Ist das nun gut? Die Vergütungsabsenkung für Solarstrom soll beim Überschreiten des vorgesehenen Ausbaudeckels von jährlich 2,6 Gigawatt Leistung weniger stark sinken, als bisher von Energieminister Sigmar Gabriel vorgesehen. Die Einigung lässt auch zu, dass der Windenergieausbau im selben Umfang wie im vergangenen Jahr weiter stattfinden kann, ohne dass die Branche durch Vergütungsabsenkungen im Vierteljahresrhythmus ausgebremst wird. Da hilft der Rechentrick aus Bruttovorgaben von maximal 2,6 Gigawatt neu ans Netz angeschlossener Windkraft ein Nettolimit von 2,6 Gigawatt zu machen. Die neue Startlinie für zusätzliche Vergütungskürzungen berücksichtigt nicht mehr den Austausch alter gegen neue Windkraftanlagen, womit drei Gigawatt Kapazitätswachstum pro Jahr ohne Sanktionen wieder drin sind. Windenergie in Süddeutschland soll überdies möglich bleiben. Und bei Biogasverstromung wird im EEG zwar eine Begrenzung von 100 Megawatt jährlichen Zubaus eingezogen. Aber auch hier gilt die Nettoregel: Erweiterungen bestehender Anlagen fallen außerhalb des Limits.
Gut also? Natürlich können Fachverbände wie der Bundesverband Windenergie (BWE) sich nachvollziehbar über ausgebliebene Erleichterungen für ihre Branche verglichen zum bisherigen Referentenentwurf zur EEG-Novelle beschweren. Dass das EEG auch nach der Einigung mit den Ländern keine lineare Abstufung der Vergütung je nach Ertragserwartungen vorsehen wird, gehört dazu. Sie hätte Windenergie in Süddeutschland beispielsweise mehr Vergütung pro eingespeiste Kilowattstunde zugesichert, als Windstrom von der Küste. Klar, denn ohnehin windreiche Standorte brauchen die Unterstützung weniger als unsteter durchwehte Windparks in Bayern oder Baden-Württemberg – und umgekehrt. Auch die Wahrnehmung des beibehaltenen Stichtags 23. Januar 2013 lässt sich als „besonders schwieriges Signal“ nachvollziehen: das Datum für die Baugenehmigungsanträge neuer Projekte, ab dem rückwirkend das neue EEG schon gelten soll. Auch können Hans-Josef Fell, der langjährige Grünen-Bundestagsabgeordnete und Polit-Berufsaktivist für das EEG, sowie der Fachverband Biogas glaubwürdig Mängel finden: Das EEG greift gemäß den jetzt gefundenen Kompromissen bald rückwirkend in die Wirtschaftlichkeit bestehender Biogasanlagen ein. Und der Eigenstromverbrauch wird tatsächlich mit der EEG-Umlage belastet, mit der die Stromverbraucher den Energieversorgern ihre Mehrkosten für garantierte Vergütungen des Grünstroms ausgleichen.
Reform dient nicht angeblichem Zweck
Doch all das trifft den Kern des Problems noch nicht, der sich ganz anderswo findet: Gabriels Reform erfüllt nach der Bund-Länder-Einigung nun sogar ganz erwiesenermaßen nicht die bisher vorgegaukelte Absicht. Noch bis Ende März hatte der SPD-Frontmann suggerieren können, er wolle alle Beteiligten am Energiesystem gleichermaßen ihre Aufgaben und Lasten an der Herkulesaufgabe Energiewende zuweisen. Doch aus beschleunigten Absenkungen der Grünstromvergütungen, weniger Ausnahmen der Industrie von der EEG-Umlage, der zwar bleibenden, aber kaum mehr die Inflation übersteigenden Zunahme der Verbraucherstrompreise und einem festgeschriebenen, von allen akzeptierten, langfristigen Ausbaukurs ist (fast) nichts geworden. Jetzt werden die Ausnahmen der Industrie fast nicht geändert. Gabriels Ankündigung einer bis 2020 dennoch nur um 0,2 Cent pro Kilowattstunde steigenden EEG-Umlage ist schon angesichts der gebliebenen Industrierabatte kaum nachvollziehbar. Der Ausbaukurs kann wohl kaum festgeschrieben werden, so lange ein Wechsel zu verpflichtender Direktvermarktung von Grünstrom und Ausschreibungen für neue Energieparks bevorstehen – keiner aber weiß, wie diese organisiert werden. Und schließlich wird die Energiewende bei so viel ungedeckten Schecks und ohne nachvollziehbare Bekenntnisse zum Rückbau auch der Kohleverstromung weiter an Akzeptanz verlieren. Überhaupt regiert vor allem die Kurzfristigkeit: Kurzfristig können sich die Akteure der Windenergie über bleibend gute Vergütungen freuen. Doch was mit dem Beginn der Ausschreibungen ab der nächsten Legislaturperiode eintritt, weiß ja keiner.
Der Kompromiss ist eine Verabredung, die vor allem den Politikern Luft verschafft: Bis zu den nächsten Wahlen und nicht weiter. So ärgerlich dieses Klischee vom bloßen Schielen auf das eigene politische Überleben ist, der Kompromiss bestätigt es. Da liegt der BWE richtig mit seiner Kritik, problematisch sei „der deutliche Schwenk zu Ausschreibungen“, der Bürgerbeteiligung und Rechtssicherheit künftig fraglich erscheinen lasse.
Verbraucherschützer: Verlangsamen hilft (fast) niemand
Genau getroffen hat es hingegen auch der in den Erneuerbaren-Branchen nicht immer beliebte Energiemarktexperte des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, Holger Krawinkel. Der hatte zuletzt noch viel gegen angeblich zu teure Windkraft von der See, zu teuren Solarstrom, unsinnige Biogasförderung oder Überförderungen alter Windparks Stimmung gemacht. Jetzt sagte er im Radiosender Deutschlandfunk: Das Problem an Gabriels zielloser Reform sei, dass sie weiterhin die Verbraucher keineswegs entlaste. Neue Grünstromanlagen hingegen aufzubauen, führten angesichts der vor allem bei Solarstrom schon vorgenommenen eingeleiteten Vergütungssenkungen und der jetzt mit einem Deckel gebremsten Offshore-Windkraft nicht mehr zu Mehrkosten. Denn sie erzeugten Strom ja schon zu denselben Preisen wie neue konventionelle Stromerzeuger. Er habe eher den Eindruck, die Regierung wolle die Energiewende bewusst bremsen, nur um konventionelle Energieversorger zu retten. Es fehle der Mut, in Richtung Erneuerbare zu gehen. Und die Verbraucher würden entmutigt, sich selbst zu versorgen, was einen Wachstumsmarkt von Milliarden Euro vernachlässige.
(Tilman Weber)