Die Aufgabe ist denkbar komplex: Der Entwurf einer Energieinfrastruktur für eine CO2-freie Zukunft. Das Problem: Verschiedene Wege führen zum Ziel. Stromtrassen können das Land dicht an dicht überziehen. Oder stattdessen würden Batterie-Großspeicher so massiv eingesetzt, dass gar keine weiteren Stromnetze nötig wären. Oder wir speichern überschüssige Energie aus Erneuerbaren konsequent vor allem in Elektrolyseuren. Der grüne Wasserstoff würde über Gasleitungen transportiert. Wahrscheinlich wird es eine Mischung aus diesen Varianten, aber dabei spielen politische Entscheidungen eine Rolle. Entscheidungen, die getroffen werden müssen, um Investitionssicherheit zu geben.
Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) hat im Rahmen der Dena-Netzstudie III untersucht wie Deutschlands Energieinfrastrukturplanung weiterentwickelt werden muss, um den Anforderungen auf dem Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem gerecht zu werden. Die Ergebnisse wurden jetzt in einem Abschlussbericht veröffentlicht.
„Eine integrierte Energieinfrastrukturplanung ist entscheidend für eine erfolgreiche sektorenübergreifende Energiewende“, sagt Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Dena. „Die verschiedenen Energienetze dürfen nicht länger basierend auf unterschiedlichen Annahmen geplant werden.“ Es bedürfe einer gemeinsamen Grundlage, die das große Ganze und vor allem auch die Klimaziele für das Jahr 2045 in den Blick nimmt. „Die Dena-Netzstudie III zeigt, wie diese Grundlage in einem transparenten und partizipativen Prozess geschaffen werden kann. Diese Weiterentwicklung hin zu einer integrierten Energienetzplanung, die das ganze System in den Blick nimmt, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität“, sagt Andreas Kuhlmann. Kern der Empfehlungen sei die Weiterentwicklung der bestehenden, voneinander bisher unabhängigen Planungsprozesse hin zu einer integrierten Planung.
Dazu empfiehlt die Dena-Studie einen Systementwicklungsplan einzuführen, der den heutigen Netzentwicklungsplänen vorgelagert ist und diese so auf eine gemeinsame, auf das Ziel der Klimaneutralität ausgerichtete Grundlage stellt. Zusätzlich zeigt die Studie, wie die aktuellen Planungsprozesse weiterentwickelt werden sollten und wie die erforderlichen Innovationen bei der Netzplanung noch besser berücksichtigt und nutzbar gemacht werden können.
Die Studie liefert immerhin einen detaillierten Vorschlag, wie die in der Eröffnungsbilanz Klimaschutz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vorgeschlagene Systementwicklungsstrategie umgesetzt werden kann. Die Umsetzung dürfte trotzdem schwierig werden. Damit ein Systementwicklungsplan diese Funktionen erfüllen kann, müssen die Ergebnisse politisch und gesellschaftlich legitimiert sein. Das soll laut Dena unter anderem dadurch gelingen, dass eine breit angelegte öffentliche Beteiligung entsteht, die durch eine prozessbegleitende Stakeholder-Plattform, einen Bürgerdialog und eine öffentliche Konsultation umgesetzt wird.
Die Ergebnisse des Plans müssen vor allem hinreichend politisch legitimiert sein, damit er seine Leitwirkung für die darauf aufbauenden Infrastrukturplanungsprozesse entfalten kann. „Der Systementwicklungsplan (SEP) sollte im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) verankert werden. Im Gesetz sollten der SEP und die Bedeutung für die Folgeprozesse definiert und der Prozess beschrieben werden: SEP als vorgelagerter Planungsschritt zu den NEPs; Wiederholung mindestens alle vier Jahre; Zeithorizont des SEP, zum Beispiel Zieljahr 2045; Verpflichtung der Regierung, sich mit den Ergebnissen des SEP auseinanderzusetzen und verbindliche Ankerpunkte für die darauf aufbauenden Infrastrukturplanungsprozesse abzuleiten.“ heißt es in der Studie.
Auch die Infrastrukturplanung im Verteilnetz sollte in Zukunft integriert erfolgen und die Netze für Strom, Gas bzw. Wasserstoff und Wärme gemeinsam in den Blick nehmen. Die Ergebnisse eines Systementwicklungsplans können dabei als Orientierung genutzt werden, um eine konsistente Gesamtstrategie für die Entwicklung der Transport- und Verteilnetze sicherzustellen.
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Die unterschiedlichen lokalen Gegebenheiten erfordern jedoch individuelle Lösungen, die nur durch eine integrierte Planung auf lokaler Ebene gefunden werden können. Der Systementwicklungsplan sollte zudem um einen Innovationsdialog ergänzt werden, um Innovationen für die Energienetze besser zu nutzen. Dadurch können zukünftige Entwicklungen früh erkannt, gefördert und in der Planung berücksichtigt werden. Zusätzlich nimmt die Dena-Netzstudie III die Einflüsse des Marktdesigns auf den Infrastrukturbedarf in den Blick und betrachtet verschiedene Möglichkeiten, wie bei der Ausgestaltung eines zukünftigen Marktdesigns auch netz- und systemdienliche Aspekte berücksichtigt werden können. „Die Dena-Netzstudie III ist in einem breit angelegten Stakeholder-Prozess zusammen mit Netzbetreibern, zuständigen Behörden, Verbänden, Zivilgesellschaft und der Politik entstanden. Ich möchte mich ganz herzlich bei allen Partnerinnen und Partnern für ihre intensive Mitwirkung an der Studie bedanken. Durch ihr Engagement wurde es möglich, einen Vorschlag für die Weiterentwicklung unserer Planungsprozesse auszuarbeiten, der den Anforderungen der kommenden Transformation gerecht wird“, erklärte Kuhlmann.
Ausgangspunkt für die Dena-Netzstudie III waren die Erkenntnisse der ersten Dena Leitstudie „Integrierte Energiewende“ und die Festlegung zur Einführung einer integrierten Energienetzplanung im Koalitionsvertrag der letzten Bundesregierung. Bestätigt wurde die Erfordernis auch im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung und in der Eröffnungsbilanz des Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck, in der die Ausarbeitung einer Systementwicklungsstrategie in Aussicht gestellt wird.