Der neue französische Präsident Emmanuele Macron hielt am Freitagmittag eine emotionale Rede. In fast unmittelbarer Reaktion auf die am Morgen durch alle politischen Medien bekannt gegebene Entscheidung des US-Staatschefs Donald Trump bot er den US-amerikanischen Unternehmen sogar an, nach Frankreich zu kommen. Ein Wink wohl an die Unternehmen, die ihr Geschäft beim Ausbau der Erneuerbaren fortsetzen wollen. Sogar US-amerikanische Konzerne wie der Elektro-Auto-Hersteller Tesla und der Unterhaltungskonzern Disney kündigten Trump die Gefolgschaft auf, indem deren Chefs Elon Musk und Robert Iger mitteilten, sie würden dem offiziellen Beratergremium des Präsidenten ab sofort aufgrund der Entscheidung gegen das Klimaabkommen von Paris nicht mehr angehören können. Und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, „nichts kann und werde uns“ aufhalten, weiter den Klimaschutz voranzutreiben.
Allerdings mehrten sich in den Reaktionen nach der Entscheidung Trumps gegen ein weiteres Bekenntnis zum Klimaabkommen und damit verbunden gegen die Umsetzung von „Paris“ noch am selben Tag auch die kritischen Stimmen. So ließ der Kieler Klimaforscher Mojib Latif am Morgen im Deutschlandfunk keinen Zweifel daran, dass er nicht nur den US-Präsidenten kritisieren kann. In den USA komme es nun darauf an, ob Trumps Entscheidung gegen ein Befolgen der Pariser Klimaziele nur eine Episode einer Amtszeit bleibe oder ob auch Nachfolger sich nicht mehr zurückzukehren trauten zum globalen Ziel von höchstens zwei Grad Erwärmung des Klimas im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Erde werde sich ohnehin erwärmen, sagte Latif, da die Zunahme der Treibstoffgas-Emissionen der letzten Jahre erst in den nächsten Jahren noch klimawirksam werde. Hieran ändere auch eine kurzfristige Abkehr der USA vom Klimaschutz nicht viel. „Auf ein paar Jahre kommt es jetzt nicht an.“ Würden die USA aber länger aussteigen, seien die zwei Grad gar nicht mehr zu schaffen. Es komme einerseits auf „kurzfristige Änderungen des Fahrplans“ nicht an. Aber „der grobe Fahrplan, dass wir bis Mitte des Jahrhunderts kohlenstoffneutral sein müssen, der gilt nach wie vor.“
Latif lobte in diesem Zusammenhang, dass die Wirtschaftsmacht China schneller bei der Beendigung der Zunahme ihrer Emissionen vorankomme, als bisher von der Weltgemeinschaft erwartet. Das lasse die Amerikaner nicht mehr so wichtig erscheinen, zumal China inzwischen der größte Emittent von CO2 sei.
Deutschland aber sei „weit hinter seinen Zielen zurückgeblieben“, betont Latif und verweist auf das von Berlin schon seit fast zehn Jahren versprochene Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren im Vergleich zu 1990. „Das wird Deutschland nicht schaffen“, betonte Latif, „und das ist eigentlich auch schon die offizielle Lesart der Bundesrepublik. Und das ist ein fatales Signal. Es reicht nicht immer nur darüber zu sprechen und andere aufzufordern, sondern man muss auch mal selbst was machen, sonst landen wir bei einem gefühlten Klimaschutz. Und der hilft niemanden.“ Der sprichwörtliche mahnende Zeigefinger in Richtung Washington sei daher „überhaupt nicht angebracht“. Dabei sei das deutsche Klimaminderungsziel „überhaupt nicht“ zu ehrgeizig gewesen.
Latif verwies auf die seiner Meinung nach drei Hauptversagensfelder: Die nicht abnehmende Braunkohlenutzung in der Stromversorgung, von der Deutschland einfach nicht loskomme, die hohen Abgasmengen des Verkehrs, wo Deutschland mit der Elektro-Mobilität nicht vorankomme und weiterhin zu viele zu große Autos fahren lasse und die Landwirtschaft. „Alles drei wurde mehrfach von der Umweltministerin angesprochen“. Die SPD-Politikerin Barbara Hendricks, die dieses Amt bekleidet, sei in der Bundesregierung die „einzige Klimaschützerin, zumindest verbal“. Bundeskanzlerin Merkel habe hingegen klimapolitisch versagt – „gerade, was die Mobilität angeht: Wann immer es um Abgasregelungen für Autos in Brüssel geht, dann blockiert sie“, sagte Latif.
Die bei Klimaschützern überwiegend schon bekannten Warnungen vor einem Scheitern der Merkelschen Klimapolitik untermauerte ebenfalls am Freitag auch der Spiegel mit dem Verweis auf Aussagen von „Experten des Umweltbundesamtes“: Um seine Klimaziele noch zu erreichen, helfe Deutschland jetzt sogar nur noch eine To-Do-„Liste des Schreckens“, schrieb die Zeitschrift. So sei laut den Experten nun eigentlich eine „fahrleistungsabhängige Maut für alle Straßenfahrzeuge“ notwendig, die auf der Autobahn 6,5 Cent pro gefahrenen Kilometer betragen würde. Die Autobahnfahrt von Köln nach Berlin würde dann 37 Euro mehr kosten als heute. Bis 2030 müssten außerdem zwölf Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen rollen. Erzielbar wäre die Quote wohl noch durch eine von der Politik vorgegebene Quote für die Autobauer, 2020 rund drei Prozent und 2025 schon 30 Prozent Elektroautos zu verticken. Nach chinesischem Vorbild müssten für Autofirmen, die das nicht erreichten, Strafzahlungen erhoben werden. Außerdem müssten die günstige Besteuerung von Diesel sowie die sogenannte Pendlerpauschale zur steuerlichen Entlastung von Berufspendlern abgeschafft werden.
(Tilman Weber)
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