Am Ende war es ein regelrechter Schweinsgalopp, in dem die EEG-Novelle durch das parlamentarische System der Bundesrepublik geprügelt wurde. Am Vormittag Bundestag und mittags dann der Bundesrat. Beide Kammern haben dem Gesetz – wie schon längst erwartet – zugestimmt.
Für die Photovoltaik ergeben sich einige Veränderungen. So wird der Zubau auf 2,5 Gigawatt pro Jahr gedeckelt, statt wie bisher 2,6 Gigawatt zuzulassen. Die angekündigte Streichung des Gesamtzubaudeckels von 52 Gigawatt wurde kurzerhand wieder gestrichen. Es bleibt dabei: Wenn in Deutschland 52 Gigawatt Solarstromleistung installiert sind, gibt es für dann neu gebaute Anlagen keine Einspeisevergütung mehr.
Um das Zubrot feilschen
Das wäre vielleicht auch nicht das riesige Problem. Denn es gibt genug Geschäftsmodelle, die längst ohne eine feste Einspeisevergütung auskommen und diese nur als Zubrot mitnehmen. Gäbe es nicht die vielen Knüppel, die die Bundesregierung für die Photovoltaik bereit hält. Eines dieser Geschäftsmodelle ist der Eigenverbrauch im Gewerbe und in der Industrie. Dieser ist längst rentabel. Doch die anteilige EEG-Umlage auf den selbst verbrauchten Strom aus solchen Anlagen wirkt wie eine psychologische Blockade, so dass dieses Segment - bisher Treiber des Photovoltaikzubaus - schon seit Jahren rückläufig ist. Jetzt hält das EEG eine weitere Hürde bereit. Zumindest für die großen Anlagen für Unternehmen mit höherem Stromverbrauch und größeren Dächern wird der Bau einer solchen Anlage noch schwieriger. Denn jetzt müssen die Betreiber solcher Anlagen ihr Zubrot in den Versteigerungen erfeilschen. Damit werden sie aber kaum gegen die viel preiswerteren Solarparks mithalten können. Denn das einzige Kriterium bleibt der Preis. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bleibt der kleine Betriebswirtschaftler, der den volkswirtschaftlichen Gesamtblick scheut. Denn dadurch werden die Anlagen dort gebaut, wo das Land am billigsten ist: weit weg vom Verbraucher. Das wiederum erfordert höhere Netzkapazitäten, die ebenfalls Geld kosten, was aber in die Gesamtrechnung nicht mit einfließt. Auf der Stromrechnung taucht das als Netzentgelt auf und nicht als EEG-Umlage.
Eigenverbrauch bleibt wirtschaftlich
Die Ausschreibungen werden solche großen kommerziellen Anlagen zwar nicht unwirtschaftlich machen. Doch wird die fehlende Vergütung für den nicht verbrauchten Strom zusätzlich zur Sonnensteuer die Amortisationszeit dieser Generatoren weiter verlängern. Damit wächst die psychologische Hürde, über die die Gewerbetreibenden springen müssen.
Als Zugeständnis führt die Bundesregierung eine Bagatellgrenze ein. Anlagen mit einer Leistung von 750 Kilowatt müssen nicht in die Ausschreibungen gehen. Die gute Nachricht: Das gilt auch für Freiflächenanlagen. Ob sich solche kleinen Solarparks rechnen, wird sich noch zeigen. Für die direkte Vermarktung von Solarstrom aus einem Solarpark könne das ein Bein werden, auf dem die Energiegenossenschaften zwar unsicher aber zumindest stehen könnten.
Wälzungsmechanimus verändern
Eine nächste Änderung ist das Ausschreibungsvolumen. Dieses wird sich auf 600 Megawatt pro Jahr immerhin verdoppeln. Allerdings werden davon die Mengen abgezogen, die in den internationalen Ausschreibungen vergeben werden. Diese will die Bundesregierung als Zugeständnis an die Europäische Kommission einführen, damit die Beamten in Brüssel den EEG-Wälzungsmechanismus genehmigen. Dieser steht allerdings auch bei den Befürwortern der Energiewende in Deutschland in der Kritik. So hat Hans Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group, schon vor längerer Zeit vorgeschlagen, zum ursprünglichen Mechanismus der physikalischen Wälzung zurückzukehren. Denn ursprünglich mussten die Energieversorger anteilig Ökostrom in ihr Portfolio aufnehmen und an die Endkunden vermarkten.
