Schleswig-Holstein wächst mit Mais zu und im nördlichen Bundesland droht eine Art Kulturrevolution: „Vermutlich schon 2012 wird der Weizen als meist angebaute Feldfrucht vom Mais abgelöst werden. In Schleswig-Holstein sind 2011 bereits rund 100.000 Hektar mit Energiemais bestellt – eine Fläche so groß wie der Kreis Plön einschließlich aller Gewässer, Wälder, Siedlungen und Verkehrsflächen“, schreibt NABU-Autor Fritz Heydemann, um das Vermaisungsszenario auszumalen. Nun kennt nicht jeder den Kreis Plön, und auch die absolute Angabe, dass Ende 2010 etwa 90.000 Hektar mit Energiemais bestellt wären, ist ohne Vergleichsgröße nicht besonders handlich. Aber in dem NABU-Papier sind später immerhin Relationen zu lesen. Die gesamte Anbaufläche für Mais beträgt rund 184.000 Hektar in Schleswig-Holstein und das entspreche 26,5 Prozent der Ackerfläche, etwa die Hälfte des Maisanbaus entfällt also wohl auf die Viehwirtschaft, was im Papier aber nicht erwähnt wird. Etwa 10 Prozent der Ackerfläche des Landes würde mit Mais für die Biogasproduktion bestellt. Doch da die Ackerfläche an der gesamten Landesfläche Schleswig-Holsteins nicht genannt wird, wird am Ende immer noch nicht viel klarer, ob die Schleswig-Holsteiner bereits so eingemaist sind, dass sie, wenn sie die Haustür aufmachen, vor einer Wand aus Mais stehen.
Ende 2010 wären in Schleswig-Holstein etwa 420 Biogasanlagen in Betrieb, im Bau oder genehmigt, heißt es weiter. Man rechne bis Ende 2011 mit einem Bestand von 500 bis 600 Agrargasanlagen. Statt Biogasanlagen wird der Begriff Agrargasanlagen verwendet, weil Bio mit umweltfreundlich assoziiert werde. Im Fall von Biogas sei das ungerechtfertigt und irreführend. Also spricht NABU von Agrargas.
Übliche Argumente werden ausgetauscht
Es sind die üblichen Argumente, die die Studie gegen Biogas vorbringt: Die Akzeptanz von Biogas sei am Schwinden. Allerdings wird dabei hier und in anderen Untersuchungen zuvor nie so richtig belegt oder nachgefragt, welche Bevölkerungsgruppen diese Aversion in sich tragen und wie viele das sind. Argumentiert wird auch gegen den Anbau von Mais – wobei die Studie feststellt, dass der Stickstoffbedarf von Maiskulturen gleich oder sogar niedriger als beim Weizen oder Raps ist. Zu kritisieren ist sicher, wenn Biogasanlagen die Wärme kaum nutzen, die bei der Stromproduktion abfällt. Doch ist auch fraglich, ob die Angabe im NABU-Gutachten, dass 80 Prozent der Energie bei der Stromproduktion in einer Biogasanlage als Wärme freigesetzt werden, stimmt. Selbst den Durchschnitt dürfte das nicht treffen. Es stellt sich die Frage, welche Biogasanlage sich der NABU da angesehen hat. Andere Aspekte, die erläutert werden, sind die Auswirkungen von Mais auf die Umwelt – Gewässerschutz, Bodenerosion, werden ausgeführt. Außerdem wird das Klimaschutzpotenzial von Biogas bilanziert – der NABU kommt zu dem Ergebnis, dass die für Biogas negativ ausfällt. Zu ihren Favoriten haben Naturschutzverbände in Deutschland die Windkraft und die Photovoltaik erklärt. Allerdings wirft das, nebenbei auch wieder Akzeptanzfragen auf. Dass Windkraftanlagen schön anzusehen sind, wenn sich so ein Rad in den Blick des Betrachters auf die Landschaft stellt, wird nicht von allen geteilt. Und möglicherweise konfligiert der Ausbau von Windkraft beispielsweise mit dem Vogel- oder dem Fledermausschutz. Dann hätten die Naturschutzverbände mit dem Ausbau der Windkraft ein Problem.
