Die Industrie arbeitet aktuell mit Hochdruck daran, den Rotorblattherstellungsprozess zu automatisieren. Das vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) koordinierte Forschungsprojekt Blademaker hat beispielsweise zum Ziel, die Produktionskosten durch Automatisierung um mehr als zehn Prozent zu reduzieren. Viele Produktionsschritte der Blattfertigung sind heute nur in Handarbeit möglich. Dies ist kosten- und zeitaufwändig und erhöht das Risiko von Fertigungsfehlern, welche später zu aufwändigen Reparaturmaßnahmen führen können. Bei dem gängigen Verfahren zur Rotorblattherstellung werden zunächst zwei Halbschalen aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) produziert. Dies erfolgt meist im Vakuum-Infusionsverfahren oder alternativ unter Verwendung vorimprägnierter Fasermatten, sogenannter Prepregs.
Die Halbschalen werden anschließend zusammengefügt und gemeinsam mit den im Blattinnern angeordneten Schubstegen verklebt. Die Sicherstellung einer gleichbleibend guten Klebeverbindung gilt als besondere Herausforderung des Verfahrens.
Recycling
Daher werden bereits einige Blattmodelle in integraler Bauweise gefertigt, wodurch die Verklebung zweier Halbschalen entfällt. Dieses Verfahren birgt jedoch andere Herstellungsschwierigkeiten. Eine weitere Problematik von GFK-Rotorblättern zeigt sich erst am Ende ihrer Betriebszeit: die Entsorgung. Einige der in Deutschland demontierten Windkraftanlagen werden ins Ausland exportiert und erleben dort eine weitere Nutzungsphase. Ein Großteil der ausgedienten Blätter wird jedoch zwischengelagert und wartet auf eine sinnvolle Verwertung oder findet eine Zweitverwendung als Füllstoff im Straßenbau. Ein echtes Recycling von GFK-Rotorblättern ist nicht möglich. Augenblicklich macht sich das Entsorgungsproblem noch nicht in vollem Ausmaß bemerkbar, da viele Anlagen das Ende ihrer Lebensdauer noch nicht erreicht haben.
Natürlicher Faserverbund
Neue Möglichkeiten bei der Herstellung und der Verwertung von Rotorblättern könnte ein altbekannter Werkstoff bieten: Holz. Holz dient verschiedenen Industrien schon seit Tausenden von Jahren als zuverlässiger Naturwerkstoff. Insbesondere der Bootsbau kann auf langjährige Erfahrung in der Verarbeitung von Holz zurückgreifen. Neben den vielfältigen Möglichkeiten zur Bearbeitung zeichnet sich Holz durch seine mechanischen Eigenschaften aus. Besonders die Dauerfestigkeit von Holz ist kaum zu schlagen. Des Weiteren besitzt Holz hervorragende Dämpfungseigenschaften. Es liegt nahe, die positiven Erfahrungen mit dem Werkstoff Holz für die Konstruktion von Rotorblättern für Windenergieanlagen zu nutzen.
Damit bei der GFK-Herstellung eine vollkommene Durchnässung der Glasfasern mit Harz gewährleistet ist, kommen aufwändige Vakuuminfusionsverfahren zum Einsatz. Bei der Nachbearbeitung, insbesondere beim Schleifen, entstehen Feinstäube und Späne mit glasigen Filamenten. Daher ist bei der Produktion von Rotorblättern besonders auf die Installation von effektiven Absaug- und Filteranlagen sowie auf das Tragen entsprechender Schutzkleidung zu achten. Holz ist für seine gute und einfache Verarbeitung bekannt. Durch die Verwendung von Holz statt GFK könnte das Gesundheitsrisiko bei der Fertigung verringert werden.
Zu den guten Materialeigenschaften von Holz kommt der offensichtliche Vorteil eines nachwachsenden Rohstoffs. Er lässt sich lokal produzieren und recyceln. Holz kommt selbst in vielen Rotorblättern aus GFK vor. Aufgrund seiner geringen Dichte bei gleichzeitiger Formstabilität wird Balsaholz als Kernmaterial von Sandwich-Strukturen eingesetzt und verhindert so das Ausbeulen und Einknicken der Rotorblattschale unter Druckbelastung. Zur Tragfähigkeit des Rotorblatts trägt das Balsaholz allerdings kaum bei. Aber auch die Idee, Holz als tragenden Werkstoff in der Rotorblattherstellung zu verwenden, ist nicht neu. In Vollkörperbauweise werden auch heute noch Propeller für Sportflugzeuge oder Rotoren für Kleinwindkraftanlagen aus Holz gefräst. Aufgrund der hohen Massen kommt diese Bauweise aber für große Rotorblätter nicht infrage.
Auch in klassischer Holzbauweise sind schon Rotorblätter durch Beplankung formgebender Rippengerüste gebaut worden. Deutlich erfolgreicher allerdings war die Holz-Epoxid-Bauweise, die an die Verfahren aus dem Bootsbau angelehnt ist. Die Kontur des Rotorblatts wurde hier durch das Verkleben von in Epoxid-Harz getränkten Holzfurnieren erzeugt. In dieser Bauart wurden einige Tausend Rotorblätter, zum Teil für Windenergieanlagen mit Rotordurchmessern von mehr als 60 Metern, hergestellt.
Noch längere Rotorblätter ließen sich durch die Kombination von Holz mit kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) konstruieren. Ähnlich zu heutigen Verfahren wurden Holzfurniere zusammen mit Streifen aus CFK in einer Negativschale in Form gebracht und über einen Vakuum-Infusionsprozess miteinander verbunden. Auch in diesem Verfahren wurden mehrere Tausend Rotorblätter produziert.
