Auf den vollständig zum Erliegen gekommenen Netzausbau hatte jetzt das Nachrichtenportal Spiegel Online aufmerksam gemacht. Die Internetsparte des gleichnamigen Wochen-Politmagazins hatte darauf hingewiesen, dass bis 2015 eigentlich der Bau von 23 neuen Leitungen geplant war – 1855 Kilometern an neuen Trassen im Hochspannungsübertragungsnetz. Erreicht wurden davon bisher aber nur 268 Kilometer – 14,5 Prozent. Schätzungen zufolge werden bis 2016 nur 50 Prozent des ursprünglich geplanten, und von der Bundesregierung als unverzichtbar bezeichneten, Netzausbaus erreicht. Spiegel Online bezieht sich dabei auf einen angeblich aktuellen Monitoring-Bericht der Bundesnetzagentur.
Die Bundesnetzagentur widerspricht zwar auf Nachfrage von ERNEUERBARE ENERGIEN der vom Spiegel genannten Quelle: Ein Monitoringbericht liege in der Form noch nicht vor. Es existiere lediglich ein Vorhabenkatalog. Die Zahlen sind allerdings korrekt, wie die Netzagentur bestätigt – mit Ausnahme eines Details: laut dem 2009 vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen (EnLAG) war die Planung des Ausbaus ursprünglich bis 2020 einkalkuliert. Erst 2011 wurde ein Netzausbaubeschleunigungsgesetz verabschiedet, das die Vorgaben geändert hat. Die Länder halten sich in ihrer Planung jedoch weiterhin an das EnLAG, da eine Beschleunigung nicht realisierbar sei. Insofern gelten die vom Spiegel heran gezogene Planung und der darauf bezogene Rückstand offenbar als umstritten. Die Bundesagentur wehrt sich gegen Vorwürfe man sei hinten dran, bei der Realisierung sei alles im grünen Bereich. Auch wenn der Ausbau in diesem Jahr aufgrund von Verzögerungen bei der Zusammenarbeit verschiedener Behörden und Einsprüchen von Bürgern stockt.
Thüringer Strombrücke ab 2016 gebraucht
Der Engpass droht nun tatsächlich Ende 2015, wie der Spiegel-Online-Bericht warnt. Dann soll das ertragsstarke Atomkraftwerk Grafenrheinfeld, nahe Schweinfurt, vom Netz genommen werden. Ersetzt werden soll die Stromversorgung der Nordbayern und Franken sowie ihrer Industriezentren dann durch Wind- und Solarstrom über die so genannte Thüringer Strombrücke: ein 210 Kilometer langes Höchstspannungskabel zwischen Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) und Redwitz (Bayern), das den grünen Strom vor allem aus Mecklenburg-Vorpommern aber auch Brandenburg und Sachsen-Anhalt nach Süden bringen muss. Wird die Strombrücke nicht pünktlich fertig, muss der Strom aus anderen Regionen geliefert, beziehungsweise aus der für den Winter 2015/2016 geplanten Reserverkraftwerkskapazität angezapft werden.
Die Meinungen über die Realisierbarkeit dieses Projektes gehen auseinander. Doch Volker Kamm, Pressesprecher der 50 Hertz Transmission GmbH, Verantwortlicher für den Ausbau, gibt sich optimistisch: „Im ersten Streckenabschnitt hatten wir es mit 1300 Einwendungen zu tun, das hält auf. Im zweiten waren es nur noch 130. Wenn niemand klagt, werden wir unser Ziel erreichen.“
(Sina Grasshof)