Vor inzwischen 15 Jahren habe er zum ersten Mal Windkraftanlagen zurückgebaut, erinnert sich Eduard Reisch, Geschäftsführer der Reisch Sprengtechnik GmbH aus dem oberbayerischen Peißenberg. „Die Anlagen waren ganz klein. Das war ein klassisches Repowering-Projekt“, so Reisch. Sein Unternehmen ist seit 1985 weltweit in der Spreng-, Abbruch- und Pyrotechnik tätig. Darunter so aufsehenerregende Aktionen wie die größte Gebäude-sprengung Europas – der 116 Meter hohe sogenannte AfE-Turm in Frankfurt am Main.
Das Unternehmen hat sich auf die Planung und Durchführung kontrollierter und sicherer Sprengungen spezialisiert. Das heißt, Reisch und sein Team sind in der Lage, das Ergebnis ihrer Sprengungen zuverlässig zu prognostizieren. Schwierige Bedingungen – wie etwa bei der AfE-Turm-Sprengung zwischen Bürogebäuden auf einem Campus – gehören zur Arbeit dazu. Die Sprengungen erfolgen gleichwohl unter den Gesichtspunkten der Sicherheit, des Umweltschutzes und der Wirtschaftlichkeit.
116 Meter maß der AfE-Turm in Frankfurt, bevor Reisch an ihm die größte Gebäudesprengung Europas vornahm.
100 Meter hohe Türme
In der Windkraft haben die Türme inzwischen längst 100 Meter und mehr erreicht. Aber wenigstens liegen sie meist nicht in unmittelbarer Nähe zu anderen Bauwerken, die durch den Rückbau beschädigt werden könnten. Gleichwohl kann man auch hier jede Menge falsch machen.
Welche Verfahren gibt es überhaupt beim Rückbau von Betontürmen in der Windkraft? „Man kann zum Beispiel den Turm schneiden und in Ringen nacheinander abheben. Das Verfahren ist schonend, aber auch sehr teuer und wird eigentlich nur eingesetzt, wenn man in unmittelbarer Umgebung zum Beispiel einen Solarpark hat, der nicht beschädigt werden soll“, erklärt Reisch. Bei einem anderen Verfahren wird der Turm von innen auseinandergepresst. „Da gibt es allerdings unzählige kleine Abplatzungen, die sich in der weiteren Umgebung verteilen“, so Reisch. Man müsse also ein Vlies auslegen. Und da man einen großen Kran braucht, ist auch diese Vorgehensweise teuer.
Modell Abrissbirne
Dann gibt es noch das Modell Abrissbirne, bei dem der Turm mit einer von einem Seilbagger geschwungenen Kugel eingeschlagen wird. Dafür müsse aber der Bagger eine Entfernung von der halben Turmhöhe zum Turm einhalten. „Bei Turmhöhen von 90 m muss man also 45 Meter entfernt sein. Das ist schon schwierig“, so Reisch. „Dafür muss der Bagger einen sehr langen Arm haben.“ Und auch hier müsse man mit 40.000 bis 50.000 Euro an Kosten rechnen, vor allem für den Transport des Seilbaggers. Acht Tieflader seien dafür wohl nötig.
Die sogenannte Fallrichtungssprengung hat sich mittlerweile als günstiges Verfahren am Markt für den Rückbau von Betontürmen etabliert. Nachteile sind jedoch der große Flächenverbrauch und die Flächenpressung sowie die zeit- und kostenintensive Erstellung und der Rückbau von Fallbetten und Fremdmaterial in den Böden. „Früher hat man da gar nicht drüber nachgedacht“, lacht Reisch. „Aber wenn so ein 110 Meter hoher Turm ungebremst umfällt, versinkt der durch die Wucht richtig tief im Erdreich.“ Teilweise habe er es erlebt, dass Turmteile drei Meter tief im Boden verschwunden seien. Die entsprechende Bodenverdichtung könne man sich ja vorstellen. „Das wollen die Landwirte heute nicht mehr.“
Durch die Anordnung der gegenläufigen Sprengebenen ergibt sich ein systematisches Einknicken und Verschieben der Betonturmsegmente.
Systematische Sprengfaltung
Reisch derweil hat die Methode der Sprengfaltung, die auch für Fabrikschlote eingesetzt wird, auf die Windkraft übertragen und für seine Firma patentieren lassen. Im Unterschied zum Schornstein sind allerdings Windturbinen mit Stahlseilen im Inneren der Turmwände verspannt. Man muss daher die richtigen Spannglieder kappen. Für die Sprengfaltung wird dann eine Sprengung am Fundament vorgenommen und gleichzeitig auf der gegenüberliegenden Seite auf rund 25 Meter Höhe am Turm. „Das haben wir jetzt zweimal gemacht. Und die Türme sind jeweils wie ein Parallelogramm zusammengestürzt“, sagt Reisch begeistert. Durch die Anordnung der gegenläufigen Sprengebenen ergibt sich ein systematisches Einknicken und Verschieben der Betonturmsegmente. Ein Betonturm mit einer Höhe von 100 Meter verkürzt sich hierzu in der Falllänge um 50 Prozent. Das heißt, der Platzbedarf beträgt hier gerade einmal 50 Meter Länge und 20 Meter Breite. Das entspricht etwa den bereits vorhandenen und verdichteten Kranstellflächen. Es müssen keine weiteren Flächen für die Sprengfaltung der Betontürme geschaffen werden und es kann eine witterungsunabhängige Nachzerkleinerung und ein Recycling des Betonmastes erfolgen. „Und es kann gut sein, dass wir demnächst eine dritte Sprengung ergänzen“, so Reisch.
Was den Rückbau des Fundamentes anbelangt, so habe sich eine nachfolgende Lockerungssprengung als naturschutzrechtlich und wirtschaftlich günstig erwiesen, so der Sprengexperte. Der Zeit- und Kostenvorteil beträgt laut Reisch mindestens 35 Prozent im Vergleich zum Rückbau mit dem Meißelbagger. Der Beton vom Turm werde mit einer Zange vor Ort zerkleinert und zusammen mit dem Fundamentbeton aus dem Baustellenbereich „herausgelöffelt“. Das Material kann dann recycelt und im nächsten Projekt wieder eingesetzt werden. Im Zuge des zu erwartenden verstärkten Repowerings birgt ein Rückbau vor dem Aufbau künftiger Anlagen auch den Vorteil, dass der Beton von Turm und Fundament für Kranstellfläche und Wegebau der neuen Anlagen genutzt werden kann.