Zufrieden äußern sich insbesondere der Bundesverband Windenergie (BWE) und der Bundesverband Solarwirtschat(BSW). „Ein wichtiges Bekenntnis zum Fortschrittsprojekt Energiewende“, nannte BWE-Präsident Hermann Albers das am Freitag von den Verhandlungspartnern vorgelegte Einigungspapier. Albers lobte vor allem kurzfristig in Aussicht gestellte zusätzliche und große Volumen an Erzeugungskapazität, für die es nach den Plänen der jetzt sondierten großen Koalition (Groko) weitere Ausschreibungsrunden geben soll.
Das Papier hält hier fest, dass 2019 und 2020 jeweils eine Extra-Auktion die Rechte für eine preislich garantierte 20-jährige Vergütung von jeweils 2.000 Megawatt (MW) weiterer Windparkprojekte versteigern soll. Dasselbe verspricht das Papier auch für Photovoltaik-Parks. Außerdem verspricht es noch eine Sonder-Ausschreibungsrunde für Offshore-Windparks, ohne allerdings etwas zu deren Umfang zu klären. Die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) schon vorgeschriebenen jährlichen Ausschreibungsvolumen von 2.800 MW Windkraft beziehungsweise 2.000 MW Photovoltaik (PV) stellt das Papier hingegen nicht in Frage. Ob es bei den somit auf jährlich 4.800 MW ausgeweiteten Ausschreibungsvolumen für neue Windparks an Land und auf jährlich 2.600 MW sogar mehr als vervierfachten Kapazitäten für größere PV-Parks in dem Zeitraum 2019 bis 2020 bleibt, oder ob die zuständige Bundesnetzagentur auch nach 2020 größere Volumen ausschreiben darf, bleibt zunächst offen. Immerhin heißt es in dem Sondierungspapier mit Verweis auf weitere Energiewende-Anstrengungen bis 2030: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss deutlich erhöht werden.“
„Die Anhebung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien ist nicht nur klimapolitisch, sondern auch industriepolitisch ein wichtiges Signal“, lobt BWE-Präsident Albers angesichts der soweit bereits fixierten Groko-Absichten. „Insbesondere unserer fest im deutschen Maschinen- und Anlagenbau verankerten Branche zeigt das“, so lobt er das nach Meinung des BWE für die Windturbinenindustrie vom Groko-Sondierungspapier ausgehende Signal, „dass die Politik die Bedeutung des internationalen Wachstumsmarktes für Erneuerbare Energien erkannt hat. Der deutsche [Windenergie-]Markt wird bei einem so justierten Ausbau weiter Motor für die technologische Entwicklung in der Welt sein. Dies sichert unseren Unternehmen wichtige Exportchancen.“
Auch BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig begrüßt die Einigung in Berlin. Zugleich verweist der PV-Lobbyist allerdings auf die ausgebliebene klare Perspektive für die Unternehmen seiner Branche. So moniert er das Fehlen konkreter Zusagen zur sogenannten Sektorenkopplung. Hierzu stellt das Papier zwar in Aussicht stellt, dass eine Groko die Potenziale der sogenannten Sektorenkopplung auch künftig nutzen lassen wolle und unterstützen werde, dass Ökostrom künftig auch für Treibstoffe im Verkehr sowie Heizmaterialien in der Wärmeversorgung ersetze. Es gehe auch darum, heißt es in dem Ergebnispapier der Sondierer wörtlich „den zusätzlichen Strombedarf zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehr, in Gebäuden und in der Industrie zu decken“. Wie viel und ab wann oder gar durch welche politisch und finanziell geförderten Maßnahmen dieser Ökostrom den Erneuerbaren-Anteil in den Energie-Verbrauchssektoren Wärme und Verkehr erhöhen wird, steht nicht im Sondierungspapier.
„Was … leider noch aussteht, ist ein klares Aufbruchssignal und Bekenntnis zur Neuen Energiewelt mit ihren enormen Chancen für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, verbreitete daher BSW Solar noch am Freitag. „Mit Homöopathie ist dem Klimaproblem nicht beizukommen. Die Energiewende darf nicht länger halbherziges Stückwerk bleiben. Eine Verständigung auf wesentliche wirksame Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaziele in allen Sektoren muss im Rahmen von Koalitionsverhandlungen dringend nachgeholt werden.“ Und im Hinblick auf von den Groko-Sondierern in Aussicht gestellte Experten-Gesprächsrunden, in denen Schwarz-Rot ausstehende Entscheidungen etwa zu einem Ausstieg aus der Kohlekraft-Nutzung 2019 klären will: „Die geplanten „Kommissionen“ werden dies allein nicht leisten können“. Wichtig sei vor allem eine baldige Vervielfachung der Solarenergie-Nutzung im Wärme-, Strom- und Mobilitätssektor, findet BSW-Solar.
