Schon seit geraumer Zeit sind die Eckpunkte klar, wie das EEG in diesem Jahre verändert werden soll. Die Windkraft soll an die Kandare und die Vergütung für Solaranlagen auf Dächern soll durch Ausschreibungen ermittelt werden. Das klare Ziel: Der Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor wird ausgebremst.
Nun könnte man davon ausgehen, dass es für die Solarbranche gar nicht so schlimm gekommen ist, wie in den vergangenen Jahren. Denn immerhin gibt es Ausnahmen. Strom aus Anlagen mit einer Leistung von weniger als einem Megawatt werden weiter – oder im Falle von Solarparks wieder – nach vorgegebenen Tarifen vergütet. Da ist selbst die Ausschreibung von Dachanlagen zu verkraften. Denn solche Generatoren mit einer Leistung über einem Megawatt sind schon eher selten.
Die Lobbyarbeit beginnt
Doch jetzt, nachdem die Beamten im Wirtschaftsministerium die Eckpunkte in Paragraphen gegossen haben, beginnt die eigentlich heiße Phase. Die Lobbyisten kommen zum Zuge und versuchen die Interessen ihrer Klientel zu wahren. Da hat der Cheflobbyist der Energiekonzerne Johannes Kempmann, seines Zeichens neuer Präsident des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), schon den ersten Pflock eingeschlagen, wohin die Reise seiner Meinung nach gehen soll. Die Ein-Megawatt-Bagatellgrenze für Solaranlagen soll fallen. Er begründet dies mit einem „ungebremsten Ausbau von Photovoltaikdachanlagen“. Zu recht fragt sich da der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW Solar), woher er diese Weisheit nimmt. „Von einem ungebremsten Ausbau von Photovoltaikdachanlagen kann keine Rede sein“, rückt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW Solar, die Dinge ins rechte Licht. „Vielmehr droht das von der Bundesregierung festgelegte Zubauziel in diesem Jahr zum dritten Mal deutlich unterschritten zu werden.“
Ausschreibungen zum Scheitern verurteilt
Und Körnig hat ja recht. Da fragt man sich, welche Zahlen in der Führungsetage des BDEW herumschwirren, dass der Chef auf eine solche Idee kommen kann und dies auch noch öffentlich verkündet. Zumal er im Dunkeln lässt, wie er sich das vorstellt. Soll die Bagatellgrenze bei 100 Kilowatt eingezogen werden. Oder soll jeder Eigenheimbesitzer, der eine Solaranlage bauen will, an einer Ausschreibung teilnehmen. Das Risiko wäre viel zu hoch und der schon ausgebremste Ausbau würde noch weiter zurückgehen. „Aufgrund komplexer, kleinteiliger und heterogener Akteurs-, Planungs- und Finanzierungsstrukturen sind Ausschreibungen von Photovoltaikdachanlagen zum Scheitern verurteilt“, warnt denn auch Carsten Körnig zu recht.
Tatsächlich setzt die Bundesregierung schon jetzt – mit einer Bagatellgrenze von einem Megawatt Solarleistung – den behördlichen Aufwand für die Ausschreibungen bei 1,1 Millionen Euro jährlich an. Schon jetzt fressen die Verwaltungskosten für die Ausschreibungen einen großen Teil der durch selbige gewonnene Einsparung bei der Vergütungszahlung. Das wird sich in Zukunft noch erweitern. Doch wenn jede Dachanlage am Ausschreibungen teilnehmen muss, wird sich ein bürokratisches Monster in die Welt gesetzt, das niemand mehr eingefangen bekommt.
Fehlstart hingelegt
Carsten Körnig verweist außerdem auf die selbst gesteckten Klimaschutzziele der Bundesregierung. Um diese zu erreichen, darf der heimische Solarmarkt nicht ausgebremst werden. „Daher warnen wir eindringlich vor einer Übertragung des Auktionsmechanismus auf den Gebäudesektor“, sagt er. Immerhin hat die Bundesregierung den Pariser Vertrag unterzeichnet. Auch dort keine Strafen drin stehen, wenn das Ziel von 1,5 Grad Celsius Erderwärmung als Maximum nicht erreicht wird, muss sie sich daran messen lassen. Die jetzt ins Auge gefasste EEG-Novelle ist ein Schritt in die entgegengesetzte Richtung.
Dass relevante Staaten wie Deutschland – in der Rangliste der größten Treibhausgasverursacher auf Platz Sieben – schon mal einen konsequenten Fehlstart hingelegt haben, ist kaum verzeihlich. Doch bis 2040 wird sich das ändern. Steht jedenfalls in einer Studie. Energieexperten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft gehen davon aus, dass die Klimapolitik die Wirtschafts- und Energiepolitik in Deutschland bestimmt. Das ist eines der Ergebnisse der Studie Delphi Energy Future, die jetzt veröffentlicht wurde. Immerhin haben auch Autoren des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft daran mitgeschrieben. Die sollte der Präsident des Verbands auch mal lesen.
Erneuerbare kurbeln die Wirtschaft an
Dort steht nämlich drin, dass diejenigen Staaten, die verstärkt auf erneuerbare Energien setzen, ihre wirtschaftliche Lage enorm verbessern und die Liste der wettbewerbsstärksten Volkswirtschaften anführen. Volkswirtschaftlich führt also kein Weg an der Energiewende vorbei, auch wenn sie erst einmal Investitionen abfordert. Aus welchen Gründen die Energiewende umgesetzt wird – sei es, weil ökologische Katastrophen den Druck erhöhen oder aus wirtschaftlichen Erwägungen und aufgrund von Interessen der Investoren – sei einmal dahingestellt. Dabei ist die Effizienz, die Kempmann fordert, nicht von Belang. Denn die Experten halten es für unwahrscheinlich, dass es zu einer immer wieder beschworenen Energiearmut kommt und große Teile der Bevölkerung zu Verlierern der Energiewende werden. Im Gegenteil, die erneuerbaren Energien mit ihren niedrigen Grenzkosten werden den Markt bestimmen und der Strompreis pro Kilowattstunde wird nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Ökostromerzeuger in Verbindung mit Speicher werden günstigen Strom erzeugen. Leistungsfähige Anlagen zur Eigenerzeugung, die mit wenigen Handgriffen installiert sind, werden dann im Einzelhandel verkauf. Dadurch kann sich dann auch die sogenannte All Electric Society durchsetzen, in der die Wärmeerzeuger und auch Autos mit Strom angetrieben werden und Erdöl und Erdgas weitestgehend aus industriellen Prozessen verdrängt ist.
Energieversorgung wird dezentral
Insgesamt – so sagen es die Experten voraus – wird die Energieversorgung dezentral und weitestgehend erneuerbar mit einer starken internationalen Vernetzung. Die Zeiten der großen Kraftwerke gehen zu Ende. Selbst wenn dann konventionelle Erzeuger noch bestehen, werden sie eher klein dimensioniert, dass sie auch zur dezentralen Versorgung passen. Wohin die Reise geht, haben die Mitglieder im BDEW schon zumindest teilweise verstanden. Jetzt sollten sie ihren Cheflobbyisten vom Holzweg führen. Denn das weitere Ausbremsen der Energiewende – und nichts anderes bedeuten die Forderungen von Johannes Kempmann – werden in die Sackgasse führen. (Sven Ullrich)