Und die beiden Biogasverbände Fachverband Biogas und der Biogasrat argumentieren derweil mit genauso umfangreichen Ausführungen und Stellungnahmen in jedem Punkt genauso plausibel dagegen.
Fokus auf Mais?
Die Gräser Weizen, Roggen und Gerste tun sich seit Jahrhunderten als große Monokulturen im Landschaftsbild der deutschen Agrarkultur gütlich, was jetzt keinen mehr zu stören scheint, seitdem der Mais nun im Fokus steht. Wenn Heydemann also die flächenmäßige Ablösung des Weizens durch Mais in Schleswig-Holstein gleich in den ersten Sätzen als Menetekel an die Wand malt, dann handelt es sich – vorausgesetzt, dass das der Fall sein wird – ökologisch betrachtet nur um die Ablösung von einer Monokultur durch eine andere. Das macht die zweite nicht besser als die erste, aber sie ist per se auch nicht schlechter. Der Unterschied ist, dass Weizen gesellschaftlich einen höheren Stellenwert besitzt als Mais. Seit der Christianisierung des Abendlands ist Brot außerdem eine Reliquie – und damit auch die Pflanzen, aus denen es erzeugt wird. Vollkorn wird außerdem als Gesundheitselixier für Menschen insbesondere von der Ökoszene propagiert – und ist ein moderner Mythos. Menschen haben immer nur dann volles Korn gegessen, wenn die Ernte schlecht ausfiel. Selbst die Getreideernährung an sich für Menschen ist mehr als fraglich. Fakt ist: Sie sichert das Überleben und Brot macht satt, aber es ist deswegen noch lange nicht gesund.
Ausräumen von Ökomär
Es geht um Ausräumen unter Ökomär. Eine ist die der Vollwertkost und ihrer Verfechter, die glauben, dass eine vegetarische Ernährung die Lösung der Welternährungsfrage und Broternährung außerdem gesund wäre. Es wird außer Acht gelassen, dass es ausgerechnet der Ackerbau war, der die Menschheit in die Lage verbracht hat, in der sie sich jetzt befindet, und nicht der Fleischverzehr. Pflanzen, aus denen Brot und Vollwertkost gemacht wird, werden zu Unrecht zum Heiligtum erklärt. Es wäre also durchaus angebracht, wenn man endlich anfängt, neben dem Wort ‚Vermaisung’ der Landschaft zugleich auch von der ‚Verroggung’, einer ‚Verweizung’ oder auch der ‚Vergerstung’ der Landschaft zu sprechen und für die Erzeugung von Nahrungsmitteln ähnliche Ansprüche bezüglich der Umweltverträglichkeit zu erheben wie für die Energieproduktion. Fakt ist aber auch, dass der Mensch die Natur zu seinen Zwecken nutzt und sie dadurch verändert. Fakt ist auch, dass Fläche zur Verfügung steht. Und Fakt ist auch, dass die Menschen mit Nahrungsmitteln verschwenderisch umgehen. In den vergangenen Wochen wurde in den Medien verbreitet, dass bis zu 20 Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich in Deutschland in die Mülltonne geworfen werden. Laut Berichten ist das bis zu ein Drittel aller Lebensmittel.
Derweil bleibt ganz klar die Forderung, dass die Energiequelle Biogas effizienter genutzt werden muss. Denn wenn es bespielsweise kein Wärmekonzept gibt, dann macht sich, im Bilde gesprochen, die Hälfte der Energie aus einem Hektar ungenutzt vom Acker. Und das ist tatsächlich inakzeptabel. (Dittmar Koop)
Das Biogas-Papier des NABU Schleswig-Holstein: Link zum Papier
Die Stellungnahmen der Biogasverbände zum Thema Biogas-Papier des NABU Schleswig-Holstein:
Fachverband Biogas:
Offener Brief an Klaus Dürkop, Landesbeauftragter für Naturschutz in Schleswig-Holstein
Link zur NABU-Stellungnahme
Biogasrat: Link zur Stellungnahme
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