„Faire Wettbewerbsbedingungen auf dem Weltmarkt sind entscheidend für die Zukunft der Windindustrie aus Deutschland“, sagte der Geschäftsführer des Windturbinenherstellers Siemens, Markus Tacke, am Mittwoch auf der internationalen Windenergiemesse Wind Energy in Hamburg. Es sei nun an der Zeit, dass internationale Handelsbarrieren für die Windenergiebranche fielen, betonte der als Vorstandsvorsitzender des VDMA-Fachverbands Power Systems fungierende Siemens-CEO. Dann ließen sich wettbewerbsfähige Produkte schneller auf dem Weltmarkt anbieten. „Local Content sollte sinnvollerweise mit dem Markt und der Reife der Industrie vor Ort mitwachsen“, sagte Tacke in Anspielung auf sogenannte Local-Content-Regeln. Mit solchen verengen mehrere wichtige Windenergieländer die Beteiligung an ihrem nationalen Windparkausbau auf Hersteller, die einen Großteil der Komponenten und Windenergieanlagen dafür auch in dem Land selbst herstellen.
China wird zu Problem für deutsche Windbranche
Laut dem VDMA wird dadurch vor allem China zu einem Problem für die deutsche Windbranche. Peking lässt ausländische Windturbinenhersteller fast überhaupt nicht zum Zuge kommen – und das in einem Markt, der im vergangenen Jahr fast die Hälfte des weltweiten Windkraftzubaus repräsentierte. Der chinesische Markt sei somit ja auch groß genug für die Teilnahme aller internationalen Windturbinenbauer statt nur der nationalen Player, betonte Tacke. „Lokale Wertschöpfung ist gut“, sagte er mit Blick auch auf die deutsche Windindustrie, die die gesamte Wertschöpfungskette der Branche abbilde. Zu starke Local-Content-Anforderungen seien hingegen schädlich für die weltweit durch Politik und Wirtschaft angestrebte Wettbewerbsfähigkeit der Windstromerzeugung. Solche führten „häufig zu höheren Projektkosten“.
Auch VDMA-Power-Systems-Geschäftsführer Matthias Zelinger erklärte, gerade für die deutsche Windbranche sei die lokale Wertschöpfung bisher notwendig gewesen. Auf einem starken Heimatmarkt habe sie die Windenergie ausbauen und dabei ihre fortgeschrittene Anlagentechnologie beständig weiter entwickeln können. Dies habe zur heutigen Exportfähigkeit für deutsche Anlagentechnologie geführt. Die Windindustrie erwirtschafte mit ihrer Produktion in Deutschland inzwischen ein Umsatzvolumen von 14 Milliarden Euro jährlich, bei einer Exportquote von 70 Prozent.
Im Heimatmarkt werde „immer die fortschrittlichste Technologie eingesetzt, die in der Folge ihren Weg auf den Weltmarkt findet“, sagte Zelinger. Der Weltmarktanteil der deutschen Produktion beträgt laut VDMA 40 Prozent, insofern China ausgeklammert werde. Den abgeschotteten Riesenmarkt mitgerechnet seien es nur 20 Prozent.
Entfernung aller Handelsbarrieren
Laut Zelinger wäre die Entfernung der Handelsbarrieren für die deutsche Windkraft sogar dann noch von Vorteil, wenn umgekehrt geltende, eher versteckte Handelsbarrieren für chinesische Windturbinenfirmen fielen. „Für eine begrenzte Zeit“ könnte die deutsche Windkraft hierbei sogar in Vorleistung gehen, sagte er zu ERNEUERBARE ENERGIEN. Allerdings nur, wenn diese Zeit klar begrenzt und nur von kurzer Dauer wäre.
Den Zeitpunkt ihrer Forderung begründeten die beiden Branchenvertreter auch mit dem eingebrochenen Wachstum des Windkraftzubaus in Europa. Momentan seien nur noch Deutschland und Frankreich verlässliche Märkte.
Sektorenkopplung nächstes Ziel für Deutschland
Insbesondere für Deutschland bekräftigten Tacke und Zelinger die VDMA-Forderung nach der sogenannten Sektorenkopplung. Sie soll es ermöglichen, dass im Stromnetz kurzfristig nicht benötigter Wind- und Solarstrom mit technologisch neuen Energiewandlern wie Power-to-Gas- oder Power-to-Heat-Anlagen für die Wärmeversorgung oder für den Antrieb von Verkehrsmitteln vermarktet werden kann. Bisher stehen dieser Transformation des EEG-Stroms vor allem rechtliche Hürden entgegen.
Die Drosselung beim Zuwachs des Erneuerbaren-Anteils an der Stromversorgung wieder aufzuheben, die das EEG 2017 bis 2025 festschreibt, sei derzeit politisch nicht durchsetzbar, sagte Zelinger. Dafür stehe nun die „spannende Diskussion“ an, wie ein integriertes Energiesystem mit Sektorenkopplung aussehen soll. „Sobald das Konzept der Sektorenkopplung da ist“, könne die Windbranche sich hingegen vollständig marktwirtschaftlichen Wettbewerb stellen. Garantierte Preise seien dann nicht mehr notwendig. Der Verkauf von Windstrom für fünf Cent pro Kilowattstunde (kWh) werde so langfristig auch ohne die heute noch gesetzlich garantierten Ausgleichszahlungen durch die Netzbetreiber möglich. Schon jetzt speisten Windparks in Deutschland ihren Strom für 5,3 bis 9,6 Cent pro kWh ein.
Ab 2018 sinken deutsche Windstrompreise
Mit Blick auf die 2017 startenden ersten Ausschreibungen alle neuen Windparks sagte Siemens-CEO Tacke: Das erste Ausschreibungsjahr werde noch von einem Auf und Ab der Preise geprägt sein. Ab 2018, wenn sich der Wettbewerb eingependelt habe, seien bereits deutliche Preisrückgänge beim Windstrom zu erwarten.
(Tilman Weber)