Die Photovoltaik wird in diesem Jahr, wenn es gut läuft, einen Zubau von 2,5 Gigawatt schaffen und damit seit Jahren das Zubauziel der Bundesregierung erfüllen. Das ist zumindest eine gute Nachricht, die Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW Solar) anlässlich der Eröffnung der diesjährigen Intersolar in München verkünden konnte. Dementsprechend gut, wenn auch nicht ausgelassen, ist die Stimmung auf der europäischen Leitmesse für Solartechnik, die inzwischen um Themen wie Sektorenkopplung, Elektromobilität, und die Integration in das Gesamtversorgungssystem erweitert wurde.
In Ruhe wachsen
Die Zahlen sehen gut aus. Bis Ende April dieses Jahres wurden immerhin Anlagen mit einer Gesamtleistung von gut 800 Megawatt bei der Bundesnetzagentur registriert. Fast ein Drittel ist also schon mal geschafft. Die Bundesregierung kann sich hier bei der Potovoltaikbranche bedanken, dass diese die Kastanien aus dem Feuer holt. Denn den Stopp der Abwärtsfahrt der letzten Jahre und die Trendwende hin zu einem Wachstum hat die Branche ganz allein geschafft. Preissenkungen und ganz neue Geschäftsmodelle haben dem Zubau einen Schub verliehen, so dass wohl tatsächlich in diesem Jahr die Ziele, die ja nicht die Branche, sondern die Bundesregierung gesteckt hat, erreicht werden. Die große Koalition hat dazu keinerlei Beitrag geleistet, außer, dass sie die Photovoltaik bei der letzten EEG-Umlage in Ruhe gelassen hat. Man ist ja schon mit Wenig zufrieden.
Klimaschutzziele werden verfehlt
Andererseits sieht man hier, was passiert, wenn man die Solarbranche einfach machen lässt. Sie entwickelt sich selbst, auch wenn das viel Kraft kostet, wenn nicht immer neue Hürden aufgebaut werden. Jetzt gilt es, die bestehenden Hürden abzubauen. Denn angesichts der Zahlen – auch des weltweiten Zubaus – zeigt sich, dass die Solarenergie kaum noch zu stoppen ist. Hier täte die Bundesregierung gut daran, endlich auf den Zug aufzuspringen, sonst ist dieser abgefahren und Deutschland steht mit zwar mit prima Zielen da, die aber immer wieder verfehlt werden. Das Preisargument, mit dem immer wieder der Ausbau gebremst wird, ist lägst nur noch ein Scheinargument, das ohnehin niemand mehr glaubt. Denn die Photovoltaik ist inzwischen so preiswert geworden, dass sie mit den anderen Erzeugungstechnologien mithalten kann. Selbst mit kleinen Dachanlagen kann man inzwischen Strom durchaus für einen Preis von zehn Cent pro Kilowattstunde produzieren, wie Carsten Körnig betont.
Inzwischen hat die Bundesregierung aber einen neuen Grund zum Bremsen gefunden: den Netzausbau. Doch auf diesen zu warten, ist zum einen nicht zielführend und zum anderen aber auch gar nicht notwendig. Denn die Photovoltaik kommt auch mit wenig Netz aus, wenn dieses intelligent gesteuert wird. Auch hier zeig sich, dass die Energiewende nicht einfach nur ein Tausch der Erzeugungstechnologien ist, sondern ein System der Zukunft, das sich von dem der Vergangenheit grundsätzlich unterscheidet.
Desaströse Energiepolitik
Die Signale, die derzeit aus dem Berliner Regierungsviertel kommen, sind aber alles andere als Aufbruch in eine neue Energiewelt. Statt dessen häufen sich in der Union die Stimmen, die selbst die minimalen Maßnahmen, die im Koalitionsvertrag stehen, einfach verschieben wollen. Die Stimmen aus der SPD, die dagegenhalten, sind ganz leise. Immerhin ist sie mitverantwortlich für das Desaster, vor dem Deutschlands Energiepolitik steht. Die Klimaschutzziele werden um 100 Millionen Tonnen CO2-Mehrausstoß noch krachender verfehlt als bisher angenommen und beim Ausbau der erneuerbaren Energien schrammt die Bundesrepublik ganz deutlich an den Vorgaben aus Brüssel vorbei. Die Europäische Kommission kann sich jetzt überlegen, ob sie ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet. Doch die Bundesregierung sitzt da, diskutiert darüber, ob sie nicht vielleicht doch die Sonderausschreibungen verschieben sollte und alles andere bleibt auch erst einmal liegen. So wird das nichts mit der Energiewende.
Erneuerbare brauchen grünes Licht
Was die Erneuerbaren jetzt brauchen, ist grünes Licht. Sie müssen zügig ausgebaut werden. Carsten Körnig rechnet mit zehn Gigawatt Photovoltaik, die ab jetzt jedes Jahr zugebaut werden müssen, um das Ziel zu erreichen, 65 Prozent der Stromversorgung mit Erneuerbaren abzudecken. Das geht inzwischen auch zu Kosten, die so niedrig wie nie zuvor sind. Mit den Speichern, die auch immer preiswerter werden, stehen auch die entsprechenden Flexibilitäten in den Startlöchern. Hier sinken die Preise aber auch nur weiter, wenn der Markt vorhanden ist, der nicht durch politische Vorgaben, die mit der technologischen und wirtschaftlichen Realität überhaupt nichts zu tun haben, ausgebremst wird.
Dann ist die Photovoltaik auch in der Lage, zunehmend ohne Fördermittel zurecht zu kommen. Auch wenn dann der Bundesregierung ein Argument verloren geht, den Ausbau weiter zu bremsen, sollte sie jetzt Nägel mit Köpfen machen und die Hürden abbauen und die Energiewende endlich zu Ende führen. Denn nichts ist so teuer wie das Betreiben von zwei parallelen Systemen, wie das derzeit der Fall ist. Diesen Übergang so kurz wie möglich zu gestalten, wäre eine wahre Strompreisbremse. (Sven Ullrich)