Holzrotorblätter zeichnen sich durch ihre guten Dämpfungseigenschaften sowie eine hohe Steifigkeit und Stabilität aus. Dennoch werden heute keine Rotorblätter mehr aus Holz gebaut. Aufgrund der Inhomogenität des Baustoffs Holz musste man bislang bei der Auswahl des Holzes sehr stark selektieren, um durchgehend gleiche Materialeigenschaften zu garantieren. Dies schränkte die Verfügbarkeit der Holzerzeugnisse ein. Das Wind Energy Technology Institute (WETI) der Fachhochschule Flensburg forscht in Zusammenarbeit mit PHI Blades an einem Rotorblatt, das weitestgehend aus Furnierschichtholz (FSH) bestehen soll. Furnierschichtholz besteht aus mehreren Lagen Schälfurnier, welches faserparallel verklebt wird. Furnierschichtholz erreicht durch seine ausgleichende Wirkung auf Fehlstellen im Holz eine höhere Festigkeit als andere Holzerzeugnisse. Es gibt mehrere europäische Hersteller, die diesen Prozess komplett industrialisiert haben. Holz ist zu einem modernen Industriewerkstoff geworden.
Materialien und Auslegung
Das Design eines Rotorblatts ist immer durch einen Kompromiss aus aerodynamischer und struktureller Effizienz gekennzeichnet. Neben den aerodynamischen und strukturellen Anforderungen müssen zudem mögliche Einschränkungen durch den Herstellungsprozess beachtet werden. Dieser Kompromiss ist von den verwendeten Materialien und Fertigungsverfahren abhängig und kann für ein Holzrotorblatt anders ausfallen als bei herkömmlichen Rotorblättern.
Im Hinblick auf die Rotorblattstruktur gibt es drei wesentliche Bemessungskriterien: Extremlastfestigkeit, Steifigkeit und Betriebsfestigkeit. Extremwertfestigkeit bedeutet, dass das Rotorblatt kurzzeitig auftretenden Maximalbelastungen – beispielsweise verursacht durch Extremwindereignisse – unbeschadet standhält. Die Forderung nach ausreichender Biegesteifigkeit des Rotorblatts ergibt sich aus dem sogenannten Turmfreigang. Es muss in jedem Betriebszustand gewährleistet werden, dass das durchgebogene Rotorblatt den erforderlichen Sicherheitsabstand zum Turm einhält. Auch nach einer Betriebszeit von 20 Jahren muss das Rotorblatt den auftretenden Belastungen standhalten. Diese Eigenschaft wird als Betriebsfestigkeit bezeichnet. Aktuelle Rotorblätter aus GFK werden meist durch die erforderliche Biegesteifigkeit und die Betriebsfestigkeit der Laminate dimensioniert. Anders verhält sich die Blattauslegung für Holzrotorblätter. Hier ist der dimensionierende Faktor in der Regel die Extremwertfestigkeit des Holzes.
Erste Ergebnisse
Die erste kritische Belastung großer Rotorblätter ist das Biegemoment in Schlagrichtung. Dieses ergibt sich aus den aerodynamischen Kräften, die auf das Rotorblatt wirken, und kann schon am Beginn des Auslegungsprozesses aus der Blattgeometrie und der Anlagenkonfiguration abgeleitet werden. Auf der Basis dieser Belastung sind am Institut für Windenergietechnik der Fachhochschule Flensburg mögliche Holzbauweisen für das Rotorblatt der NREL-Referenzanlage untersucht worden. Die theoretische Windenergieanlage wurde 2009 vom amerikanischen National Renewable Energy Laboratory (NREL) entworfen, um Forschungsprojekten einheitliche Anlagenparameter zur Verfügung zu stellen. Mit einem Rotordurchmesser von 126 Metern entspricht die Fünf-Megawatt-Referenzanlage den größten serienmäßig produzierten Windenergieanlagen.
Die Untersuchungen zeigen, dass die Auslegung des Rotorblatts der NREL-Referenzturbine für die aerodynamische Belastung auch in reiner Holzbauweise möglich ist. Als Materialparameter werden die mechanischen Eigenschaften von Furnierschichtholz angesetzt. Während die Ausführung des Rotorblatts in Vollkörperbauweise noch etwa 140 Tonnen wiegen würde, lässt sich das Blattgewicht durch einen einfachen Hohlkörper bereits auf 36 Tonnen reduzieren. Das ist zwar noch etwa das Doppelte eines Rotorblatts aus GFK, bietet aber Potenzial zur weiteren Gewichtssenkung, beispielsweise durch einen optimierten Materialeinsatz. Die Entwicklung eines solchen Rotorblatts aus FSH ist das Ziel eines Forschungsprojekts, das seit April 2014 am WETI durchgeführt wird.
Forschungsförderung
Das Forschungsprojekt wird durch das Förderprogramm HWT Energie und Klimaschutz der Gesellschaft für Energie und Klimaschutz Schleswig-Holstein (EKSH) finanziert. Das Start-up-Unternehmen PHI Blades begleitet die Fragestellungen als Kooperationspartner inhaltlich und finanziell. PHI Blades will sich in den kommenden Jahren als Anbieter innovativer Holzrotorblätter für Windenergieanlagen positionieren.
Dieser Fachartikel von Prof. Dr. Torsten Faber und Rasmus Borrmann vom Institut für Windenergietechnik, Fachhochschule Flensburg, und von Nicolas Hoyer,
PHI blades, ist in ERNEUERBARE ENERGIEN von März 2015 erschienen. Gefällt er Ihnen? Holen Sie sich jetzt ein kostenloses Probeabo.