Sie sagten immer, gute, verlässliche Windturbinen insbesondere für Offshore-Windparks sollten robust und technologisch simpel sein. Sind Sie inzwischen überrascht davon, wie elektronisch, intelligent und wie neuartig oft die Antriebskonzepte moderner Windturbinen geworden sind? In überraschend ausgefeilter Leichtbauweise außerdem ….
Andrew Garrad: Ich muss Sie hier ein wenig korrigieren: Ich sagte immer, dass wir einen Übergang von einer simplen und verlässlichen Technologie zu einer anspruchsvolleren, ausgeklügelteren Technologie vornehmen. Ich nutzte dafür zuletzt gerne die Analogie, die Windkraft vollziehe hier eine Entwicklung “vom Traktor zum Helikopter”. Ich trat in diesem Zusammenhang dafür ein, dass wir sehr sorgfältig prüfen sollten, welche Art von Windturbine wir in welchem Stadium der Entwicklung der Branche jeweils bevorzugen sollten. Jetzt sind wir aber in einer Situation angekommen, da der Helikoptertyp der Windturbinen und speziell dessen dynamische Eigenschaften ausreichend verstanden werden. Wir sind in einer Situation, in der die Wichtigkeit der Steuerungssysteme als Nervenzentren dieser Maschinen anerkannt, wertgeschätzt werden. Und die Auswirkungen dieser Anlagentechnologie auf Betrieb und Wartung sind akzeptiert worden. Ich bin auch nicht überrascht vom Resultat der Entwicklung – ich bin im Gegenteil erleichtert. An Land ist das Design der Anlagen auf langsam drehende, ausgreifend dreiblättrige Rotoren begrenzt, um gute Nachbarn (zu menschlichen Siedlungen, , Tilman Weber) zu sein. Auf See gibt es für die Windkraft keine Nachbarn und leichte, schlanke, schnelldrehende Rotorblätter und sogar Zweiblattrotoren sind hier zulässig – wenn sie günstiger und verlässlicher sind.
Sie wollen sich nicht komplett zur Ruhe setzen und ihren ehemaligen Kollegen beim DNV GL beratend zur Seite stehen. So weit, so normal für Branchengrößen wie Sie. Aber in einem tieferen Sinne: Wollen Sie weiterhin beratend eingreifen, weil Sie die Branche vor dem Abheben von bodenständiger Entwicklung bewahren möchten?
Sie haben Recht – ich will die Schuhe noch nicht an den Nagel hängen. Ich war 37 Jahre im Windenergiegeschäft und trieb Projekte auf der ganzen Welt voran – manche davon hatten den Charakter von technologischen Marksteinen. Es gibt nun wieder neue Firmen, die in die Windkraftindustrie eintreten wollen; es gibt neue Länder, die bisher ihre erneuerbaren Energieressourcen nicht anzapfen; es gibt viele Regierungen und Politiker, die einen Anstoß benötigen um zu starten oder – schlechter – wieder neu anzufangen. Daher denke ich, wird es für mich viel zu tun geben. Ich bin erpicht darauf, junge Ingenieure auf der ganzen Welt zu ermutigen, in diese wunderbare Industrie zu gehen!
Wie wird die Windenergie in fünf Jahren aussehen?
Andrew Garrad: In den Industrienationen des Westens befinden wir uns in einer kritischen Phase der Energiewirtschaft. Und wir sind Zeugen einer Revolution. Historisch betrachtet war sie (die Energiewirtschaft, Tilman Weber) von einer kleinen Zahl sehr großer und mächtiger Firmen in Gestalt von Energiekonzernen dominiert, die Elektrizität zentral in großen Kraftwerken aus fossilen Kraftstoffen sowie nuklear erzeugten. Und niemand kannte sie oder kümmerte sich um sie. Heute kennen die Menschen sie und kümmern sich gleichermaßen. Energie und Umwelt sind normale Diskussionsthemen. Neue Unternehmen einer kleineren, lokalen Größenordnung sind in den Markt eingetreten und verkaufen Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Auch die klassischen Energieversorger verändern ihre Wege. Die Kosten der Windstromerzeugung sind vergleichbar mit denen der Erzeugung aus fossilen Quellen – und es wird noch billiger. Die Dinge verändern sich technisch, politisch, sozial und wirtschaftlich – und zwar schnell. Für die Windkraft an Land werden die Turbinen billiger und billiger werden und immer verlässlicher. Auf See wird es dramatische technologische Veränderungen geben. Die Integration der Windkraft (in ein ganzes Stromversorgungsystem, Tilman Weber) wird die Haupt-Herausforderung sein.
Das Interview führte Tilman Weber - schriftlich, Andrew Garrad antwortete per Mail aus Australien.