Kumulierte Kapitaleinsatz für die Förderung von Öl und Gas 2018 bis 2014. Sowohl das ambitionierte Alternativ-Ziel der Internationalen Energieagentur IEA, Sustainable Development Scenario (SDS), wie auch das New Policy Scenario (NPS) gehen bei den Investitionen in fossile Energien viel zu weit, um die Pariser Klimaziele einzuhalten.Quellen: IEA, Rystad Energy, Oil Change International analysis, IPCC, Global Carbon Project
Gerade in der Politik trifft man auf diesen Menschenschlag: Die Wendehälse, die ihre Position so flexibel verändern wie ein Chamäleon seine Farbgebung. Auch Peter Altmaier, unser einstiger Umweltminister und brandneue Wirtschaftsminister, gehört offenbar in diese Kategorie. Stellte er sich noch bei BEE-Neujahrsempfang vor die Regenerativbranche und versprach ein Verbesserung der Bedingungen für den Eigenverbrauch, so hat er dies offenbar in den vergangenen Wochen wieder vergessen. Denn wie sich nun herausstellte, bremst das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) auf EU-Ebene, statt die Rahmenbedingungen zu vereinfachen und damit mehr Klimaschutz zu ermöglichen. Dort erteilte Altmaier einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für die bürgereigene Erzeugung und Nutzung von Ökostrom eine Absage. Dies geht aus der Antwort des BMWi auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordnete Julia Verlinden (Bündnis 90 / Die Grünen) hervor.
In Deutschland machen die regulatorischen Rahmenbedingungen engagierten Bürgern bei der Eigen- oder der Versorgung der Nachbarschaft mit erneuerbarem Strom das Leben schwer. Dabei gibt es gerade in Großstädten ein riesiges Potential für den Ausbau erneuerbarer Energien. Derzeit läuft auf europäischer Ebene ein Abstimmungsverfahren zwischen EU-Kommission, Parlament und dem Europäischen Rat - das sogenannte Trilog-Verfahren - zu den künftigen Rahmenbedingungen für den europäischen Energiemarkt. Im Trilog-Verfahren wird unter anderem der Artikel 21 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie beraten. Dieser sieht neue Rahmenbedingungen zum Beispiel für solare Eigenverbrauchsmodelle oder die Nutzung von erneuerbarem Strom für Mieter- und Quartiersstrommodelle vor. Während der Vorschlag des Europäischen Parlaments auf Vereinfachungen für die Umsetzung derartiger Modelle abzielt, versucht nach Informationen des Bündnis Bürgerenergie (BBEn) das BMWi über den Europäischen Rat verbesserte Rahmenbedingungen zu blockieren. Noch ist Zeit, dieser Blockade zu begegnen. Denn eine abschließende Regelung auf europäischer Ebene wird erst Ende 2018 erwartet. Das BBEn hat nun eine Petition mit dem Ziel gestartet, das BMWi zum Einlenken zu bewegen und damit den Weg für eine klimaneutrale, erneuerbare Energieversorgung in Bürgerhand freizumachen. Die Petition kann über die Aktionsplattform weACT unterstützt werden.
Auch die Internationale Energieagentur scheint es nicht wirklich ernst zu meinen mit Bemühungen für Erneuerbare und Effizienz wie etwa einem entsprechenden Workshop Ende März in Paris. Mehr Bedeutung haben offenbar Ölstaaten wie Norwegen und die USA, mit deren Förderquote sich die IEA ebenfalls beschäftigt. Was auch immer die Antriebskraft für die IEA ist, das Ergebnis ist hochschädlich für den internationalen Klimaschutz: Ein neuer Bericht von Oil Change International und dem Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA) zeigt, wie die Szenarien der Internationalen Energieagentur (IEA) dazu führen, dass Regierungen energiepolitische Entscheidungen treffen, die den Zielen des Pariser Klimaabkommens entgegen stehen. Das Hauptszenario der IEA, das New Policy Scenario (NPS), basiert so stark auf der Verbrennung fossiler Brennstoffe, dass das CO2-Budget für das 1,5°Celsius-Ziel schon bis 2022 und für ein 2°C-Limit bis 2034 erschöpft wäre. Gemäß dem neuen und ehrgeizigeren Sustainable Development Scenario (SDS) der IEA wäre das CO2-Budget von 1,5° C bis 2023 und das von 2° C bis 2040 erschöpft. Von den empfohlenen Öl- und Gasinvestitionen des NPS sind zwischen 78 und 96 Prozent – 11,2 bis 13,8 Billionen US-Dollar im Zeitraum von 2018 bis 2040 – mit den Pariser Klimazielen nicht vereinbar . So das vernichtende Fazit der Autoren.
Da kann man sich nur Greg Muttitt, Forschungschef von Oil Change International, anschließen, der sagt, IEA bewerbe eine Vision der Zukunft, in der die Welt von fossilen Brennstoffen abhängig bleibt. Das Basis für politische Gesetzesrahmen und Investitionsentscheidungen bestehe hier aber die Gefahr einer "self-fulfilling prophecy". Wenn man sich vor Augen führt, dass alle 30 IEA-Mitgliedstaaten das Paris-Abkommen unterzeichnet haben, sollte man doch meinen: Die Aufgabe der IEA ist es nun, den Mitgliedern zu helfen, diese Ziele zu erreichen - statt sie auszubremsen. Irgendwas läuft hier mächtig schief!