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Aus unserem Magazin

Von Robotern und Rotorblättern

Das Werkstück ist noch nicht ganz fertig. Die 18 Meter lange Kunststoffschale ruht in der Werkhalle und erinnert ein bisschen an den Rohentwurf eines Ruderboots. Doch weit gefehlt. Das große Kunststoffbauteil wird als Formwerkzeug für ein 18 Meter langes Teilstück eines Rotorblatts dienen. „Normalerweise folgt die Herstellung eines Formwerkzeugs auf den Bau eines Urmodells“, erläutert Roman Braun, Leiter des Projekts Blademaker beim Fraunhofer IWES in Bremerhaven. Erst wird ein 1:1-Modell des künftigen Blatts gebaut und davon dann die Form für die Produktion der Rotorblätter abgenommen. „Unserem Projektteam ist es gelungen, das Potenzial des direkten Formenbaus nachzuweisen, der ohne diese Zwischenstufe auskommt. Ein neues Blatt kann so zwei Monate schneller zur Marktreife gebracht werden“, sagt Braun.

Und Zeit ist Geld, auch in der Rotorblatt­produktion. 15 bis 20 Prozent der Kosten in der Turbinenproduktion gehen auf das Konto der Rotorblätter. Mindestens 10 Prozent davon einzusparen ist ein erklärtes Ziel des Projekts Blademaker, das seit 2012 läuft und mittlerweile kurz vor seinem Abschluss steht. 13 Millionen Euro konnten die 16 Partner aus Industrie und Forschung investieren, 8 davon stammen vom Bundeswirtschaftsministerium. Auch die 15 mal 55 Meter große Halle am Seedeich in Bremerhaven, in der das fast fertige Formwerkzeug ruht, ist Teil des Projekts. In diesem vor einem Jahr eröffneten Demozentrum führt das Blademaker-Team interessierten Unternehmen die erprobten Teilprozesse vor und arbeitet an deren Integration in den Fertigungsablauf.

„Die Blatthersteller haben ihre Fertigung in Teilbereichen bereits industrialisiert, jedoch sind manuelle Arbeitsschritte noch ein wesentlicher Bestandteil geblieben. Wir sehen weiterhin ein hohes Optimierungspotenzial durch den Einsatz alternativer Materialien und durchgängigere Industrialisierung“, erläutert Braun. „Es gibt eine Menge neuer Ideen – wir wollen die Hersteller dabei unterstützen, diese Ideen serienreif zu machen.“ Das Blademaker-Demozen­trum soll dabei als realitätsnahe Test­umgebung dienen. Benachbarte Labore bieten die Möglichkeit, neue Materialien auf ihre Eignung zu prüfen; zu Demozwecken hergestellte Rotorblätter können im IWES-Rotorblattprüfstand getestet werden.

Im Zentrum Design, Material und Fertigung

Zu Projektbeginn haben die Ingenieure den Fertigungsprozess unter Kostengesichtspunkten analysiert. Das Ergebnis: 59 Prozent der Kosten entfallen auf das Material, 30 Prozent auf die Arbeitszeit. Anschließend wurden drei Felder näher beleuchtet: die Entwicklung eines fertigungsgerechten Rotorblattdesigns, der Einsatz neuer Materialien sowie die Entwicklung automatisierter Produktions­prozesse. „Wir wollten gerade im Hinblick auf neue Materialien nicht skalieren, sondern 1:1 bauen.“

Dafür hat das IWES-Ingenieurteam das Modell einer Windenergieanlage mit 1,5 Megawatt (MW) Nennleistung und 40 Meter langen Blättern entwickelt. Um Prozesse mit hohem Potenzial für Kostensenkung und Qualitätssteigerung zu identifizieren, wurde dabei zunächst der Designprozess betrachtet. Über eine integrierte Softwarelösung können 3-D-Modelle der Einzelkomponenten simuliert werden, um die Fertigung vorzubereiten. Der Hersteller kann so frühzeitig potenzielle Herausforderungen im Prozessablauf erkennen. „Wir haben erste Schritte unternommen, um die Fertigung zukünftig durchgängig simulierbar zu machen“, erläutert Roman Braun. „Für den im Projekt entwickelten direkten Formenbau haben wir den Nachweis erbracht, dass mit der integrierten Softwarelösung auch Maschinencodes automatisch erzeugt werden können.“

