Hessen will die Länderöffnungsklausel des EEG nutzen und benachteiligte landwirtschaftliche Flächen für den Bau von Solarparks freigeben. Das hat der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW Solar) vermeldet. Der Branchenverband sieht hier die Chance, dass der Preis für Solarstrom auch in Zukunft weiter sinkt. Denn die Begrenzung auf Konversionsflächen treibt die Installationskosten in die Höhe. Schließlich müssen solche Flächen erst erschlossen und vorbereitet werden. Meist gilt es dann noch bestimmten Regeln einzuhalten. So sind alte Mülldeponien nicht einfach zu bebauen, da hier besondere Vorkehrungen zur Flächenversiegelung getroffen werden müssen.
Auch ehemalige Militärgelände sind oftmals vorbelastet und müssen für die Installation einer Solaranlage erst vorbereitet werden. Das alles gilt für landwirtschaftliche Flächen nicht. Diese können ohne große Vorarbeiten bebaut werden. Das senkt natürlich die Kosten für die Vorarbeiten und damit für den Solarstrom, der später erzeugt wird. Die länderübergreifende Ausschreibung hat gezeigt, dass landwirtschaftliche Flächen gegenüber Konversionsflächen einen riesigen Vorteil haben. Denn damals, als deutsche und dänische Projekte um die Marktprämie wetteiferten, gingen alle Zuschläge an den nördlichen Nachbarn. Zwar gab es dort auch steuerliche Vorteile. Doch der größte Vorteil, den die Dänen hatten, waren die preiswert zu bebauenden landwirtschaftlichen Flächen.
Mehr als die Hälfte der Zuschläge für Ackerflächen
Auch in Bayern hat sich die Freigabe von benachteiligten Ackerflächen bewährt. Anders als in den Jahren vor der Freigabe einer begrenzten Ackerfläche für den Bau von Solarparks pro Jahr gingen die Zuschläge in den Ausschreibungen nicht mehr in den Osten der Republik, wo die Projektierer bisher die an preiswerte Flächen gekommen sind. Vielmehr haben die Projektierer sofort nach der Freigabe von Ackerflächen entsprechende Gebote eingebracht. Allein in den beiden letzten Ausschreibungen des Jahres 2017 nach der Zulassung von Ackerflächen gingen für diese Kategorie 89 Gebote in dieser Kategorie ein. Das ist gut ein Drittel aller Gebote. Aber mit fast 54 Prozent ging die Mehrheit der Zuschläge an Projekte, die auf landwirtschaftlichen Flächen umgesetzt werden. Allein diese Zahlen zeigen: Wenn es allein um den Preis geht, sind die Ackerflächen im Vorteil.
Mit der Freigabe von Ackerflächen könnte auch Hessen von diesem Vorteil profitieren. Allerdings ist hier Vorsicht geboten. Denn in Baden-Württemberg, wo es auch erlaubt ist, ein bestimmtes jährliches Kontingent an Ackerflächen mit Solaranlagen zu bebauen, haben die Projektierer im Jahr 2017 nur zwei Zuschläge bekommen. Der größte Teil der Anlagen auf Ackerflächen wird also in Bayern gebaut.
Der Preis entscheidet
Da taucht natürlich die nächste Frage auf. Sollte es allein um den Strompreis gehen? Mit Blick auf den Verbraucher und das EEG-Konto ist das sogar ein Muss. Doch mit Blick auf die Energiewende und die Kosten der Stromerzeugung und vor allem der Verteilung relativiert sich das schon wieder. Denn der Strom aus Solarparks weit ab vom Verbraucher muss transportiert werden. Das kostet Geld, das bisher nicht mit in die Stromkosten derjenigen eingepreist wird, die die Energie nutzen. Vielmehr belastet es diejenigen, die in den Regionen leben, in denen der Strom produziert wird und die ihn gar nicht komplett verbrauchen können. Die Bewohner in Brandenburg und Mecklenburg können ein Lied von hohen Netzkosten singen.
Zwar ist die Photovoltaik inzwischen die preiswerteste Technologie zur Stromerzeugung und er muss noch preiswerter werden. Doch der Preisdruck im Kampf gegen andere Technologien wird geringer, wenn zum einen die Folgekosten von Kohle- und Atomstrom endlich fair mit eingepreist werden und zum anderen das Strommarktdesign auf die erneuerbaren Energien abgestimmt wird.
Bauernverband will Flächenverbrauch beschränken
Denn die Bauernverbände sind gar nicht so richtig glücklich mit der Freigabe von Ackerflächen. Für die einzelnen Landwirte ist es zwar wirtschaftlich, die Ackerflächen für den Bau von Solarparks zu verpachten, statt sie mit geringem Ertrag zu bäuerlich bewirtschaften. Doch insgesamt fehlen diese Flächen dann auf dem Markt. Damit steigt das Risiko, dass die Preise für die anderen Ackerflächen in die Höhe schnellen und damit die Landwirte in finanzielle Bedrängnis kommen. Die jährliche Versiegelung von Flächen sei in Deutschland ohnehin mit 74 Hektar pro Tag extrem hoch. Das werde durch die Freigabe für Solarparks noch weiter angeheizt. Schließlich sei das Ziel, den Flächenverbrauch auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren, betont der Deutsche Bauernverband (DBV). Er will den Freiflächenausbau auf schon versiegelte und Konversionsflächen begrenzt sehen.
Schließlich brauchen wir auch in Deutschland Solarparks. Denn bis zum Jahr 2040 ist eine installierte Solarstromleistung von 300 Gigawatt notwendig, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu beschränken. Das zumindest hat Volker Quaschning, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin, ausgerechnet. Selbst die vom Fraunhofer ISE berechneten 200 Gigawatt Photovoltaikleistung, die gebraucht werden, um die Energiewende zu stemmen, sind allein mit Dachflächen kaum erreichbar. Eine Studie der Bundesregierung gibt das Potenzial an Dachflächen mit 150 Gigawatt an, wenn die Flächen nicht auch noch teilweise für Solarthermieanlagen genutzt werden.
Ohne Solarparks geht es nicht
Damit sind Freiflächen unumgänglich. Die Frage ist nur, wie viele brauchen wir und können diese allein mit schon versiegelten oder Konversionsflächen abgedeckt werden. Die Bundesregierung gibt die Fläche, die ohne Restriktionen mit Solarparks bebaut werden könnte, mit 3.000 Quadratkilometer an. Darauf könnten Module mit einer Gesamtleistung von 143 Gigawatt installiert werden. Auf diese Weise könnte selbst das sportliche Ziel von Volker Quaschning fast ohne Ackerflächen erreicht werden. Voraussetzung ist allerdings, dass alle Dachflächen für die Photovoltaik genutzt werden. Das wiederum haben die beiden letzten Bundesregierungen verhindert und auch die jetzige Regierung setzt nichts daran, dass sich das ändert. Auf diese Weise werden wir um die Nutzung von Ackerflächen für den Bau von Solarparks nicht herum kommen. Eine Begrenzung auf benachteiligte Flächen ist da auf jeden Fall sinnvoll. (Sven Ullrich)