Keine Windräder am Bultensee, ist der Name einer Bewegung in Oyten bei Bremen. "Mag mir nicht vorstellen, wie die Vögel ins Windrad fliegen", lässt sich ein Anwohner des geplanten Projekts in der örtlichen "Kreiszeitung" zitieren. Er wittert Gefahr für die jährlichen Vogelzüge größerer Flugtiere wie Gänse oder Kraniche, die er über seinem Haus beobachtet. Damit hat er schon für Schlagzeilen in besagter Kreiszeitung gesorgt. In Deutschland sind zwar 61 Prozent der Bevölkerung für den Bau solcher Dreiflügler in ihrer Nachbarschaft. Trotzdem werden Bauvorhaben immer wieder durch Bürger vereitelt oder zumindest aufgeschoben.
Häufig wird argumentiert, Windräder hätten einen negativen Einfluss auf Flora und Fauna. Immer wieder geht es dabei um die Kollision von Vögeln mit Windturbinen. Der Naturschutzbund veröffentlichte dazu kürzlich eine Stellungnahme, welche besonders den Rotmilan und den Schwarzstorch betrachtet. Die Studie sagt aus, dass der Rotmilanbestand im Norden Deutschlands rückläufig und im Süden wachsend ist. Windkraftgegner sehen hier einen Zusammenhang mit der der stärkeren Verbreitung von Windkraftanlagen im Norden als im Süden. Allerdings sank die Zahl der Rotmilane bereits vor dem intensiven Windkraftausbau. So fiel zwischen 1992 und 1997 der Bestand in Brandenburg von ungefähr 150 auf 90. In der ganzen Zeit wurden lediglich 200 Windkraftanlagen aufgebaut. Während die Zahl der Windräder bis 2013 auf ungefähr 3.100 anstieg, sank der Bestand der Rotmilane im selben Zeitraum um 20. Der Rückgang der Greifvogelpopulation lässt sich also nicht zwangsläufig auf den Ausbau der Windanlagen zurückführen. Deutschlandweit ist der Bestand weitestgehend stabil. Dass immer wieder Raubvögel durch Kollisionen mit Windrädern sterben, steht außer Frage. Ob dies jedoch einen großen Einfluss auf das Vorkommen der Tiere hat, ist unklar. Weitere Untersuchung sind in jedem Fall nötig.
Infraschall, Imobilienpreise amp; Nocebo: Angst vor unbekannter Windkraft
Neben der Belastung für die Tiere führen Windkraftgegner oft die gesundheitliche Belastung der Anwohner an. Die Windkraftanlagen sollen demnach Infraschall-Wellen erzeugen, welche zu Unwohlsein, Kopfschmerzen, Bluthochdruck führen. Bewiesen ist das gleichwohl nicht. Den wissenschaftlichen Ursprung bezieht diese nicht belegten These bei Nina Pierpont Md. Phd. Sie hat 2009 den Aufsatz Wind Turbine Syndrome“ veröffentlicht. Dieser beschäftigt sich mit den Folgeschäden des Wohnens in der Nähe von Windkraftanlagen. Sie hat in dieser Studie zehn Familien aus der Nähe von Windkraftanlagen befragt und deren Symptome verglichen. Dieses Vorgehen genügt allerdings für eine seriöse wissenschaftliche Arbeit längst nicht. So wurde diese Krankheit weder diagnostisch anerkannt, noch wurde der Aufsatz in einem wissenschaftlichen Fachjournal veröffentlicht. Vier Jahre später hingegen veröffentlichten Wissenschaftler im Journal of Occupational and Environmental Medicine eine Studie über den Einfluss der Windturbinen auf die Gesundheit. Ihr Ergebnis lautet wie folgt: Es sind keine gesundheitlichen Schäden durch den direkten Einfluss von Windkrafträdern festzustellen. Man fände zwar höhere Stresswerte bei Anwohnern, diese seien jedoch eher auf den Charakter der jeweiligen Personen zurückzuführen. Die Wissenschaftler vermuten eher die Verantwortlichkeit für gesundheitliche Probleme im Nocebo-Effekt. Der Nocebo-Effekt ist das Gegenstück zum Placebo-Effekt und besagt, dass Symptome auch durch die reine Erwartung einer Krankheit ausgelöst werden können. Außerdem sind viele Alltagsgegenstände ebenfalls für Infraschall verantwortlich – was von Windkraftgegnern gern verschwiegen wird. Zu den Haupterzeugern gehören Automotoren, Kühlschränke und Waschmaschinen.
Windkraftgegner behaupten zudem, die Preise ihrer Immobilien würden sinken: Windräder würden die Landschaft verschandeln und somit die Preise der Häuser drücken. Hiermit befasste sich Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School im Immobilienbrief. Der Experte kommt zu dem Schluss, dass die Immobilien zwar kurzfristig an Wert einbüßen, jedoch mittel- und langfristig stabil sind. Immobilienpreise unterlägen größeren Einflüssen wie der Demographie oder den ökonomischen Gegebenheiten.
Woher kommen die Argumente?
Als weiteres Argument gegen die Windkraft wird der visuelle Eindruck oftmals genannt. Viele Menschen sind den Anblick nicht gewohnt und lehnen ihn deshalb ab. Sie stören sich an Veränderungen. Wenn jemand Windräder aus ästhetischer Sicht nicht schön findet, lässt sich daran nichts rütteln.
Also alles Schall und Rauch? Aber woher kommen die Argumente der Windkraftgegner ursächlich? Ein Großteil der Bürgerinitiativen sind Teile eines Dachverbandes. In Baden-Württemberg nennt sich dieser, „Landesverband BW Bürgerinitiativen gegen Windkraftanlagen in Natur-und Kulturlandschaften e. V“. Auf der Webseite des Dachverbandes finden sich stark populistische Artikel zu den unterschiedlichsten Themen. Die Titel lauten beispielsweise Infraschall: Eine Enteignung des (eigenen) Körpers! oder Die Energiewende ist wie ein Krebsgeschwür für die deutsche Volkswirtschaft. Und es gibt sogar Deutschland- und inzwischen Europa-weite Plattformen im Internet gegen Windkraft. Sie heißen Windwahn oder beispielsweise EPAW: European Platform Against Windfarms.
Kein Entkommen bei Gretchenfrage "Für oder gegen fossile Energien?"
Wenn sich Bürger über Argumente für und gegen Windkraftanlagen in ihrer Nähe informieren wollen, landen sie oftmals auf dieser oder ähnlichen Webseiten. Hier werden sie so stark durch reißerische Artikel und vermeintlich wissenschaftliche Aufsätze beeinflusst. Eine objektive Betrachtung der Fakten ist für sie kaum noch möglich. Bürger, die sich nur informieren wollten, werden auf diese Weise zu Gegnern der Windkraft. Die Windenergie als Ersatz für fossile Energien und damit als Element des Klimaschutzes wird dadurch geschwächt. Jedoch muss jedem klar sein: Die Energiewende ist nur mit der Windkraft zu schaffen. Im Zweifelsfall muss sich jeder überlegen, ob er lieber neben einem Atom- oder Kohlekraftwerk wohnen würde – oder auf Strom verzichten kann.
(Tim Alznauer)