Portalsystem fräst, klebt und schleift

Anschließend kam der Produktionsprozess auf den Prüfstand: Die Ingenieure entwickelten und erprobten ein innovatives Maschinenkonzept, das multifunktional für verschiedene Prozesse genutzt werden kann. Grundlage war eine CNC-Fräsmaschine, die mit zwei sogenannten Portalsystemen wie eine Kranbrücke über das Werkstück fährt und die notwendigen Arbeiten erledigt. „Der Vorteil gegenüber Robotern ist, dass wir nur eine Steuerung programmieren müssen“, begründet Braun.

Damit auch die unterschiedlichen Arbeitsschritte wie Fräsen, Kleben und Schleifen vom selben Portalsystem übernommen werden können, sind unterschiedliche Prozessköpfe installierbar. Spezielle Legeköpfe übernehmen beispielsweise das genaue automatische Legen der Glasfaserlagen ins Formwerkzeug. „Durch neue Greifkonzepte wird das empfindliche Material bei gleicher oder höherer Produktivität schonender und präziser verarbeitet. Dies ist besonders für die Fertigung der Blattwurzel, für die 100 bis 120 Lagen übereinander platziert werden, ein großer Vorteil“, erläutert Braun. Für die Rotorblattgurte entwickelte das Fraunhofer IWES zusätzlich einen Inline-Imprägnierprozess für einzelne Faserbündel (Rovings). „Damit wird sichergestellt, dass auch dickwandige Laminate schnell und vollständig durchtränkt werden.“

Ein weiterer Prozess, der im Rahmen des Projekts optimiert wurde, ist das Tränken der Glasfasergelege mit Epoxidharz. Sensoren, die in das Formwerkzeug integriert sind, überwachen den Infusionsprozess. Sie ermöglichen eine genaue Kontrolle, ob das Material vollständig getränkt und wann der Härtungsprozess abgeschlossen ist. Zudem wurde eine gekapselte Misch- und Dosier­anlage direkt angeschlossen, um den Prozess robuster gegen Umgebungseinflüsse zu machen.

Auch im Klebeprozess haben die Wissenschaftler Grundlagen für weitere Optimierungen gelegt: Mit dem Portalsystem kann der Klebstoff automatisch und bedarfsgerecht aufgetragen werden. „Da der Klebstoffauftrag deutlich beschleunigt werden kann, wird der Einsatz von schnell härtendem Klebstoff möglich“, erläutert Braun die Vorteile und verweist auf weitere Erfolge im Bereich Schleifen, die das Portalsystem leisten kann. Ein umlaufendes Schleifband fährt dafür am Blatt entlang und wird in einer am Schleifkopf integrierten Station automatisch gereinigt. „Damit entfallen die sonst üblichen Unterbrechungen für den Wechsel des Schleif­mittels. Der Schleifvorgang ist dann fünfmal so schnell zu erledigen wie von Hand.“

Noch bis September dieses Jahres läuft das Verbundprojekt Blademaker. Danach sollen weitere Industriepartner für eine Zusammenarbeit gewonnen werden. Mit eigenen oder bereitgestellten Formwerkzeugen können sie im Demozentrum Teilprozesse erproben und weiterentwickeln. „Unser Fokus wird dann die intensive Betrachtung der Verarbeitungseigenschaften von Materialien in den indus­trialisierten Prozessen sein. Deren Berücksichtigung in der Strukturauslegung und Prozessplanung bildet die Grundlage für weitere Effizienzsteigerungen.“

(Katharina Wolf)

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