Wie die Gemeinde Mertingen im Regierungsbezirk Schwaben in Bayern zeigt, eignen sich Nahwärmenetze für den Einsatz von Großwärmepumpen. In dem Städtchen mit den 3.700 Einwohner:innen ist die Energiewende seit zwei Jahrzehnten fest verankert; die ambitionierten Erneuerbare-Energien-Projekte des Ortes wurden bereits mehrfach ausgezeichnet. Es begann mit den ersten Biogasanlagen, deren Wärmepotenzial engagierte Gemeindemitglieder nutzen wollten. Die erneuerbare Wärme der Anlagen wird der Gemeinde seit 2012 zur Verfügung gestellt. Davon profitieren Betreiber und Gemeinde gleichermaßen, die generierte Wertschöpfung bleibt in der Kommune.
Später wurde auch das erste Nahwärmenetz gemeinsam mit dem im Ort ansässigen Regenerativunternehmen GP Joule gebaut. Anschließend gründeten GP Joule und die Kommunalverwaltung als Gemeinschaftsprojekt die Firma Renergiewerke, wobei 55 Prozent den Mertingener:innen gehören und 45 Prozent dem Unternehmen.
GP Joule ist für seinen Innovationsreichtum bekannt. Die Firma hat die grüne Wasserstoff-Produktion und deren Nutzung u.a. in Schleswig-Holstein voran gebracht. CTO Heinrich Gärtner wird auf unserer Konferenz Sectors4Energy mit anderen Unternehmern über das Thema Sektorkopplung diskutieren. Schon jetzt beantwortet er einige Fragen zum Thema.
Herr Gärtner, wo sehen Sie die besondere Bedeutung von Sektorkopplung? Welche Herausforderungen, welche Chancen bietet sie?
Heinrich Gärtner: Die Sektorkopplung ist ein wesentlicher Baustein der Energiewende. Wenn wir die CO2-Emissionen senken wollen, müssen wir die lange Zeit separat betrachteten Sektoren Strom, Wärme, Industrie und Mobilität zusammendenken. Denn die Ausgangsenergie wird in einem vollständig auf Erneuerbaren Energien beruhenden Energiesystem zu größten Teilen Strom aus Wind- und Solarkraftanlagen sein. Diesen Strom müssen wir speichern, umwandeln und flexibel nutzbar machen. Und wir müssen Erzeugung und Verbrauch von erneuerbaren Energien intelligent miteinander verbinden. Es muss sich lohnen, Strom dann zu nutzen, wenn viel erzeugt wird – sei es direkt oder indem er gespeichert oder in Wärme oder Wasserstoff umgewandelt wird.
Was muss jetzt dafür passieren?
Heinrich Gärtner: Nun gilt es, politisch die richtigen Weichen zu stellen, diese Verknüpfung und die Flexibilisierung beim Verbrauch zu belohnen. Und die Kommunen und Unternehmen sollten bei der Umsetzung nicht allein gelassen werden. Denn durch Sektorkopplungsprojekte spüren Bürgerinnen und Bürgern, dass sie von der Energiewende profitieren. Zum Beispiel, indem sie durch das Windrad oder den Photovoltaik-Park auf ihrem Gemeindegebiet günstige Wärme für ihre Häuser und Wohnungen bekommen. So bleibt die Wertschöpfung vor Ort.
Wann ist Ihnen das Thema eigentlich erstmals in voller Komplexität bewusst geworden?
Heinrich Gärtner: Ove Petersen und ich haben uns schon recht früh nach der Gründung von GP Joule im Jahr 2009 nicht nur mit der Energiegewinnung, sondern auch mit dem Energiesystem beschäftigt. Da gehört Sektorenkopplung genauso dazu wie Infrastruktur und Speicherung. So haben wir 2010 beispielsweise angefangen, mit Wasserstoff als Speichermedium für erneuerbare Energie zu arbeiten.
Warum gerade Wasserstoff?
Heinrich Gärtner: Uns war klar, dass man einen Baustein im Energiesystem braucht, der Energie flexibel aufnehmen, gasförmig speichern und transportieren, und dann wieder flexibel abgeben kann. Zudem lag auf der Hand, den Wärmesektor als wesentlichen Faktor der Dekarbonisierung mit aufzunehmen. Heute sind wir von der Erzeugung über die Umwandlung und Verteilung bis zur Nutzung der Energie in allen Bereichen entlang der gesamten Energie-Wertschöpfungskette tätig.
Das Programm unserer Konferenz Sectors4Energy finden Sie hier.
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