Energiegenossenschaften haben es immer schwerer, ihre Projekte umzusetzen. Deshalb werden auch immer weniger solcher Genossenschaften gegründet, um weitere Ökostromanlagen oder Nahwärmenetze umzusetzen. Die Erfahrungen aus den Ausschreibungen für Solarparkleitung in den vergangenen beiden Jahren hat gewirkt. Die Bundesregierung hat die Genossenschaften mit ihrer Politik aus dem Markt gedrängt. Die Bürger haben keinerlei Chance mehr, eigene Projekte umzusetzen. Zu Recht hebt allerdings der Präsident der Bundesnetzagentur Jochen Homann hervor, dass große Prjektierer die Anlagen zwar errichten und in den Ausschreibungen mitbieten und auch erfolgreich sind. „Es sollte zwischen der ‚Bietervielfalt‘ und der ‚Betreibervielfalt‘ unterschieden werden“, betont er. „Im Markt für Freiflächenanlagen beobachten wir traditionell eine starke Rolle der spezialisierten Projektierungsfirmen. Dass diese auch in den vergangenen Runden äußerst präsent waren, überrascht daher nicht. Nicht immer treten die Projektierer später aber auch als Betreiber einer Anlage auf. Häufig wird die in Betrieb genommene Anlage schnell weiter verkauft. Das geschieht meist an denjenigen, für den der Projektierer von Anfang an ein Projekt vorantreibt. Aus welchem Akteursspektrum diese Käufer stammen, lässt sich nicht an der Rechtsform des erfolgreichen Bieters festmachen.“
Kaum neue Energiegenossenschaften
Wie viele neue Projekte Energiegenossenschaften tatsächlich betreiben, bleibt bisher noch ungeklärt. Allerdings zeigen die nackten Zahlen, dass das genossenschaftliche Engagement an der Energiewende keine Beschleunigung erfährt, wie die Jahresumfrage Energiegenossenschaften des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes (DGRV) zeigt, die dieser zusammen mit der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) in Berlin vorgestellt hat. Im vergangenen Jahr wurden gerade mal 40 neue Energiegenossenschaften gegründen – ein Rückgang um 25 Prozent. Zumal dieser Rückgang von einem ohnehin schon niedrigem Ausgangslevel startet. Ein Jahr zuvor waren es zwar noch 54 neue Energiegenossenschaften, die der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeinsenverband (DGRV) registrierte. Doch hatte sich schon damals die Zahl der energiegenossenschaftlichen Neugründungen mehr als halbiert. Von 129 auf 54 rasten die Neumeldungen in den Keller. Diese Zahlen sind schlecht, zumal ein großer Teil der Neugründungen auf die Planung von neuen Projekten zurückgeht und die bereits bestehenden Genossenschaften nur zum Teil auch neue Anlagen bauen.
Grenzen für Photovoltaik beschränken Genossenschaften
Der DGRV sah damals schon einen erheblichen Grund in der Tatsache, dass die Teilnahme an Ausschreibungen von Photovoltaikprojekten – immerhin ein Stammsegment der Energiegenossenschaften – als aussichtslos angesehen wurde. Auch den Rückgang in diesem Jahr schreibt er diesem Griund zu. „Die Boomjahre sind erst einmal vorbei“, erklärt Eckhard Ott, Vorstandsvorsitzender des DGRV. „Vor allem die wirtschaftlichen Grenzen für neue Photovoltaikprojekte schränken die Aktivitäten der Energiegenossenschaften deutlich ein. Mit der Einführung von Ausschreibungen wird nun eine weitere Hürde für die Bürgerenergie geschaffen“, kritisiert er mit Blick auf den Plan der Bundesregierung, jetzt der Windenergie einen ähnlichen Dämpfer zu versetzen. Unter dieser Prämisse wird auch der Rückgang des Engagements der Genossenschaften beim Bau von Windkraftanlagen verständlich.
