Die Dürren der vergangenen Sommer in Deutschland, die extremen Waldbrände in Südeuropa in diesem Jahr - es gibt ausreichend Anlässe, um sich Sorgen um den Klimawandel und den damit verbundenen Wassermangel zu machen. An der Hochschule Flensburg hat sich Prof. Clemens Jauch mit diesem Problem beschäftigt und ist auf eine fantastisch anmutende Idee gekommen: atmosphärische Bewässerung mit Windenergieanlagen - er will Windparks regnen lassen.
Am Institut für Windenergietechnik (WETI) forscht und lehrt Jauch vor allem zur Netzeinspeisung von Windstrom oder zur Systemträgheit von Windenergieanlagen. Doch seit längerer Zeit beschäftigen ihn die zunehmenden Wetterextreme mit Hitze und starkem Wind in Folge des Klimawandels. „Selbst in Deutschland ist es mittlerweile zu trocken“, sagt Jauch. Der Grund: Der natürliche Wasserkreislauf funktioniere an manchen Stellen der Erde nicht mehr so wie wir es gewohnt sind. Das System aus Verdunstung, Wolkenbildung und Niederschlag habe sich verändert. Aus Sicht von Jauch ist es aber auch Teil der Lösung. „Ich möchte den Wasserkreislauf unterstützen, stärken“, sagt er.
Über Pumpen und Düsen verteilen Rotorblätter Wassertröpfchen in die Atmosphäre
Unter dem Titel „Atmosphärische Bewässerung mit Windenergieanlagen“ - hat Jauch in seinem Forschungssemester die Idee entwickelt, über die Rotorblätter von Windenergieanlagen Wasser in die Atmosphäre zu bringen, wo es in Form von Wassertröpfchen oder Wasserdampf vom Wind verteilt wird. „Wir nutzen eine technische Komponente, die wir bereits haben: den Rotor von Windenergieanlagen - und den Wind, der auch schon da ist“, erklärt Jauch. Bevorzugt an Flussmündungen wird Wasser über eine Pumpe in die Rotorblätter der Anlage gepumpt und dort über Düsen in die Luft emittiert. „Bei einer derzeit üblichen Größe von Windenergieanlagen, haben wir hier eine Wasseremissionsfläche so groß wie etwa anderthalb Fußballfeder“, rechnet der Professor vor. Der Wind übernimmt dann die Verteilung des Wassers durch die Atmosphäre. Es verdunstet, es bilden sich Wolken, es regnet.
Anwendungsfälle sieht Clemens Jauch viele. Über Windenergieanlagen in Küstennähe kann auflandiger Wind das Wasser über lange Strecken landeinwärts verteilen, bis es etwa auf Gebirgszüge trifft und abregnet. „So kann die Niederschlagsmenge erhöht werden.“ Doch nicht nur gegen Dürren und drohende Austrocknung kann das Prinzip helfen. „Man kann es auch nutzen, um beispielsweise in Norwegen abschmelzende Gletscher aufzubauen.“ Regional in Schleswig-Holstein sieht der Professor zunächst die Anwendung über kurze Strecken oder zur lokalen Beregnung. Dies könne dienlich sein für die Land- und Forstwirtschaft oder gegen drohende Waldbrände.
Geeignete Standorte an Flussmündungen
Wichtig ist ein geeigneter Standort für die Windenergieanlage, betont Jauch. So seien Flussmündungen optimale Standorte. „Wir nehmen kein Grundwasser, sondern die Anlage muss dort stehen, wo Wasser verfügbar ist, etwa an Flussmündungen wo Süßwasser kurz davor ist zu ungenießbarem Salzwasser zu werden“, erklärt er. Damit das Wasser dann an die Stelle kommt, wo es tatsächlich gebraucht wird, muss natürlich auch die Windrichtung stimmen.
Diese Art der Wasserverteilung ist im Vergleich zu konventionellen Bewässerungsanlagen, eher unpräzise. Doch genau darin liege der Vorteil der Technologie, ist Jauch überzeugt: Das Wasser wird in den betroffenen Gebieten diskriminierungsfrei den Menschen, den Pflanzen und den Tieren zur Verfügung gestellt. Nur so können das gesamte Ökosystem und das Grundwasser davon nachhaltig profitieren. In einer etwas aufwändigeren Ausführung könne das System zukünftig auch für die Entsalzung von Seewasser verwendet werden.
Clemens Jauch ist überzeugt, dass seine Erfindung funktioniert. Zunächst geht es deshalb in die detailliierte Entwicklung: In Masterarbeiten sollen sich nun Studierende mit verschiedenen Aspekten wie den technische Komponenten für das Düsensystem oder der Aerodynamik der Rotorblätter beschäftigen, bevor es an konkrete Forschungsprojekte geht. (kw)
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