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Flächen doppelt nutzen

Sven Ullrich

Die Idee, landwirtschaftliche Fläche gleichzeitig für die Sonnenstromprduktion zu nutzen, kommt bei immer mehr Landwirten gut an. Dabei ist die Agriphotovoltaik (Agri-PV) keine neue Idee. Adolf Götzberger hatte sie schon, als er das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme 1981 aus der Taufe hob. Die rasante Kostensenkung der Photovoltaik und die Fest­legung von Standards und Definitionen sowie eine spezielle Unterstützung macht die Umsetzung von Agri-PV-Projekten möglich.

Derzeit entstehen immer mehr Anlagen verschiedenster Art auf Landwirtschaftsflächen. Die Bandbreite ist groß und orientiert sich an den Voraussetzungen, die die jeweilige Bearbeitung des Landes erfordert. Inzwischen ist die Technologie marktreif und immer mehr Hersteller von Montagesystemen haben entsprechende Angebote im Portfolio – je nach der Art der landwirtschaftlichen Nutzung.

1,2 Cent pro Kilowattstunde bekommen Agri-PV-Anlagen als Bonus, um höhere Kosten abzudecken. In Zukunft sollen sie aber nicht mehr mit normalen Solarparks konkurrieren müssen.

Doch noch tut sich der Markt schwer, vor allem in Deutschland. Während in Frankreich solche innovative Technologien kräftig unterstützt werden, honoriert Deutschland die Projekte nur mit einem mageren Bonus. Sie müssen mit normalen Frei­flächenanlagen in den Ausschreibungen des ersten Segments konkurrieren. Zum Angebotspreis bekommen sie 1,2 Cent pro Kilowattstunde des erzeugten Stroms zusätzlich.

Das ist zu wenig. „Hoch aufgeständerte Projekte im Beerenanbau bräuchten mindestens drei Cent pro Kilowattstunde zusätzlich. Bei der solaren Überdachung von Kernobst muss man noch höher gehen“, erklärt Stephan Schindele.

Lernkurve anstoßen

Er leitet das Produktmanagement Agri-PV bei Baywa RE. „Insgesamt müssten wir für den erzeugten Strom aus den Agri-PV-Anlagen neun bis zehn Cent pro Kilowattstunde einspielen, damit sich der zusätzliche Aufwand der hohen Aufständerung rechnet“, sagt er. „Da sind wir im Bereich der Vergütung von kleineren Dachanlagen. Dahingehende Diskussionen auf politischer Ebene gehen in die richtige Richtung, was wir begrüßen.“

Bei höheren Einnahmen für die Stromerzeugung aus solchen speziell hoch aufgeständerten Anlagen könnten die Projektierer auch die Nachfrage bedienen. Denn immer mehr Landwirte beschäftigen sich eingehend mit der Doppelnutzung ihrer Flächen. Neben finanzieller Förderung wird derzeit auch die sogenannte Privilegierung im Außenbereich von Agri-PV-Anlagen diskutiert.

Strom vor Ort verbrauchen

Für Projekte mit einer Fläche von bis zu 2,5 Hektar wurde jüngst das Baugenehmigungsverfahren beschleunigt. „Das ist ein wesentlicher Schritt. Um noch mehr Landwirten die Chance für diese Doppelnutzung zu geben, wäre eine maximale Fläche von zehn Hektar zu empfehlen“, sagt Schindele.

Dass die Nachfrage da ist, bestätigt auch Erich Merkle. Er ist Geschäftsführer von Gridparity. Das Unternehmen ist ein Pionier in Sachen Agriphotovoltaik und schon seit zehn Jahren in diesem Segment unterwegs.

Jetzt hat Gridparity eine zusätz­liche Tochterfirma namens AgriPV gegründet, die sich ausschließlich mit der Doppelnutzung von Flächen beschäftigt. „Wir bieten beides an: Wir schützen die landwirtschaftliche Produktion fast ohne diese zu beeinträchtigen und wir liefern genügend Strom, der direkt vor Ort verbraucht werden kann“, beschreibt Erich Merkle einen Hebel, um die Anlagen schneller in die Wirtschaftlichkeit zu bringen.

Wir bieten beides an: Wir schützen die landwirtschaftliche Produktion, fast ohne diese zu beeinträchtigen, und wir liefern genügend Strom, der direkt vor Ort verbraucht werden kann.

