Die von der schleswig-holsteinischen Landesregierung ausgewiesenen Vorrangflächen für Windstromerzeugung sind „nur gut zur Hälfte mit modernen Windenergieanlagen bebaubar“. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (Fraunhofer IEE) im Auftrag des Bundesverband Windenergie (BWE) am Mittwoch veröffentlicht hat. Sowohl die spezifisch schleswig-holsteinische Rotor-in-Planungsvorgabe, als auch in dem Bundesland verbindliche Mindestabstände zur Wohnbebauung in Abhängigkeit von der Gesamthöhe der Anlagen reduzieren demnach das Ausbaupotenzial mit den neuen Großwindturbinen drastisch.
Ausdrücklich lassen die Vorrangflächen nämlich nur insoweit neue Windenenergieanlagen zu, dass die Rotorblattspitzen in ihrer Umlaufbahn nicht über die Ränder der ausgewiesenen Eignungsgebiete ausgreifen. Windturbinen müssen hier also nicht nur mit dem Turm innerhalb der Flächengrenzen stehen. Die Projektierer müssen sie in ihren Planungen stattdessen komplett um einen Rotorradius nach innen zurückversetzen. Außerdem hatte die sogenannte Jamaika-Regierung in Kiel mit ihrer Koalition aus CDU, Grünen und FDP landeseigene Mindestabstände in Abhängigkeit von der Gesamthöhe der Anlagen durchgesetzt. Demnach dürfen neue Turbinen nur so nah an die Häuser heranrücken, dass sie mit den Blattspitzen einen Abstand des fünffachen der Turbinengesamthöhe noch einhalten. Im Außenbereich von Siedlungen gilt eine Bannzone um Wohnbebauung für neue Anlagen in einer Breite der dreifachen Turbinengesamthöhe.
Die Studienautoren bemängeln mit Blick auf das Regionalplanungskonzept eine veraltete technologische Grundannahme. Die für die Vorrangflächenkalkulation bestimmte Referenzanlage hat eine Gesamthöhe von 150 Metern bei 100 Metern Rotordurchmesser. Tatsächlich würde sich das Potenzial im Vergleich zu einer Bebauung der Flächen mit der Referenzanlage um fast 50 Prozent reduzieren, wenn nur Anlagen mit 240 Meter Gesamthöhe zum Einsatz kämen. Diese Dimension entspricht derjenigen neuester Windturbinenmodelle mit 160 Meter Rotordurchmesser und bis zu sechs Megawatt (MW) Nennleistung bei 160 Meter Nabenhöhe. Derartige Anlagen sind inzwischen die bevorzugten Turbinen bei Projektplanungen an küstenfernen oder hügeligen Mittelwindstandorten, um mit den weiter und höher ausgreifenden Blättern eine stetigere Luftströmung einzufangen.
Weil in Küstennähe allerdings stetige Luftströmungen ohnehin eher die Regel als eine Ausnahme sind sowie bodennäher vorkommen, kommen hier Windturbinen mit geringeren Ausmaßen und insbesondere auch geringeren Nabenhöhen auf ebenso gute oder gar bessere Windernten. So rechnen die Studienautoren die Nutzung der ausgewiesenen Flächen Schleswig-Holsteins auch mit einer Referenzanlage mit nur 180 Meter Gesamthöhe an Starkwindstandorten und mit 195 Meter Gesamthöhe an Mittelwindstandorten durch. Durch Einsatz solcher Anlagen würde sich das Ausbaupotenzial im Vergleich zu Anlagen mit 150 Meter Gesamthöhe von knapp 8.000 um elf Prozent auf rund 7.000 MW vermindern, so zeigen es die Grafiken in der Studie.
Wollen Sie die wirtschaftliche und technologische Entwicklung der Windkraft im Blick behalten? Dann abonnieren Sie einfach den kostenlosen Newsletter von ERNEUERBARE ENERGIEN!