Bürger de facto weiter benachteiligt
Zusätzlich dazu wird es gemeinsame Ausschreibungen für Windkraft- und Photovoltaikanlagen geben. Wie das funktionieren soll, ist bisher noch völlig unklar. Denn die beiden Technologien sind miteinander nicht vergleichbar, was den Preis und was den Nutzen für das Energiesystem angeht. Den ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates, nicht realisierte Anlagen, die eine Marktprämie in den Ausschreibungen gewonnen haben, erneut zu versteigern, findet bei der großen Koalition kein Gehör. Der von ihr dominierte Wirtschafts- und Energieausschuss im Bundestag hat dies nicht in die EEG-Novelle geschrieben. Dafür soll für Bürgerenergiegenossenschaften die Beteiligung an Windkraftausschreibunge noch leichter werden, als es im ursprünglichen EEG-Entwurf der Bundesregierung vorgesehen war. Dieses Genossenschaften brauchen jetzt nur noch ein Stück Land und ein Windgutachten, mehr nicht, wie Sigmar Gabriel betont. Damit können sich diese Genossenschaften zwar in einer früheren Planungsstufe an den Ausschreibungen beteiligen. Doch um so größer wird das Risiko hinterher, wenn sie in der vorgegebenen Zeit den Generator auch errichten müssen. Das eigentliche Problem des Risikos von Strafzahlungen und des Verlusts der Marktprämie bei Nichtrealisierung der Anlage wird dadurch um so größer.
Für die Photovoltaik hat der Ausschuss um die erklärten Sonnenstromgegner aus der CDU/CSU Michael Fuchs, Joachim Pfeiffer, Thomas Bareiß und Georg Nüsslein nichts getan. Nun vielleicht doch nicht ganz. Denn sie haben durchgesetzt, dass die Bundesnetzagentur in Zukunft nicht mehr monatlich die Zubauzahlen veröffentlichen muss, damit das energie- und wirtschaftspolitische Versagen der großen Koalition nicht so auffällt.
Verordnungsermächtigung für Mieterstrom
Immerhin konnte sich die SPD teilweise durchsetzen. Denn sie hat zumindest das Thema Mieterstrom in das EEG gehoben. Dabei ist es aber bei einer Verordnungsermächtigung seitens der Bundesregierung geblieben. Das hat sich aber schon in der Vergangenheit als schwaches Instrument erwiesen. Denn niemand weiß, wann diese Verordnung erlassen und was da drin stehen wird. Zumindest wird sich Sigmar Gabriel damit nicht beeilen. Schließlich will er den Mieter an der Leine der Energieversorger lassen. Die Begründung ist eher fadenscheinig. Es würden die Mieter bevorzugt, deren Vermieter Solarstrom vom eigenen Dach anbieten. Damit werde die EEG-Umlage für die anderen Mieter, die nicht in diesen Genuss kommen, steigen. Mit dem gleichen Argument hat die Bundesregierung vor zwei Jahren die Sonnensteuer eingeführt. Was allerdings schon damals falsch war, wird jetzt nicht richtiger. Denn die im Gebäude direkt verbrauchten Strommengen werden überhaupt nicht über das EEG-Konto gewältzt, können so auch nicht für den Anstieg der EEG-Umlage verantwortlich gemacht werden.
Mieterstrom war für den Bundesrat ein großes Thema. Doch dieser hat sich mit der vagen Hoffnung abspeisen lassen, dass es eine Verordnung richten kann und die EEG-Novelle durchgewinkt. Kann man nix machen, ist nun mal so, lautete das Credo, mit dem die Bundesländer ihren ohnehin schon schwachen Protest zum Sturm im Wasserglas werden ließen.
Längst überholt
So würdigt sich Hannelore Kraft die Bundesregierung, weil sie den Bundesrat beteiligt habe, obwohl sie das hätte gar nicht tun müssen. Denn das EEG ist nicht zustimmungspflichtig. Doch statt mehr Druck zu machen und zumindest den Vermittlungsausschuss anzurufen, hat Kraft die Arbeitsplätze im Steinkohlebergbau Nordrhein-Westfalens im Blick, die es schon längst nicht mehr gibt. Die RAG – einst unter der Firmierung Ruhrkohle AG einer der größten Arbeitgeber im Bundesland – hat noch 8.200 Beschäftigte und wird im Laufe des kommenden Jahres die Förderung komplett einstellen. Grund sind dabei nicht die erneuerbaren Energien. Vielmehr hat sich der Steinkohlebergbau wirtschaftlich erledigt. Denn die Ruhrkohle ist schon seit Jahren nicht mehr konkurrenzfähig und mit dem Wegfall der Subventionierung im Jahr 2018 gibt es keine Perspektive mehr.