Erich Merkle, Geschäftsführer von AgriPV und Gridparity

Fünf bis acht Jahre Rückzahlzeit

Denn während beispielsweise bei der Vermarktung des Stroms über Stromlieferverträge (Power Purchase Agreements – PPA) die Kosten für die Netzdurchleitung inklusive aller Abgaben mit berücksichtigt werden müssen, fällt das beim Verbrauch vor Ort – etwa für die Kühlung von Räumen, in denen die Ernte lagert – nicht an. „So erreichen wir Paybackzeiten von fünf bis acht Jahren mit unseren Anlagen und selbst wenn die Zinsen steigen, liegen wir im interessanten Bereich“, erklärt Merkle. Schließlich ist dann der aufwändige Bau von Transformatoren überflüssig, über die der Strom ins Mittelspannungsnetz gelangt. „Wir können auch viel Geld sparen, das normalerweise für das Verlegen der Leitungen notwendig ist, wenn der Strom in der landwirtschaftlichen Produktion genutzt werden kann“, betont Erich Merkle. „Dazu kommt noch, dass das Land weiterhin in der landwirtschaftlichen Produktion bleibt. Es wird keine Gewerbefläche. Dadurch haben die Landwirte weiterhin alle damit verbundenen Vorteile etwa bezüglich des Erbrechts oder der Grundsteuer. Sie bekommen dann für das Land auch weiterhin Zuschüsse von der EU“, weiß Erich Merkle.

Wasserhaushalt verbessern

AgriPV hat die ganze Bandbreite an möglichen Montagesystemen für Landwirte im Portfolio. Der Solarzaun ist ähnlich wie bei den anderen Anbietern aufgebaut. Das Unternehmen hat ein Lösung ent­wickelt, Module entweder in ein oder in zwei Reihen vertikal übereinander zu installieren. Kalkuliert wird mit Reihenabständen von sieben bis zwölf Meter – je nach Nutzung der Fläche. Für den Ackerbau sind größere Abstände notwendig, die Weidewirtschaft kommt auch mit geringeren Zwischenräumen aus.

Das Unternehmen hat aber auch verschiedene Lösungen für die Überdachung von Flächen mit Solarmodulen im Portfolio. Hier geht es darum, nicht nur Solarstrom zu produzieren, sondern die Pflanzen gleichzeitig zu schützen und den Wasserhaushalt zu verbessern. Das Grundprinzip des System ist ein Modulfeld, das mittels langer senkrechter Pfosten sehr hoch aufgeständert wird. Je nach Anforderungen an die landwirtschaftliche Nutzung stehen die Pfosten ­zwischen sieben und zwölf Meter auseinander.

Für die Anlagen nutzt AgriPV immer semitransparente Module, die eine Teil des auftreffenden Sonnenlichts zu den Pflanzen durchlassen. Außerdem stoßen die Module am First nicht zusammen. Durch einen breiten Spalt gelangt zusätzliches Licht zu den Pflanzen. Durch weiteren Lichteinfall an den Seiten der Anlage steigt der gesamte Lichteintrag auf 75 bis 85 Prozent dessen, was ohne Solaranlage auf die Pflanzen fällt.

Hoch aufgeständerte Module

Zusätzlich dazu hat AgriPV noch ein hoch aufgeständertes Trackersystem für die Landwirtschaft im Portfolio. Ähnlich wie beim Solarzaun werden auch die Trackerreihen weit auseinandergestellt, um Verschattungen zu vermeiden. Dadurch können die Landwirte weiterhin die Fläche zwischen den Reihen fast ungehindert nutzen. Wenn sie die Fläche bearbeiten wollen, drehen sie die Trackerreihen einfach so, dass sie die den Boden optimal erreichen.

Tracker in Erntestellung

Eine solche Trackeranlage – speziell entwickelt für die Landwirtschaft – hat Zimmermann PV-Stahlbau ebenfalls mit auf die Intersolar gebracht. Der ZIM Agri Tracker kann in Höhe und Reihenabstand an die Anforderungen der einzelnen Pflanzenkulturen angepasst werden.

Er hat den Vorteil, dass es eine Ernteposition gibt. Will der Landwirt mit seinen Maschinen zwischen den Modulreihen arbeiten, kann der den Tracker so drehen, dass die Module komplett vertikal ausgerichtet sind. Diese Drehung in die 90-Grad-Stellung ermöglicht es ihm, die ­Fläche ähnlich wie beim Solarzaun zu nutzen.

