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Schockierende Bilder und Klimaschutz im Lehrplan

Klimaaktivist:innen im Gespräch: Wie kann man den Klimaschutz voran bringen? Carla Rochel, Sprecherin von Letzte Generation, Luis von Randow, Sprecher von Fridays for Future, und Volker Quaschning, Gründungsmitglied von Scientists vor Future, diskutieren über Chancen und Herausforderungen im Kampf um verantwortlichen Klimaschutz. Ein Aspekt ist dabei die demokratische Teilhabe derer, die am stärksten betroffen sein werden von der Klimakatastrophe, den jungen Menschen. Der demographische Wandel stärkt bei Wahlen die Stimme derer, die den Klimawandel nicht mehr so intensiv erleben werden wie jüngere Generationen. Entsprechend könnte man unterstellen, dass Menschen ab 60 oder 70 Jahren das Thema weniger wichtig finden als vielleicht 16-Jährige. Am 26. März steht zudem in Berlin der Volksentscheid zur Klimaneutralität 2030 an.

Das Wahlrecht ab 16 bei Landtagswahlen gibt es in vier Bundesländern. Sollte auch auf Bundesebene darüber nachgedacht werden? 

Carla Rochel: Wir brauchen ein Update der Demokratie. In Umfragen sehen wir, dass die meisten Menschen unzufrieden sind mit der Politik. Als Lösung ist da der Gesellschaftsrat zu nennen, also eine zufällig gewählte Bürgerversammlung. Im vorletzten Jahr gab es den Bürgerrat Klima, der super mutige Lösungen erarbeitet hat, wo Autofans und vegane Ökohippies zusammensaßen. Aber: keine einzige Lösung wurde von der Regierung umgesetzt. Das ist grotesk. Dort saßen auch Klimawissenschaftler drin, die klar gesagt haben, wie wir es schaffen können. Und das fehlt in der Berichterstattung einfach. In der Tagesschau kommt nur in den letzten fünf Sekunden die Nachricht „Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen, könnte die Erde unbewohnbar werden“.

Ist das ein Verlust an Demokratie, wenn ein von der Regierung einberufener Bürgerrat Maßnahmen erarbeiten und die werden nicht umgesetzt?

Carla Rochel: Das führt dazu, dass das Vertrauen in die Regierung verloren geht und das macht mich traurig. Denn wir sehen, dass die Menschen bereit sind, deutliche Veränderungen in Kauf zu nehmen. Dass die Leute schon verstanden haben: Wir können so nicht einfach weitermachen. Und wir können uns jetzt sozial gerecht und gemeinsam für Veränderungen entscheiden, oder die Veränderungen werden durch die Klimakrise komplett unkontrolliert auf eine brutale Art und Weise kommen. Und das ist am Ende komplett ungerecht. Ich glaube fest daran, dass wir das verhindern können und die Lösungen gemeinsam hinbekommen.

Thema Bildung: Ist es wichtig, dass man in der Schule auf das Klimathema eingeht?

Luis von Randow: Ich bin jetzt fast fertig mit der Schule und mein Fazit ist: man wird drauf vorbereitet. Zumindest an meiner Schule ist das so. Es gibt ja oft die Forderung nach einem Nachhaltigkeitsunterricht, aber ich bekomme es auch so ganz gut mit. In der 8. Klasse habe ich die Klimakrise richtig erklärt bekommen. Wir haben in Englisch das Thema Saving the Planet und in Politischer Bildung über den Weltklimagipfel gesprochen. Da passiert schon viel. Aber es ist natürlich schulabhängig.

Volker Quaschning: Wenn ich mit den Kolleginnen und Kollegen von Teachers for Future rede, sagen die, es gibt sehr motivierte Lehrer und Lehrerinnen, es gibt aber auch Schulen, wo das Kollegium extrem konservativ ist. In Italien hat man ein Schulfach zu Klimaschutz eingeführt. In Deutschland ist es Ländersache und man muss in jedem Bundesland einzeln die Lehrpläne anpassen. Die Klimakrise wird in absehbarer Zeit unser Leben dominieren. Das muss viel stärker in die Lehrpläne einfließen. Wir werden unser Leben in vielen Punkten ändern müssen und darauf müssten alle Schulen unabhängig vom Engagement der Lehrkräfte auch vorbereiten.

Carla Rochel: Das habe ich auch so erlebt. Ich bin aus der Schule mit dem Gefühl gegangen, die Eisbären werden ganz doll bedroht. Wir hatten natürlich auch engagierte Lehrer. Aber wir hatten auch in Sachsen einige Lehrer die den Klimawandel komplett leugnen. Das sind richtig große Unterschiede.

In den Nachrichten geht es oft darum, dass das Wirtschaftswachstum in Gefahr sei. Werden da nicht falsche Maßstäbe gesetzt?

Volker Quaschning: Vollkommen einverstanden. Wir hatten die Initiative „Klima vor acht“ als Gegenstück zur „Börse vor acht“. So gut wie niemand von der durchschnittlichen Bevölkerung investiert täglich an der Börse, das Klima betrifft hingegen alle. Wenigstens zur besten Sendezeit mal täglich fünf Minuten über das Klima reden. Die Intendanten von ARD haben das abgelehnt, weil es angeblich schon genug Klimaberichterstattung gibt...

Luis von Randow: Es wird über das Klima berichtet, aber es werden die falschen Maßstäbe angesetzt. Ich habe das Gefühl, es geht selten in die Tiefe. Es wird nicht gezeigt, wie wir uns als Gesellschaft verändern müssen. Die realen Fakten auf den Tisch zu legen, das passiert zu selten.

Carla Rochel: Zu den falschen Maßstäben: Als die Berichterstattung zu Corona losging oder als der Krieg in der Ukraine ausbrach - es gab überall Berichterstattung und wir waren im Krisenmodus. Das Problem an der Klimakrise ist eben, dass sie so vermeintlich schleichend passiert. Und zu selten wird die Verbindung zur Klimakrise gezogen, wenn etwa von Temperaturrekorden gesprochen wird. Es ist eine Katastrophe in Zeitlupe.

Luis von Randow: Im Vergleich mit anderen Krisen bräuchten wir eigentlich jeden Tag einen Themenschwerpunkt Klimakrise. Es gibt eine Abstumpfung bei diesem Thema, die von den Journalist:innen aufgehoben werden muss. Denn nur durch einen gesamtgesellschaftlichen Wandel können wir die Krise jetzt noch bekämpfen.

Volker Quaschning: Wir brauchen die schlimmen Bilder, wie schrecklich das auch ist. Das haben wir bei anderen Krisen auch gesehen. Beim Waldsterben der 1980er-Jahre musste man erste die Hälfte des Waldes Tod sehen, beim Ozonloch mussten erst viele Menschen Hautkrebs bekommen. Damals gab es aber noch die Möglichkeit, den Schaden wieder zu korrigieren.

Bei der Klimakrise ist es im Wesentlichen ein irreversibler Prozess, das macht das Ganze so schlimm. Wir werden die Krise demnächst wieder drastisch erleben, denn dieses oder nächstes Jahr wird es sehr wahrscheinlich ein El-Nino-Ereignis geben. Die Temperaturen noch einmal nach oben schnellen - mit Ereignissen, die wir bisher so noch nicht erlebt haben. Die Bilder werden schockieren, aber ich fürchte, dass unsere Gesellschaft ohne diese Bilder nicht bereit ist zu handeln.

letztegeneration.de

Fridays for Futur

Janine Escher - Volker Quaschning