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Energiegenossenschaften

Vier Baustellen für mehr Bürgerbeteiligung

In den vergangenen Jahren boomte die Neugründung von Energiegenossenschaften. Inzwischen bläst den Genossenschaften aber aus allen Richtungen der Wind ins Gesicht. Daran kann auch die Erleichterungen im Rahmen des Kleinanlegergesetzes nichts ändern. „Wir haben in den ersten fünf Monaten dieses Jahres vier neue Genossenschaften betreut, eine fünfte läuft gerade an“, erklärt Ralf W. Barkley, Vorstandsvorsitzender des Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverbandes (RWGV). Die Zahlen sprechen für sich. Im Jahr 2011 betreute der RWGV immerhin noch 22 neue Energiegenossenschaften. Ein Jahr später waren es nur noch 17 Neugründungen, die der RWGV registrierte. Im Jahr 2013 sank die Zahl der Neugründungen auf 14 und im vergangenen Jahr starteten in der Region nur noch acht neue Energiegenossenschaften mit ihren Projekten. Das Problem: Die Energiegenossenschaften leiden unter mangelnder Planungssicherheit.

1. Bund und Länder müssen Bedingungen verbessern

Dabei ist das Interesse der Bürger groß, sich im Rahmen der Energiewende zu engagieren. Der RWGV hat eine Umfrage unter seinen Energiegenossenschaften durchgeführt. „Die Ergebnisse zeigen, dass viele Menschen, die einen Beitrag zum Ausbau von erneuerbaren Energien leisten wollen, durch die aktuelle Energiepolitik tief verunsichert sind“, fasst Barkley die Zahlen zusammen. „Dies erklärt, warum sich die positive Entwicklung zur Gründung von Energiegenossenschaften in den letzten beiden Jahren so verlangsamt hat.“ Der RWGV warnt davor, dass die wesentlichen Ziele der Energiewende gefährdet sind. Selbst wenn der Ausbau auf anderer Ebene weitergeht, leidet die Akteursvielfalt durch die Hürden, die den Energiegenossenschaften und damit der Bürgerbeteiligung in den Weg gebaut werden. Dadurch wird auch die Akzeptanz zurückgehen, warnt der RWGV. „Das EEG schwächt kleine Marktakteure wie Energiegenossenschaften“, bringt es Barkley auf den Punkt. „Das steht im Widerspruch zum Koalitionsvertrag, der mehr Bürgerbeteiligung bei der Energieerzeugung als politisches Ziel definiert.“

Barkley fordert aber auch die Landesregierungen auf, endlich tätig zu werden. Immerhin hat sich die rot-grüne Regierung in Nordrhein-Westfalen, dem Einzugsgebiet des RWGV, das Ziel gesetzt, dass im Rahmen des Klimaschutzplans NRW 100 neue Energiegenossenschaften gegründet werden. „Um dieses angestrebte Ziel zu erreichen, ist es unumgänglich, dass die Landesregierung sich für Anpassungen des EEG auf Bundesebene, erleichterte Genehmigungen von Bürgerwindanlagen und Finanzierungshilfen für Machbarkeitsstudien in Energiebereich einsetzt“, fordern die Genossenschafter.

2. Ausschreibungen bremsen Bürgerbeteiligung

Auch in der Photovoltaik sieht der RWGV riesige Hürden für die Energiegenossenschaften. „Veränderungen durch das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz bremsen die dezentrale Energiewende aus und schwächen dabei vor allem kleine Marktakteure wie Energiegenossenschaften“, klagen die Genossenschafter mit Blick auf die Ausschreibung der Einspeisevergütung für Strom aus Freiflächenanlagen. Denn bei den Ausschreibungen kommen Energiegenossenschaften nicht zum Zuge. Der Grund: Die Vorgaben sind zu komplex und kostenintensiv. Dies haben die Ergebnisse der ersten Pilotausschreibung für Photovoltaikfreiflächenanlagen klar gezeigt. „Diese Erfahrungen müssen in die anstehende Gestaltung des Ausschreibungsverfahrens für Windkraftanlagen einfließen“, fordert der RWGV. Aber auch bei der angedachte Ausschreibung von großen Dachanlagen sollte die Politik darauf achten, dass die Genossenschaften nicht auch noch aus diesem Segment vertrieben werden.

3. Hürden lösen Investitionsstau aus

Die Investitionsbereitschaft der Bürger, die der RWGV bei seinen Mitgliedern sieht, steht im krassen Widerspruch zur Ignoranz seitens der Politik. Denn immerhin haben die die Energiegenossenschaften noch im vergangenen Jahr etwa 1,25 Milliarden Euro in den Ausbau der erneuerbaren Energien investiert. Durch die Hürden halten die Bürger, die sich im Rahmen von Energiegenossenschaften beteiligen wollen, Investitionsvorhaben zurück. Allein die Mitglieder des RWGV in Nordrhein-Westfalen beziffern den Investitionsstau auf derzeit 100 Millionen Euro.

4. Neue Geschäftsmodelle als Chance

Der RWGV sieht aber auch die Bürger und die Energiegenossenschaften in der Pflicht, sich zu bewegen. Es kann nicht sein, dass die Energiegenossenschaften immer noch auf die Einspeisevergütung warten, statt sich Alternativen für die Stromvermarktung zu suchen. „Eine neue Gründungsdynamik kann sich dann entfalten, wenn es den Energiegenossenschaften gelingt, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und durch Kooperationen neue Geschäftsfelder zu erschließen“, erklärt Barkley. „Dies ist zum Beispiel im Bereich Nahwärme bereits erkennbar.“ So sind allein in den vergangenen drei Jahren bundesweit 70 neue genossenschaftliche Nahwärmenetze entstanden, rechnen die Genossenschafter vor. Wenn dies auch in anderen Bereichen gelänge, hätten die Energiegenossenschaften das Potenzial als zentrale Akteure der dezentralen Energiewende die Zukunft des Energiemarktes entscheidend zu gestalten, betont der RWGV. (Sven Ullrich)