Auch Umweltverbände entdecken Licht und Schatten im Sondierungspapier. So schreibt Greenpeace zur Zusage, dass Union und SPD das freiwillige Klimaziel Deutschlands von 40 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2020 so weit wie möglich einhalten wollen – um dafür 2030 das bisherige Klimaziel auf eine CO2-Reduktion um 65 Prozent zu erhöhen: Es sei „ermutigend, dass Union und SPD Deutschlands internationale Zusagen im Klimaschutz einhalten wollen. Damit ist die zentrale energiepolitische Aufgabe für die folgenden Koalitionsgespräche klar: Der Koalitionsvertrag muss einen konkreten Plan enthalten, wann welches Kohlekraftwerk vom Netz geht. Nur wenn die kommende Bundesregierung schnell eine Reihe der schmutzigsten Kohlekraftwerke abschaltet, wird sie das 2020-Ziel einhalten.“ Das Bekenntnis bedeute auch, „dass die Koalitionäre bei ihren bislang völlig ambitionslosen Plänen in der Verkehrspolitik deutlich nachbessern müssen“.
Das Wirtschaftsbündnis sich zur Energiewende bekennender Unternehmen Stiftung 2 Grad gibt sich derweil skeptischer. Besonders gilt diese Skepsis offenbar der vagen Aussage aus dem Groko-Sondierungspapier, das Klimaziel für 2020 beim Klimawandelverursacher CO2 anders als zuletzt aus den Verhandlungsrunden durchgesickert nicht ganz aufgeben zu wollen. In dem Papier heißt es wörtlich: „Wir bekennen uns zu den Klimazielen 2020, 2030 und 2050. Die Handlungslücke zur Erreichung des Klimaziels 2020 wollen wir so schnell wie möglich schließen.“ Die Vorständin der 2-Grad-Stiftung, Sabine Nallinger, betont daher unbeirrt: „Die angekündigte Beerdingung des 2020-Ziels ist und bleibt ein fatales Signal. Die Vereinbarungen der Sondierer zum Klimaschutz, die jetzt auf dem Tisch liegen, sind absolut unbefriedigend. Die Zaghaftigkeit und Mutlosigkeit von Union und SPD zeigt, dass die Wirtschaft nicht auf die Politik warten darf, wenn es darum geht, beim Klimaschutz voranzukommen und so die Innovationskraft zu stärken, die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit und die Modernisierung der deutschen Wirtschaft sicherzustellen.“ Nallingers Forderung an die Energiewende-Unterstützer in der deutschen Wirtschaft lautet daher, „umso wichtiger“ sei es, „dass sich Unternehmen zu starken Allianzen für einen ambitionierten Klimaschutz zusammenfinden“.
Die Umweltschutzorganisation WWF fokussiert ihre Kritik hingegen mehr auf allgemeine Umweltschutzpolitik-Versprechen und zeigt sich fast komplett enttäuscht: „Wieder einmal werden Antworten auf wichtige Zukunftsfragen ausgeblendet, das wird schon in der Präambel ersichtlich: Kernprobleme der Menschheit wie die Erderhitzung und der Verlust der biologischen Vielfalt spielen dort keine Rolle“, sagt Eberhard Brandes, Geschäftsführender Vorstand beim WWF Deutschland. „Die Parteien haben ihre Chance vertan, einen Richtungswechsel anzustoßen.“ Positiv seien einzig die Vorschläge zur Einführung eines Klimaschutzgesetzes, die grundsätzlich in Aussicht gestellte Abkehr von Glyphosat, und ein Aktionsprogramm für den Insektenschutz.“
Beim Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) drängt der Geschäftsführer hingegen auf eine schnelle Umsetzung der in Aussicht gestellten Groko-Politik: „Nun ist es sehr wichtig, dass zügig umfassende Maßnahmen getroffen werden, um möglichst schnell hohe Treibhausgaseinsparungen zu erzielen. Nur so lässt sich das Klimaschutzziel 2020 noch erreichen“, sagt BEE-Geschäftsführer Peter Röttgen.
(Tilman Weber)