Der Ökostromversorger Greenpeace Energy fordert von der Bundesregierung, auf die Ausschreibung von Photovoltaikfreiflächenanlagen zu verzichten. Das Unternehmen nimmt den aktuell bekannt gewordenen neuen Verordnungsentwurf für die Ausschreibungen zum Anlass, noch einmal darauf hinzuweisen, dass dadurch die Akteure der Bürgerenergie benachteiligt und aus dem Ausbau der erneuerbaren Energien gedrängt werden. „Wir lehnen Ausschreibungen ab, denn sie eignen sich grundsätzlich nicht, um die erneuerbaren Energien kostengünstig und mit breiter Beteiligung ausbauen“, erklärt Marcel Keiffenheim, Leiter Politik bei Greenpeace Energy. „Das zeigen Erfahrungen in Frankreich oder den Niederlanden, wo die Kosten anders als erhofft nicht sanken und Ausbauziele am Ende nicht erreicht wurden.“
Schlag gegen kleine Anlagenbetreiber
Keiffenheim hat sich intensiv mit dem Thema Ausschreibungen auseinandergesetzt und ist jetzt der Experte für diese Thematik im Bündnis Bürgerenergie (BBEn). Dieses setzt sich für eine möglichst breite Beteiligung der Bevölkerung an der Energiewende ein. Greenpeace Energy bewertet das jetzt bekannt gewordene Ausschreibungsdesign für Photovoltaikfreiflächenanlagen als Schlag gegen kleine Anlagenbetreiber und Energieanbieter. So will die Bundesregierung in diesem Jahr nur 500 statt wie bisher geplant 600 Megawatt Solarstromleistung ausschreiben. In den Jahren 2016 und 2017 wird dieser Wert mit 300 Megawatt in drei Ausschreibungsrunden nochmals gekürzt. Gibt es in einer Ausschreibungsrunde nicht genügend Bieter für die ausgeschriebene Leistung, wird der Rest in die nächste Ausschreibungsrunde übertragen. Die Bundesregierung will so einen durchschnittlichen Zubau von 400 Megawatt an Freiflächensolaranlagen pro Jahr erreichen.
Bürger müssen gegen Konzerne konkurrieren
Für das BBEn und Greenpeace Energy ist aber nicht die Höhe der ausgeschriebenen Leistung entscheidend, sondern dass Bürger gegen große Stromkonzerne mit ihren Geboten konkurrieren müssen. Die Bürgerenergieprojekte müssen dabei in erhebliche finanzielle Vorleistung gehen ohne die Gewähr, dass das Projekt dann auch realisiert werden kann. Das Energiegenossenschaften in der Regel ihr Kapital auf ein Projekt konzentrieren, haben sie den entscheidenden Nachteil gegenüber den großen Stromkonzernen. Denn diese sich in der Lage, gleichzeitig mehrere Projekte zu entwickeln und damit das Risiko zu streuen. Diese finanzielle Vorleistung ist notwendig, da ein Projekt, das an der Ausschreibung teilnehmen soll, bereits so weit fortgeschritten sein muss, dass es dafür schon eine entsprechende Änderung des Bebauungsplans gibt und die Anlage innerhalb von zwei Jahren realisiert sein muss.
Bürgerenergieprojekte benachteiligt
Zudem müssen die Bürgerenergieprojekte die gleichen Sicherheiten hinterlegen wie die großen Stromkonzerne, die aber ein viel dickeres Finanzpolster haben. So muss jeder Bieter eine Erstsicherheit von vier Euro pro geplantes Kilowatt hinterlegen. Ist das Projekt schon sehr weit fortgeschritten, verringert sich diese Erstsicherheit. Dies ist aber nur möglich, wenn noch höhere Summen schon in das Projekt geflossen sind, ohne dass es auch eine Garantie gibt, dass es auch gebaut werden darf. So werden diese Möglichkeit auch wieder nur die großen Energiekonzerne in Anspruch nehmen können. Die Variante, dass Bürgerenergieprojekte den Vorteil einer geringeren Erstsicherheit genießen könnten, ist damit ins Gegenteil verkehrt.
Die Bundesregierung will die Ausschreibungen im sogenannten Zuschlagsverfahren durchführen. Dabei gibt jeder Bieter die Einspeisevergütung an, die er für den wirtschaftlichen Betrieb der Anlage braucht. Die Bundesnetzagentur listet alle Gebote vom niedrigsten beginnend auf. Bei gleicher Gebotshöhe zweier Bieter entscheidet die Größe der Anlage. Am Ende erhalten diejenigen Projekte, die ganz oben auf der Liste der Bundesnetzagentur stehen, den Zuschlag. Dabei sind die einzelnen Projekte auf eine Leistung zwischen 100 Kilowatt und zehn Megawatt beschränkt. Zudem dürfen pro Jahr nur zehn Anlagen auf Ackerflächen gebaut werden.
Bürokratiemonster gegen Bürgerenergie
Nachdem die Anlagen einen Zuschlag bekommen haben, müssen die Bieter eine Zweitsicherheit von 50 Euro pro geplantes Kilowatt hinterlegen. Diese Summen werden dann einbehalten, wenn der Bieter das Projekt nicht in der vorgegebenen Zeitspanne von zwei Jahren realisiert. Falls das Kabinett die Ausschreibungen in der vorgelegten Form beschließen sollte, fordern Greenpeace Energy und das Bündnis Bürgerenergie zumindest ein transparentes Monitoring. „Es muss nachprüfbar sein, ob und in welchem Umfang sich Akteure der Bürgerenergie trotz der schlechten Rahmenbedingungen an Ausschreibungen beteiligen konnten“, betont Keiffenheim. Falls, wie befürchtet, die Bürgerenergie nicht zum Zug kommt, solle das Verfahren dann so schnell wie möglich korrigiert werden. „Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung in Sonntagsreden und publikumswirksamen Dokumenten die Akteursvielfalt bei der Energiewende hochhält und sie dann bei der Ausgestaltung der Rechtsvorschriften untergräbt“, kritisiert Keiffenheim. Schließlich war die Akteursvielfalt bei den Ausschreibungen im Koalitionsvertrag ein entscheidender Punkt. Was allerdings herausgekommen ist, ist ein echtes Bürokratiemonster, das sich auf nahezu hundert Seiten gegen die Bürgerenergie richtet. „Der verantwortliche Minister Sigmar Gabriel bedient ganz offensichtlich die Geschäftsinteressen großer Konzerne. Die erfolgreichen kleineren Akteure der Energiewende sollen wohl aus dem Markt gedrängt werden“, vermutet Keiffenheim. (Sven Ullrich)