Herr Kopp, wie geht es weiter mit der Netzwerkagentur für Windenergie, der Windcomm Schleswig-Holstein? Die vierte Förderperiode, die 2013 begann, endet heute.
Es wird eine Umstrukturierung geben. Das Projekt Windcomm wird umgebaut in ein Clustermanagement Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein.
Sie stellen sich breiter auf? Wird dann die Windkraft an Bedeutung verlieren?
Nein. Sie macht 80 bis 90 Prozent der Unternehmen in unserer Region aus und damit die wesentlichen Cluster-Strukturen. Wir nehmen aber die Themen Biomasse und Photovoltaik mit auf, sowie Wärme, Speichertechnologien und Netzintegration, weil wir sie zur regionalen Umsetzung der Energiewende brauchen.
Wird es Windcomm dann nicht mehr geben?
Es ist geplant, die Marke Windcomm über den Förderverein Windcomm e.V. zu erhalten. Wir hatten am gestrigen 29. September eine außerplanmäßige Mitgliederversammlung, auf der die Mitglieder unseren Vorschlag hierzu angenommen haben. Das heißt, im Verein bleibt erst einmal alles so wie es ist. Die Netzwerkagentur wird es nicht mehr geben. Sie wird umstrukturiert in das neue Clustermanagement Erneuerbare Energien.
Wo wird künftig der Schwerpunkt Ihrer Arbeit liegen?
Auch künftig wird der Fokus auf den Unternehmen liegen. Das heißt, deren Betreuung und Begleitung im Bereich erneuerbare Energien.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Unsere Projektmanager werden die Unternehmen in Schleswig-Holstein abfahren und fragen, wo der Schuh drückt. Wir werden uns auch Impulse für neue Projekte holen – zum Beispiel für die Themen Speicherung und Netzintegration. Mit unserem neu aufzustellenden Team gucken wir, welche Themen die Branche bewegen: Speicherung, Erneuerbare-Energien-Konzepte für die Kommunen, Versorgungskonzepte für Prozesswärme oder Industrie.
Welche Bedeutung hat diese Arbeit für die Region? Könnte sie die weitere Ansiedlung von Unternehmen nach sich ziehen?
Das ist unsere Hoffnung. Der Fokus liegt darauf, Unternehmen in Schleswig-Holstein zu halten und neue anzusiedeln. Wir wollen mit günstiger Energie zusätzlich Ansiedlungen generieren. Es wird neue Konzepte für Industrie und Gewerbe geben, aber auch für Kommunen, sich mit erneuerbaren Energien zu versorgen.
Ist die Energie in Schleswig-Holstein so günstig?
Wir haben die niedrigsten Energiekosten bundesweit, was die Onshore-Windenergie angeht. An guten Standorten liegen wir zwischen fünf und sechs Cent, teilweise noch darunter. Bisher war es so, dass die Windparkbetreiber große Anreize hatten, die Windkraft nach EEG-Vergütung ins Netz einzuspeisen. Künftig werden wir Ausschreibungen haben und teilweise gar keine Förderung mehr. Darum wollen wir die Windkraft so wettbewerbsfähig machen, dass wir sie am freien Markt anbieten können. Eines unserer Konzepte wird genau darauf abzielen, Unternehmen direkt zu versorgen.
Dann wären also für neue Industrieunternehmen die günstigen Strompreise ein Grund, sich in Schleswig-Holstein anzusiedeln?
Das ist ein Anreiz. Wenn man sich das historisch anschaut, dann haben sich die großen Industrieunternehmen immer dort angesiedelt, wo die Energie günstig war.
Welche Rolle kommt den Kommunen dabei zu?
Die Kommunen werden eine neue Zielgruppe des Clusters. Sie werden ein wichtiger Partner bei der Umsetzung von „100 Prozent Erneuerbare Energien“-Konzepten, allein deshalb, weil sie die Bauleitplanung zu tragen haben für zum Beispiel Gewerbeparks und weil sie wahrscheinlich auch Projektträger sein werden für bauliche Maßnahmen.
Wie kann man sie unterstützen?
Die meisten Bürgermeister dürften mit einem so hochkomplexen Thema wie der Regenerativkonzeption für Wärme, Strom und Verkehr überfordert sein. Deswegen brauchen sie neutrale Berater, die sie dabei unterstützten.
Aber haben Gemeinden überhaupt Interesse an der Umsetzung einer 100-Prozent-Strategie?
Es gibt ja bereits Kommunen, die an solchen Konzepten arbeiten. Das Interesse ist da. Wir haben ja jetzt schon im Kreis Friesland im Stromsektor eine 100-Prozent-Erneuerbaren-Region. In ganz Schleswig-Holstein haben wir bezogen auf die Bruttostromproduktion 100 Prozent erneuerbare Energien im Netz. Bis 2025 sollen es 300 Prozent werden. Das heißt, eigentlich sind wir schon eine 100-Prozent-Region. Jetzt müssen wir die Wärmewende und die Mobilitätswende schaffen. Und das sind die nächsten Schritte, die wir auch mit den Kommunen angehen müssen. Die meisten Kommunen an der Küste sind sehr positiv gegenüber erneuerbaren Energien eingestellt.
Wie kann sich Schleswig-Holstein als Nachbar der „Windenergiehauptstadt“ Hamburg behaupten?
Wir arbeiten mit den Hamburgern sehr gut zusammen, weil wir eine Funktionstrennung haben und in der Stadt Hamburg selbst sehr viele Hauptsitze von Unternehmen angesiedelt sind – zum Beispiel Senvion oder Nordex. Das ist der Infrastruktur geschuldet: Kurze Wege zu Flughäfen, Fachkräfte, die vor Ort zur Verfügung stehen. Wir haben eine andere Struktur im ländlichen Raum. Wir können viel Kaje und viel Fläche zur Verfügung stellen. Zum Beispiel Service und Wartung finden immer da statt, wo die Anlagen stehen. Das heißt, hier der Produktionsstandort und in Hamburg der Managementstandort.
(Nicole Weinhold)