Die RAG plant schon jetzt ihre Bergbaufolgeaktivitäten und hat die ersten Projekte vorgestellt. In Gestalt der Montan Solar überholt die RAG Hannelore Kraft auf der linken Seite, während diese sich in Düsseldorf kaum Gedanken darüber macht, dass die jetzige EEG-Novelle diesen Aktivitäten im Wege stehen könnte.
Industrie- und klimapolitisches Desaster
Verhaltene Kritik kommt vor allem aus dem Norden, wo der holprige Ausbaupfad für die Offshore-Eindkraft für Unmut sorgt. Kritik kommt aber auch aus Rheinland-Pfalz. Für Ulrike Höfken, grüne Umweltministerin aus Mainz, steht außer Frage, dass die EEG-Novelle nicht nur ein industrie-, sondern auch klimapolitisches Desaster ist. „Letztlich sind mit dem jetzt vorliegenden Gesetz die Ziele des Klimaschutzes nicht zu erreichen“, urteilt sie und verweist auf die heftigen Regelfälle in Süd- und Westdeutschland, die nicht nur Sachschaden angerichtet, sondern auch Menschenopfer gefordert haben. Inhaltlich kritisiert sie vor allem, dass die Ausnahmeregelungen für Bürgerenergiegenossenschaften bei Ausschreibungen nicht weit genug gehen. „Trotz der Änderungen durch den Bundestag werden Dezentralität und Bürgerbeteiligung als Garanten der Energiewende nicht ausreichend verfolgt“, betont sie. „Das Ausschreibungsverfahren insgesamt benachteiligt gerade mittelständische Unternehmen und gefährdet die Basis des bisherigen Erfolges und die Akzeptanz.“
Nicht die ganze Wahrheit
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sieht die EEG-Novelle vor allem aus betriebswirtschaftlichem Blickwinkel. „Vor fünf Jahren hat die Förderung der Erneuerbaren noch zwölf Milliarden Euro gekostet. Heute kosten die Erneuerbaren den Stromverbraucher 23 Milliarden Euro“, rechnet er vor und bezieht sich dabei auf die Prognosen der Übertragungsnetzbetreiber. Er erwähnt dabei aber absichtlich nicht, dass das EEG-Konto ständig mit drei bis vier Milliarden Euro im Plus ist. Diese Summe bezahlen die Verbraucher zu viel an EEG-Umlage. Auch erwähnt er nicht, dass die Strompreise sinken. Diese Senkungen werden von den meisten Energieversorgern an die Kunden nicht weitergereicht. Zumal diese Senkungen mit einer Steigerung der EEG-Umlage verbunden sind, weil die Berechnung mit einer, für das Image der Ökostromerzeugung denkbar schlechten Logik berechnet werden. Deren Einführung ist auch Sigmar Gabriel zu verdanken, als er 2009 als Bundesumweltminister die Veränderung des EEG-Wälzungsmechanismus durchgedrückt hat. Seither steigt die EEG-Umlage. Das liegt zu einem großen Teil daran, dass die EEG-Umlage aus der Differenz aus Einspeisevergütung und Vermarktungserlösen zusammensetzt. Wenn letztere sinken, weil der Strom an der Börse billiger wird, steigt die EEG-Umlage. Die Strompreise an der Börse sinken wiederum, weil die erneuerbaren Energien keine Grenzkosten haben. Diese wiederum sind für den Strompreis an der Börse die einzige Bewertungsgrundlage, was für ein zentralistisches System aus großen fossil-atomaren Kraftwerken vielleicht sinnvoll ist. Die Energiewende brauch aber dringend ein neues Strommarktdesign.
Ziel deutlich verfehlt
Mit der jetzigen EEG-Novelle verpasst Sigmar Gabriel, die Energiewende endlich zum Erfolg zu führen. Statt dessen verlängert er die Zeit, in der zwei Energiesysteme parallel gefahren werden und die alte fossile Kohlewirtschaft die erneuerbaren Energien behindert. Damit konterkariert er sein eigentliches Ziel, mit der EEG-Novelle die Energiewende für die Verbraucher bezahlbarer zu gestalten. Im Gegenteil: Mit dieser Novelle wird die Energiewende teurer, weil der Verbraucher länger für die Beerdigungskosten der alten fossilen Energiewirtschaft aufkommen muss.
Gabriel will mit der EEG-Novelle die Förderung der Erneuerbaren endlich ausschleichen und sie in den Markt entlassen, in einen Markt der so wenig von Wettbewerb geprägt ist wie kein anderer. Ihm fällt dabei gar nicht auf, dass es – zumindest in der Photovoltaik – längst nicht mehr darum geht zu fördern, sondern es nur darum gehen kann, den Ausbau nicht zu behindern, was mit dieser EEG-Novelle aber offensichtlich erreicht werden soll. (Sven Ullrich)