Akteursvielfalt nicht mehr gegeben
Ott verweist auf die Erfahrungen aus den ersten vier Photovoltaikausschreibungen. Dort wird die Akteursvielfalt schon lange nicht mehr gewährleistet – zumindest was das Bieterverfahren betrifft. Von den 647 insgesamt eingegangenen Geboten wurden gerade mal elf von Energiegenossenschaften eingereicht. Das sind magere 1,7 Prozent. Bei der gebotenen Leistung wird die Zurückhaltung der Genossenschaften noch deutlicher. Sie sind mit nur 0,44 Prozent der insgesamt angebotenen Leistung vertreten. Es ist vor allem die Hürde, das Risiko einzugehen, ein Projekt überhaupt zu entwickeln und damit in das Gebotsverfahren zu gehen, das die Akteursvielfalt drastisch einschränkt. Denn wenn die Genossenschaften an den Ausschreibungen teilnehmen, sind sie nicht mehr und nicht weniger erfolgreich als die anderen Bieter.
Schlecht für den Zubau
So haben von diesen elf Anlagen in den gesamten Ausschreibungen nur zwei eine Marktprämie gewonnen. Das sind 1,63 Prozent aller 122 erfolgreichen Gebote und damit ein noch geringerer Anteil als an den Geboten selbst. Doch die Chancen, bei den Ausschreibungen erfolgreich zu sein, lagen rein rechnerisch bei gut 18 Prozent. Da waren die anderen Bieter nur unwesentlich erfolgreicher. Diese Zahl ist allerdings ein entscheidendes Argument gegen die Ausschreibungen. Denn entscheidend ist nicht die Zahl der Anlagen, die eine Einspeisevergütung gewonnen haben, sondern die Anlagen, die dann nicht gebaut werden, weil sie keinen Einspeisetarif gewonnen haben.
Die Leistung zählt für die Energiewende
Zudem können die Energiegenossenschaften ihre Gebote nicht einfach über die reine Größe der Anlage niedriger gestalten. Sie gehen immer wieder vor allem mit kleineren Anlagen ins Rennen, was sie deutlich benachteiligt. Die beiden erfolgreichen Genossenschaften waren mit ihren Anlagen nicht allein auf die Vergütung des eingespeisten Stroms angewiesen, sondern haben für die Wirtschaftlichkeit der Anlage noch ein zweites Standbein gefunden, um den Gebotspreis zu drücken. An dieser Stelle zeigt sich die Benachteiligung der Energiegenossenschaften bei den Ausschreibungen. Denn letztlich geht es mit Blick auf die dezentrale Energiewende nicht um die Anzahl der Anlagen, sondern um die gebaute Leistung und den damit erzeugten Strom. Hier sind die Energiegenossenschaften deutlich im Nachteil. Von den gebotenen gut 2,374 Gigawatt Anlagenleistung haben die elf Energiegenossenschaften nur 0,44 Prozent ins Rennen geworfen. Gewonnen haben sie aber nur mit 0,22 Prozent der gesamten Anlagenleistung, die über die Ausschreibung eine Vergütung bekommt. Die beiden erfolgreichen Energiegenossenschaften werden weniger als 1,5 Megawatt Leistung errichten, während die anderen erfolgreichen Bieter mit Anlagen mit einer Gesamtleistung von fast 650 Megawatt gewonnen haben. Hier ist die Erfolgsquote der Genossenschaften im Vergleich zu den anderen Bietern nur halb so hoch.
Blickwinkel erweitern
Zumal die Ausschreibungen selbst nicht berücksichtigen, ob die Anlagen dort gebaut werden, wo der Strom auch abgenommen wird, oder ob sie weit ab von Stromverbraucher errichtet werden. Dort sind zwar die Flächen billig, aber es werden dann wieder Netzkapazitäten notwendig, die über den Einspeisetarif nicht abgebildet werden. Hier würde eine Gewichtung jenseits des reinen Preises viel sinnvoller als die Beschränkung der Bundesregierung auf einen reinen betriebswirtschaftlichen Blick auf die Dinge.
