zeigt sich ein unausgeglichenes Bild der Bundesländer. Norddeutschland führt nicht nur den Bestand, sondern auch den Netto-Zubau an, wohingegen besonders in Bayern und Sachsen wenig Entwicklung zu erkennen ist.
Schleswig- Holstein schafft ein drittel des Zubaus
80 der neuen Anlagen im ersten Halbjahr wurden anhand von Repowering-Projekten neu aufgesetzt. Das macht eine Leistung von 396 MW aus. Dagegen wurden 239 Megawatt aus 198 Windenergieanlagen stillgelegt. Somit beträgt der Netto-Zubau 1.325 MW. Zum 30. Juni 2023 ergibt sich ein kumulierter Bestand von 59.343 MW aus 28.517 Windenergieanlagen.
Im Vergleich der Bundesländer weißt der Norden deutlich höhere Zubau-Summen als Süddeutschland auf. Schleswig-Holstein erreicht mit einer Leistung von 597 MW einen Anteil vom 38 Prozent des deutschlandweiten Zubaus. Darauf folgen Niedersachsen mit 267 MW, Nordrhein-Westfalen mit 204 MW und Brandenburg mit 148 MW. In Thüringen, Sachsen und Hamburg, Bremen und Berlin wurde dagegen keine Windenergieanlage errichtet. Auch Bayern, Baden-Württemberg und das Saarland erreichen nur eine einstellige Anzahl von zugebauten Anlagen.
Den größten insgesamten Anlagen-Bestand weisen Niedersachsen (12.268 MW) und Brandenburg (8.403 MW) auf. Gemessen anhand der Fläche besitzt Schleswig-Holstein die größte Leistungs-dichte mit 505 Kilowatt pro Quadratkilometer.
Genehmigungen sind Schlüsselwert
585 neue Windenergieanlagen mit einer Leistung von zusammen 3.175 MW wurden zudem im ersten Halbjahr 2023 genehmigt. Gegenüber dem Vorjahr zeichnet sich somit eine erhebliche Steigerung ab. Zur Jahresmitte 2023 beträgt das Genehmigungs-Volumen bereits drei Viertel der im Gesamtjahr 2022 erteilten Neugenehmigungen. Von den im ersten Halbjahr genehmigten Anlagen haben 34 Prozent bereits einen Zuschlag in einer Ausschreibungsrunde erhalten. Die übrigen 66 Prozent haben am 1. August erstmals oder erneut die Gelegenheit sich den EEG-Förderanspruch in einer Ausschreibung zu sichern. „Schlüsselwert sind und bleiben die Neugenehmigungen. Hieran wird sich der Erfolg der Bundesregierung messen lassen müssen“, erläutert Bärbel Heidebroek, Präsidentin des BWE. Neben einer größeren Verteilung muss auch die Geschwindigkeit deutlich erhöht werden: „Es braucht jetzt in allen Ländern deutlich mehr Tempo. Um die angestrebten jährlich 10 GW Zubau zu erreichen, müssen mindestens 12 GW neu genehmigt werden“, sagt Heidebroeck.
Zwei Jahre bis zur Genehmigung
Nach der Fachagentur Wind beträgt die durchschnittliche Verfahrenslaufzeit mit 24,5 Monaten auf einem neuen Höchstwert. Neben langwierige Verfahren stellt der Mangel an verfügbaren Flächen eine der größten Zubau-Hürden dar. „Beschlüsse und Ziele sind vorhanden. Bis die Bundesländer diese Regelungen schlussendlich umsetzen, darf nicht weiter wertvolle Zeit verstreichen. Mit dem derzeitigen Tempo werden die Ziele verfehlt“, erklärt Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer VDMA.
Ein weiteres Baustelle, die zu langgezogenen Prozessen führt, ist die Genehmigung von Transporten. Aktuelle dauere es rund 12 Wochen bis zu einer Genehmigung von Schwerlasttransporten. Um diese Zeit deutlich zu beschleunigen sollen verschlankte Genehmigungsverfahren die Zahl der Anträge deutlich verringern, die Branche und die Behörden entlastet und die Genehmigungszeiten und Kosten deutlich gesenkt werden.
Repowering soll wichtiger Hebel werden
Auch für die Durchführung von Repowering-Projekten sollen Genehmigungsverfahren deutlich schneller abgewickelt werden. „Das Potential liegt bei rund 13.600 Anlagen mit einer Leistung von mehr als 18 GW bis Ende 2028. Hier schlummert kurz- bis mittelfristig ein Repowering-Potential von bis zu 54 GW“, erläutert Bärbel Heidebroek.
Zusätzlich sollen Wirtschaftsperspektiven geschaffen werden, um für Hersteller und Zulieferer Hemnisse abzubauen. „Für die Stärkung der europäischen Lieferkette braucht es verbesserte Rahmenbedingungen und eine politische Flankierung des strategischen Wertes eines starken Anlagenbaus in Europa. Die bisherigen Ansätze zum Green Deal Industrial Plan reichen hierfür nicht aus“, betont Dennis Rendschmidt. (fk)