„Nicht-Wollen ist der Grund – Nicht-Können nur der Vorwand.“ Als ob Seneca nicht im antiken Rom gelebt hat, sondern heute die Vorgänge im Bundeswirtschaftsministerium bezüglich der Energiewende auf den Punkt bringt. Die Worte des Philosophen beschreiben nur zu gut die Taktik des Sigmar Gabriel (SPD). Nach außen hin will er schon, schiebt aber fadenscheinige Gründe vor, dass es ja gar nicht gehe, was er will.
In seiner Funktion als Wirtschafts- und Energieminister hat er die Länder- und Verbändeanhörung zur EEG-Novelle 2016 eingeleitet. Und das mit den Worten: „Das EEG 2016 behandelt die Erneuerbaren erstmals als etablierte, erwachsene Technologien und schafft die Basis dafür, die Kosten zu stabilisieren und so die Akzeptanz für die Energiewende zu stärken.“ Die Akzeptanz ist längst da und die Kosten liegen längst unter denen neuer Kohle- oder Atomkraftwerke. Und die Behandlung als erwachsene Technologie sieht im Gabrielschen Blicke so aus, dass möglichst viele Hürden aufgebaut werden müssen, damit den hoch subventionierten Erzeugungsanlagen auf Basis fossiler Energieträger niemand in die Quere kommt.
Kein Wunder, dass angesichts dieses Zynismus‘ ein Aufschrei durch die Branchen geht. Denn die Novelle bedeutet nichts anderes, als den Ausbau der Ökostromanlagen weiter auszubremsen und die alte Energiewirtschaft weiter zu unterstützen. Zwar schröpft Gabriel zwar in diesem Jahr vor allem die Windenergie mit radikal zusammengestrichenen Ausbauzielen und Ausschreibungen, die vor allem die Bürgerenergiegenossenschaften aus dem Rennen katapultieren. Da kann Gabriel noch so oft auf die beiden genossenschaftlichen Projekte herumreiten, die in der dritten Ausschreibung für Solarparkleistung im vergangenen Jahr eine Marktprämie gewonnen haben. Diese beiden Projekte sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und nicht mehr als ein zufälliges Ergebnis eines höheren Ausschreibungsvolumens in der besagten dritten Auktionsrunde.
Heftige Kritik vom BSW Solar
Doch immerhin geht Sigmar Gabriel die EEG-Novelle angesichts eines auf ein Viertel der ursprünglichen Große geschrumpften Zubaus an. Seit zwei Jahren erreicht dieser noch nicht einmal mehr die Größenordnung, die Gabriel selbst gesetzlich festgeschrieben hat. Von planvollem Ausbau – wie ihn Gabriel für sich reklamiert, ist da nichts zu spüren. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Reaktionen aus der Branche heftig ausfallen. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW Solar) kritisiert den Referentenentwurf für die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Die Bundesregierung steht damit weiterhin auf der Bremse, wenn es um den Ausbau der erneuerbaren Energien geht. „Dieser Gesetzentwurf steht in eklatantem Widerspruch zu den Klimaschutzzielen und muss dringend nachgebessert werden“, fordert Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW Solar). „Der Gesetzesentwurf trägt dem keinesfalls Rechnung. Selbst die bescheidenen Ausbauziele der Bundesregierung werden seit zwei Jahren deutlich verfehlt. Großverbraucher klimaschädlicher Energie werden weiter subventioniert. Energiebewussten Verbrauchern und Gewerbebetrieben werden hingegen bei der Investition in Solartechnik immer mehr Steine in den Weg gelegt.“
Solarstrom ist so billig wie nie
Körnig verweist darauf, dass die Solarenergie inzwischen preiswert und bei fairer Kostenbetrachtung sogar günstiger als Strom aus neuen Atom- oder Kohlekraftwerken ist. Der Preis für den Solarstrom ist in den vergangenen Jahren deutlich gefallen, betonen die Branchenvertreter mit Blick auf die mittlere Marktprämie von fast 7,5 Cent pro Kilowattstunde, die in der letzten Ausschreibung erreicht wurde. Wobei hier natürlich abzuwarten bleibt, ob die Bieter der Projekte für diesen Preis auch tatsächlich die Anlagen bauen können. Dennoch gebe es keinen nachvollziehbaren Grund, die Solarenergie nicht endlich stärker zu nutzen. „Solarstrom darf nicht länger der Stecker gezogen werden!“, fordert Körnig.
