Artenschutzverband WWF und Naturstromversorger Lichtblick machen in einer gemeinsamen Studie fünf „Megatrends der globalen Energiewende“ aus:
Mit 23 Diagrammen, Grafiken oder Tabellen liefern die beiden Partner reichlich Statistik dafür. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Menschheit bereits 2013 weltweit erstmals mehr Stromerzeugungsleistung erneuerbarer Energien hinzugebaut hat, als Kapazitäten zur Nutzung fossiler Brennstoffe einschließlich der Atomkraftwerke. Dazu gehört etwa auch, dass 2014 erstmals der Kohleverbrauch beim Spitzen-Treibhausgasverursacher China zurückgegangen ist. Außerdem erhalte eine weltweite Bewegung großer Investoren inzwischen großen Zulauf, die ihr Kapital aus fossiler Energienutzung herausziehen und es in die Nutzung der Erneuerbaren verschieben, beobachten WWF und Lichtblick.
Beeindruckende Beispiele für den Wandel
Auch diese Beispiele sind beeindruckend: Inzwischen engagieren sich sogar große Informationstechnologieunternehmen in die Energiewende und leisten den großen Energieversorgen Konkurrenz, weil die neue Energieversorgung zunehmend mit digitaler Steuerung und Vermarktung flexibilisiert werden muss. Eine Entwicklung die den Investorendruck für die Energiewende tatsächlich verstärken dürfte. Und die Preise der Photovoltaik (PV) in Deutschland sind bei Investitionen und Stromversorgung in den vergangenen Jahren um 70 bis 80 Prozent gefallen. Das lasse erwarten, dass PV bald weltweit die kostengünstigste Stromerzeugungsform sein wird, schlussfolgern WWF und Lichtblick.
Doch das Problem vieler Energiewendeanalysen aus der Feder der sie unterstützenden Unternehmen, Akteure und Organisationen zeigt sich auch in dieser Studie: Die Argumentation verschließt die Augen vor der vielerorts nur noch verbal die Energiewende unterstützenden Politik der Industrieländer. Sie haben nämlich den Wechsel von Strom- und Wärmeversorgung oder gar der Kraftstoffbelieferung des Verkehrs ganz offenbar hinter anderen Zielen weit zurückgestellt. Die Daten für genau diese Beobachtung liefert die Studie nämlich leider auch.
Misstrauisch darf da bereits die Behauptung der Autoren der fünf Megatrends machen, dass der Preisverfall beim Öl für ein Ende der lohnenden Versorgung mit diesem fossilen Brennstoff stehe. WWF und Lichtblick nutzen das Argument, indem sie sich auf Aussagen von „Analysten weltweit agierender Banken“ stützen. Doch noch vor wenigen Jahren musste bekanntlich genau das Gegenteil als Argument für die Energiewende herhalten: Weil der Ölpreis so schnell steige und die Preise anderer fossiler Energiequellen mit nach oben ziehe, würden sich bald nur noch erneuerbare Energien lohnen.
Gegenläufige Trends der Industrieländer
Allerdings lassen sich unschwer fünf weitere Megatrends aus den Statistiken der WWF/Lichtblick-Studie herauslesen, die niemanden in der Branche kalt lassen sollten:
6. Die jährlichen Investitionen in Erneuerbare stagnieren seit 2011.
7. Die Industrieländer lassen in Ihrem Engagement nach: Sowohl die USA, als auch Europa haben ausgewiesen durch gleich mehrere Indikatoren seit spätestens 2012 oder teils schon seit 2011 den jährlichen Ausbau der erneuerbaren Energien eingefroren. Es wird weiter ausgebaut, gibt aber von regionalen Ausnahmen und bei sektoralen Verschiebungen abgesehen kein Wachstum mehr. Insbesondere Europa verzeichnet rückläufige Ausbauzahlen gerade bei PV. Die Industrieländer insgesamt reduzierten ihre Investitionen in die Erneuerbaren von 2011 an von 190 auf knapp 140 Milliarden Euro jährlich.
8. Echtes Wachstum mit einem jährlich größeren neu zugebauten Kapazitätsvolumen findet nur noch in China und im sogenannten Rest der Welt statt: In jenen Ländern außerhalb Europas und der USA, die bei erneuerbaren Energien noch weit zurückliegen.
9. In China beschleunigt sich außer dem Zubau der erneuerbaren Energien leider auch das Wachstum der Atomenergienutzung.
10. Auch der Zuwachs der jährlichen Stromerzeugungsleistung der Erneuerbaren ist damit weltweit zum Stillstand gekommen. Dass bei den Erneuerbaren dennoch 2013 erstmals mehr Kapazitäten neu installiert worden sind, als bei den Fossilen liegt offenbar an der weltweiten Eintrübung der Konjunktur: Der Ausbau der fossilen Kraftwerkskapazitäten ist weltweit seit 2010 stark zurückgegangen. Zahlen für 2014 liegen allerdings noch nicht vor.
Wer hierauf reagieren will, sollte wohl die nachhaltige politische Entscheidung für die gesamte Energiewende der Industrieländer neu einfordern.
(Tilman Weber)