Im Vorfeld stand für die Vertreter der Regenerativbranche fest: „Beschleunigung“ ist das entscheidende Schlagwort der Zeit. Das hatte eine Umfrage des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) ergeben, der zum Energiedialog 2023 neben anderen Gästen auch den Bundeswirtschaftsminister begrüßen konnte. Und der wurde denn auch daran erinnert, was er zu Anfang seiner Amtszeit erklärt hat: Man starte nicht auf der Ziellinie. „Wir müssen schneller und besser werden.“ Eine Umfrage unter den Online-Teilnehmern der mit 6.000 Menschen üppig besuchten BEE-Veranstaltung ergab nun, dass dieses Ziel noch nicht erreicht zu sein scheint. 45 Prozent sagten, die Energiewende sei noch nicht auf einem guten Weg. Und 46 Prozent bezeichneten die Situation für Unternehmen aus der Branche lediglich als „befriedigend“. Immerhin gehen 47 Prozent davon aus, dass 2023 sich „günstiger“ entwickeln wird.
Allerdings räumten Branchenvertreter auch ein, dass der Bund nicht alles in die Hand nehmen kann. Die Länder müssen neue Gesetze und Regelungen mit Leben füllen. Was die Wärmewende anbelangt, so habe erst der Ukrainekrieg dazu geführt, dass Menschen ihre alten Heizungen nicht durch neue Gasheizungen, sondern vor allem durch Wärmepumpen ersetzen. Wasserstoff sei derweil keine Technologie für Privathaushalte, das habe eine Studie des Fraunhofer ISI noch einmal festgestellt.
Vier bis fünf Windturbinen pro Tag
BEE-Präsidentin Simone Peter erinnerte daran, dass Kanzler Olaf Scholz vier bis fünf neue Windturbinen pro Tag als Zielvorgabe nannte. Sie fügte an: „Das hatten wir schonmal 2017.“ Derzeit ist man davon weit entfernt. Für Wind an Land forderte Peter kürzere Genehmigungen und mehr Flächen. Auch die Solarbranche wartet auf Beschleunigung, etwa auf das Solarbeschleunigungsgesetz, das vor einem Jahr angekündigt wurde und für das der Branchenverband BSW damals schon Vorschläge unterbreitet hatte. BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig habe darauf verwiese, dass auch seine Branche mehr Flächen bräuchte, aber auch mehr Netze.
Habeck nannte dann die Umgestaltung der deutschen Energieversorgung das „vielleicht kühnste Projekt seit dem zweiten Weltkrieg.“ Die Industrie in Deutschland müsse in voller Fahrt dekarbonisiert werden. „Ich hoffe, Deutschland hat Lust, kühne Taten zu vollbringen.“ Die Situation sei ernst, die globale Erderwärmung führe zu Flucht und Verlust von Heimat. Den Prozess zu stoppen sein nicht möglich, aber man müsse ihn verlangsamen, damit die Gesellschaft sich darauf einstellen könne. „Wenn Deutschland seine Klimaziele nicht schafft, werden wir nicht von anderen verlangen können, dass sie ihre Ziele schaffen.“ Zudem seien die Erneuerbaren auch die Antwort auf die Sicherheitsfrage, die sich seit dem Ukrainekrieg stellt. „Die Energiewende ist auch eine Wende zu einer erhöhten Sicherheitspolitik.“
Beschleunigung und Notfallverordnung
Zum Thema Beschleunigung sagte Habeck sehr schön, „die Dauer von Genehmigungsverfahren birgt nicht für die Qualität von Genehmigungsverfahren.“ Und ebenfalls schlau, Politiker sollten nicht dafür wiedergewählt werden, weil sie nichts riskiert haben. Mit anderen Wort: Traut euch, auch mal etwas anzupacken, das nicht alle toll finden, das aber wichtig für unser aller Zukunft ist. Habeck sagte, er sei der Überzeugung, die Notfallverordnung sei eine Abschwächung der Verfahrensdauer bei Konflikten zwischen Naturschutz und Windkraft, nicht aber eine Abschwächung der Qualität. Artenschützer müssten Interesse an Klimaschutz haben, so der Wirtschaftsminister.
Schließlich verwies er noch darauf, dass die Große Koalition für die Klimaneutralität 2045 gestimmt habe: „Wenn wir diese Pläne in Frage stellen, wer soll dann investieren?“ Mit Blick auf die Union als jetzt Oppositionspartei betonte er: „Politische Disziplin ist das, was wir jetzt brauchen.“ Tatsächlich hilft eine neuerliche Diskussion über eine Rückkehr zur Atomkraft, wie die Union sie angezettelt hat, kaum weiter. Es ist nicht mehr als ein Versuch, das Gesicht zu wahren, nachdem man 16 Jahre lang versäumt hat, die Energiewirtschaft Schritt für Schritt umzustellen.