Aktualisiert am 05.11.2013, 11:45 Uhr
Probleme hat der Meiler bei Cottbus genug: Bisher gelten Braunkohlekraftwerke als besonders ungeeignet, um die Energiewende zu unterstützen. Keine andere konventionelle Stromerzeugungstechnologie gilt als ebenso unflexibel, um die fluktuierende Grünstromeinspeisung zu ergänzen. Das Drei-Gigawatt-Kraftwerk Jänschwalde ist laut der Umweltaktivistenorganisation Greenpeace zudem Europas zweitgrößter CO2-Emittent – auch nach einer Nachrüstung mit moderner Filtertechnologie in den 1990er Jahren. Der Klimagassünder soll nun laut Vattenfall eine „neue Starthilfe“ erhalten. Zum symbolischen Spatenstich für eine entsprechende technische Aufrüstung am 1. November kündigte die Deutschlandorganisation des schwedischen Energiekonzerns an, dass hier "der Prototyp einer neuen Generation von hocheffizienten und flexiblen Braunkohlenkraftwerken“ entstehen werde. Bis 2014 werde Vattenfalls Deutschlandtochter mit Sitz in Berlin einen der sechs 500-Megawatt-Blöcke mit einer „elektrischen Zünd- und Stützfeuerung“ ausrichten. Die Zündanlage an einem der zwei Kessel von Kraftwerksblock F wird Trockenkohle verfeuern und den bisherigen Ölbrenner ersetzen. So werde das eigene Unternehmen „die Schnelligkeit und Flexibilität seiner Braunkohlekraftwerke zu steigern“ wissen.
Klar ist, mit der vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Investition von 13 Millionen Euro wird zunächst nur eine Pilotanlage gefördert, die eine Regelbarkeit der Braunkohletechnologie demonstrieren soll - um so vielleicht auch den politischen Druck auf einen Ausstieg aus der Braunkohle zu stoppen. Ab Oktober 2014 wird der Block dann bis auf 20 Prozent seiner Leistung heruntergeregelt werden können. Die bisherige Ölzündtechnik verlangt noch eine Mindestlast von 36 Prozent. Umgerechnet kann ein einzelner Kohlemeilerblock - hier zunächst nur Block F - nun also bei viel eingespeister Windkraft oder beiviel Photovoltaikstrom im Netz nur noch mit 100 statt wie bisher 180 Megawatt (MW) betrieben werden.
Damit setzte Vattenfall tatsächlich einen neuen Maßstab. Dies gilt auch im Vergleich zu den schon verhältnismäßig flexiblen und modernisierten Braunkohlemeilern Vattenfalls - Boxberg, Schwarze Pumpe und Lippendorf - sowie für die RWE-Kohlekraftwerke in Nordrhein-Westfahlen, Niederaußem und Neurath. Deren teils neuen Blöcke können ihre Leistung zugunsten der schnell flukuierenden Wind- und Sonnenkraft meist nur maximal um die Hälfte drosseln. Vor allem aber beim Tempo war Jänschwalde bislang weit hinten gelegen: So zeigen aktuelle Regelsituationen, dass in dem Brandenburger Kraftwerk die Leistung heute schnellstens um zehn bis zwölf MW pro Minute sinkt oder anschwillt. Konkurrierende modernere Kohlekraftwerke schaffen angeblich 30 MW pro Minute. Wie sehr die neue Brenntechnik mit Trockenkohlestaub die Lastveränderungen beschleunigt, definierte der Konzern nicht. Allerdings werden nach Angaben von Vattenfall dank der neuen Zündanlage längere Betriebsphasen im Niedriglastbereich ermöglicht.
Das Kraftwerk aus sechs 500-Megawatt-Blöcken mit zwölf Kesseln bezieht die Braunkohle vor allem aus Tagebaugruben in der ostdeutschen Region Lausitz – aus den Bundesländern Sachsen und Brandenburg. In der Lausitz plant Vattenfall nicht zuletzt für die Versorgung von Jänschwalde neue Braunkohle-Tagebauvorhaben. Dagegen hatte Greenpeace zuletzt im Sommer einen Straßenprotest in Berlin organisiert.
Verhaltenes Echo aus Potsdam, widersprüchliche Signale aus Stockholm
Die Landesregierung mit einer SPD/Linken-Koalition in Potsdam unterstützt grundsätzlich die heimische Kohlekraft. Einer der Befürworter ist Landeswirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke). Gleichwohl bemüht sich dessen Haus nun um eine realistische Einschätzung der Jänschwalde-Modernisierung: "So lange ein Kapazitätsmarkt nicht da ist, kann man sich fragen, ob die Nachrüstung lohnt", sagt der Ministeriumspressesprecher Steffen Streu. In Deutschland derzeit diskutierte Modelle hierzu sehen vor, dass konventionelle Kraftwerke abhängig von der Leistung allein dafür bezahlt werden, dass sie ihre Leistung nur noch zur Ergänzung der Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien vorhalten. Für den Ausfall bei der Erzeugung sollen die Anlagenbeitreiber so entschädigt werden.
Noch vor einem Jahr schien sich zudem der schwedische Staat als Eigentümer Vattenfalls von der deutschen Braunkohlewirtschaft komplett trennen zu wollen. Damals musste Vattenfall die Pläne für ein Projekt zur Verpressung des Klimagases CO2 unter der Erde aufgeben. Das so genannte CCS wurde damals vom Gesetzgeber in Deutschland erschwert. Allerdings hat Vattenfall zuletzt diesen Ausstieg widerrufen: Nun soll ausgerechnet das deutsche Braunkohlegeschäft den Ausbau der erneuerbaren Energien für Schwedens größten Energieplayer finanzieren. Und ein der Bau eines neuen Meilers in Jänschwalde ist laut Zeitungsberichten auch noch nicht vom Tisch. Dabei gilt weiterhin: Den Ausbau von Jänschwalde will Vattenfall nur mit CCS.
Ende Oktober klagte Greenpeace in einer Pressenotiz an deutsche Nachrichtenagenturen darüber, dass die schwedische Regierung den in Schweden zu einem strikt CO2-freien Zukunftskurs verpflichteten Staatskonzern nicht bremse. Dieser könne offenbar weiter die fünf neuen Tagebaue in Deutschland einfordern. Greenpeace reagierte so auf die Aussage des Finanzmarktministers Peter Norman. Der hatte laut schwedischen Medienberichten Vattenfall als „größten Umweltschurken in Schwedens Geschichte“ bezeichnet. Und nun erlaube der zuständige Minister Norman die Pläne des staatseigenen Konzerns, betonte Greenpeace-Kohleexperte Gerald Neubauer: „Das ist eine Bankrotterklärung für Schwedens Klimapolitik“, monierte er.
(Tilman Weber)