Durch die Möglichkeit, den Tracker in die 90-Grad-Stellung zu fahren, haben wir nur geringe ­Flächenverluste, da der Grünstreifen unter den Modulen schmal bleiben kann

Stephan Schindele, Leiter Produktmanagement Agri-PV, Baywa RE

Keine Steinschlaggefahr mehr

Der Tracker liefert aber aufgrund der Nachführung ja nach Sonnenstand einen viel höheren Solarertrag. Diesen Tracker nutzt beispielsweise auch Baywa RE für seine Projekte. „Durch die Möglichkeit den ­Tracker in die 90-Grad-Stellung zu fahren, haben wir nur geringe Flächenverluste, da der Grünstreifen unter den Modulen schmal bleiben kann“, beschreibt Stephan Schindele einen zusätzlichen Vorteil der Lösung von Zimmermann.

Ein weiterer Vorteil gegenüber dem fest stehenden Solarzaun ist, dass der Landwirt flexibel bleibt, was die Agrarnutzung der Fläche betrifft. „Denn wenn der Landwirt die Fläche zur Produktion von Heu nutzt, kann es zum Steinschlag kommen, wenn er mit dem Mähwerk oder dem Heuwender durchfährt“, weiß Schindele. Die Steine können bis zu einem Meter hoch fliegen.

„Trifft der Stein direkt auf die mit einem Winkel von 90 Grad angestellten Module, können diese beschädigt werden. Werden die Module schräger angestellt ist der Einfallswinkel ein anderer und das nicht mehr so schlimm. Wenn der Tracker in die Horizontale fährt, ist der Steinschlag ausgeschlossen. Denn der Tracker hat eine lichte Höhe von 2,30 Meter. Da kommt kein Stein mehr hin. Zudem kann der Tracker vom Landwirt so ausgerichtet werden, dass bei viel Licht- und Wärmebedarf nicht die Stromerträge im Vordergrund stehen, sondern mehr das schnelle Trocknen des Heuschnitts.“

Der Landwirt kann die Fläche dennoch weiterhin fast vollständig nutzen. Denn zwischen den horizontal angestellten Modulreihen passt er mit seinem Traktor durch. Den Heuwender zieht er unter den Modulen hinter sich her. Baut er hingegen beispielsweise Kartoffeln an, muss der die Module vertikal anstellen, da der Kartoffelernter höher ist als der Heuwender und größer als der Traktor. Dann würde er zwischen den horizontalen Modulreihen nicht mehr durchpassen.

Den Tracker nutzt auch Schletter für seine Agri-PV-Projekte. Das Unternehmen hat auf der diesjährigen Intersolar aber auch noch eine vertikale Aufständerung der Module vorgestellt. Diese besteht aus massiven Pfosten, die im Boden verankert werden. Zwischen diesen Pfosten werden mitten quer verlegten Montageprofilen bifaziale Module senkrecht installiert.

Da die Anlagen in Nord-Süd-Richtung aufgebaut werden, sind die bifazialen Module nach Osten und Westen ausgerichtet. Das hat den Vorteil, dass der Strom über den Tag hinweg gleichmäßiger produziert wird – ohne die übliche Mittagsspitze wie sie bei normalen Freilandanlagen üblich ist.

90–95 Prozent der Fläche bleibt für die landwirtschaftliche Nutzung erhalten – je nach eingesetzem Agri-PV-System.

Platz zwischen den Modulreihen

Da die einzelnen Modulreihen ohnehin sehr weit auseinandergestellt werden müssen, damit sie sich nicht gegenseitig verschatten, können die Landwirten zwischen ihnen selbst mit großen Maschinen fast ungehindert arbeiten. „Der Landwirt hat mit dieser Lösung immer noch 90 bis 95 Prozent der Fläche für die Landwirtschaft zur Verfügung“, betont Christian Salzeder, als Produktmanager und Vertriebsleiter bei der Schletter Group für das Segment der Freilandsysteme verantwortlich ist. Ihm gehen nur geringe Streifen verloren, auf denen die Modulreihen stehen. Das hat aber den Vorteil, dass Areale entstehen, auf denen sich Biodiversität entwickeln kann.

Zimmermann PV-Stahlbau hat für die Agri-PV eigens einen Tracker entwickelt. Der Vorteil: die Module lassen sich in die vertikale Position drehen. Dadurch bleibt viel Platz auf dem Feld für die Landwirtschaft.

Foto: Velka Botička

Zimmermann PV-Stahlbau hat für die Agri-PV eigens einen Tracker entwickelt. Der Vorteil: die Module lassen sich in die vertikale Position drehen. Dadurch bleibt viel Platz auf dem Feld für die Landwirtschaft.