Kooperation mit großem Partner
Der DGRV und die AEE sehen aus diesem Grund auch die Einführung von Ausschreibungen für Windkraftanlagen sehr kritisch – trotz der vom Gesetzgeber vorgesehenen geringfügigen Ausnahmeregelung, dass Bürgerenergiegenossenschaften in einer früheren Planungsphase in die Ausschreibungen gehen können. Damit würde sich das Risiko zwar verringern, aber es wird nicht ganz vermieden. Die eigentliche Hürde für die Genossenschaften bleibt. Eckhard Ott sieht darin sogar ein größeres Risiko. „Nach einem Zuschlag zum frühen Planungszeitpunkt kann das Projekt im weiteren Prozess bis zur Genehmigung aus unterschiedlichen Gründen scheitern“, erklärt er. „Dann würde die Bürgerenergiegesellschaft unverschuldet ihre Planungskosten verlieren und müsste zusätzlich noch eine Strafe zahlen.“ Das können bis zu 45.000 Euro pro Anlage sein. Deshalb fordert der DGRV, dass bezuschlagte Gebote von Bürgerenergiegesellschaften zu einem späteren Zeitpunkt ohne Strafzahlungen zurückgegeben werden können. Chancen für die Energiegenossenschaften im Bereich Windenergie sieht der DGRV vor allem in einer Kooperation mit größeren Marktteilnehmern oder im Kauf von Windprojekten, um das Risiko der Ausschreibungen zu umgehen.
Bagatellgrenze könnte Wirkung zeigen
Für die Photovoltaik sieht der Verband größere Chancen als in den vergangenen beiden Jahren. Zwar will die Bundesregierung jetzt auch Dachanlagen in die Ausschreibungen einbeziehen. Doch das trifft vor allem gewerbliche Investoren. Die Vorteile für die Energiegenossenschaften, die sich ergeben könnten, ist ihre Stärke, kleinere Projekte umzusetzen. Denn Berlin wird eine Bagatellgrenze von 750 Kilowatt Anlagenleistung einführen, bis zu der Anlagen einen Einspeisetarif über das EEG bekommen. Zwar ist hier zu kritisieren, dass diese Bagatellgrenze von ursprünglich einem Megawatt auf die 750 Kilowatt gesunken ist. Doch gilt sie immerhin auch für Freiflächenanlagen. So sieht der DGRV Chancen für neue kleine Photovoltaikanlagen, zumal die Aussichten auf einen Anstieg der EEG-Vergütung angesichts des schwächelnden Zubaus sehr gut stehen.
Gabriel will keinen Solarstrom für Mieter
Weitere Möglichkeiten für die Genossenschaften sieht der DGRV in Anlagenpachtmodellen und in der direkten Belieferung von Stromkunden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Unter guten Randbedingungen was die Netzkosten angeht sind sogar Mieterstromprojekte wirtschaftlich möglich. Besser wäre hier allerdings, wenn die EEG-Umlage auf den direkt gelieferten Solarstrom nur 40 Prozent betragen oder sogar ganz wegfallen würde. Das könnte zu einem regelrechten Dammbruch im Segment Mieterstrom führen. Diesen Damm will Sigmar Gabriel aber mit aller Macht halten. Er lehnt es ab, die Mieter an der Energiewende teilhaben zu lassen, mit dem schon aus vorangegangenen EEG-Novellen bekannten fadenscheinigen Argument, es würden diejenigen Mieter benachteiligt, deren Vermieter ihnen keinen Solarstrom vom eigenen Dach anbietet.
EEG-Novelle im Eiltempo
Die Bedingungen für die Energiegenossenschaften und die Beteiligung der Bürger bleiben durchwachsen. Das wird sich durch die geplante EEG-Novelle und auch durch die von den Koalitionsfraktionen im Bundestag vorgenommenen Änderungen am eigentlichen Gesetzentwurf nicht ändern. Dieser wurde vom Wirtschafts- und Energieausschuss gegen die Stimmen der Opposition, die den 412-seitigen Änderungsvorschlag eine Stunde vor Sitzungsbeginn bekommen hat, durchgewinkt. Abgesehen vom schlechten Stil im Umgang mit der Opposition steigt durch ein solches Eiltempo das Fehlerrisiko. (Sven Ullrich)