Sonnensteuer abschaffen
Tatsächlich ist der Solarstrom inzwischen billiger als der Strom aus dem Netz. Doch wird er künstlich verteuert, weil die Bundesregierung riesige Hürden für den direkten und dezentralen Verbrauch des Stroms aus Solaranlagen aufgebaut hat. Der BSW Solar fordert deshalb die Abschaffung beziehungsweise deutliche Verringerung der finanziellen Belastung solarer Eigen- oder Direktversorgung. Will heißen: Die EEG-Umlage auf jeglichen Eigenverbrauch muss weg oder mit Blick auf die direkte Versorgung von Mietern in Mehrfamilienhäusern zumindest drastisch sinken. Zwar sind inzwischen schon Mieterstromprojekte realisiert. Doch das Geschäftsmodell für Energieversorger und Stadtwerke könnte weiter florieren, wenn es die Hürde der EEG-Umlage auf den im Gebäude verbrauchten Stroms nicht gäbe. Immerhin müssen die Mieter die volle EEG-Umlage bezahlen, obwohl der Strom durch kein öffentliches Netz fließt. Damit sind, sie was die Beteiligung an der Energiewende betrifft, gegenüber Eigenheimbesitzern erheblich benachteiligt.
Doch damit ist die Benachteiligung der Mieter noch längst umfassend beschrieben. „Es stinkt zum Himmel, dass Mieter für Solarstrom vom eigenen Hausdach mit sechs Cent je Kilowattstunde zur Kasse gebeten werden, während die größten Energieverbraucher in der Industrie weitgehend von den Kosten der Energiewende befreit werden“, bringt Carsten Körnig die eigentliche Schieflage auf den Punkt.
Keine Ausschreibungen auf Dachanlagen
Zudem warnt Körnig davor, den Fördermechanismus von Photovoltaikanlagen generell auf ein Ausschreibungsverfahren umzustellen. Denn das ist das Ziel der Bundesregierung. Sie will auch die Höhe der Marktprämie für Dachanlagen in Zukunft über Auktionen ermitteln. „Um eine breite Akteursstruktur und Akzeptanz der Energiewende zu sichern, müssen Ausschreibungen auf große Solarparks begrenzt bleiben“, fordern die Branchenvertreter. „Anders als bei ebenerdigen Solarparks würden Förderauktionen von Solarstromanlagen auf Dächern scheitern“, betonen sie mit Hinweis auf die übereinstimmende Auffassung der meisten Energie- und Finanzexperten. Das ist auch nicht von der Hand zu weisen. Denn anders als bei der Planung eines Solarparks muss man bei der Projektierung einer Dachanlage das Gebäude in den Planungsprozess mit einbeziehen. Anders herum birgt es eine nicht überschaubare Planungsunsicherheit, wenn der Bauherr nicht weiß, ob er eine Einspeisevergütung für seine Solaranlage bekommt, wenn er das Energiekonzept des Gebäudes entwickelt. Die Projekt- und Investitionsstrukturen sowie die Finanzierungs- und Planungsprozesse im Hausbau sind viel zu komplett, heterogen und kleinteilig, als dass sie ein Ausschreibungssystem vertragen.
Ausschreibungen schließen die Bürger aus
Schon mit dem Ausschreibungssystem für Solarparkleistung steht sich die Bundesregierung selbst im Wege. Denn sie behindert damit, dass der Photovoltaikausbau die Größenordnung erreicht, die im EEG eigentlich festgelegt ist. „Die vielfache Überzeichnung der vier Photovoltaikausschreibungen belegt, dass sich das Auktionsvolumen ebenerdiger Solarparks problemlos verdoppeln ließe, ohne den Preis nennenswert zu erhöhen“, betont Carsten Körnig. „Wenn dies mit einer Öffnung der Flächenkulisse einhergehen würde, wären die Kosten weiter zu senken. Solarparks lassen sich erfahrungsgemäß auf landwirtschaftlichen Flächen deutlich günstiger realisieren als auf Konversionsflächen. Umso unverständlicher ist es, dass nur zehn derartige landwirtschaftliche Standorte im Jahr genutzt werden können und dieses Potenzial nunmehr bereits erschöpft ist. “
Zudem sind Ausschreibungen auf keinen Fall dazu geeignet, die Bürger weiterhin an der Energiewende zu beteiligen, wie die Ergebnisse der vierten Ausschreibungsrunde gezeigt haben. „Langfristig wird man bei Auktionen nur mit Portfoliovorteilen zu den Gewinnern zählen“, erklärt Körnig. „Bürger- und genossenschaftliche Projekte dürften auf Dauer keine Chance haben. Nicht zuletzt deshalb fordern wir im Rahmen der anstehenden Überarbeitung des EEG Photovoltaikanlagen unterhalb von einem Megawatt unbedingt auf Ausschreibungen zu verzichten.“ Schließlich lässt auch die Vorgabe aus Brüssel, auf die sich die Bundesregierung bezieht, wenn sie ihre Präferenz für Ausschreibungen begründet, diesen Spielraum. (Sven Ullrich)