Für umgerechnet 1,5 Milliarden Euro sei der Deal vereinbart, teilten beide Unternehmen bereits am gestrigen Dienstag mit. Die Transaktion des Firmenkaufs durch den US-amerikanischen Konzern GE solle noch innerhalb des ersten Halbjahres 2017 abgeschlossen sein. Bis dahin wollen die Partner auch die Genehmigungen der Wettbewerbshüter erhalten haben. Die Eingliederung der Rotorblattfertigung durch den Kauf von LM in die eigene Windturbinensparte sei GE das 8,3-fache des für 2016 erwarteten Gewinns aus dem LM-Kerngeschäft wert, verdeutlichten beide Unternehmen in ihren ähnlich lautenden Presseverlautbarungen. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2016 betrug dieser Gewinnwert, das Ebitda, 87 Millionen Euro. Bisheriger Eigentümer von LM ist das britische Finanzunternehmen Doughty Hansen, das LM Wind Power bereits 2001 gekauft hatte.
"Verbesserte digitale Fähigkeiten" ist eines der technologischen Ziele
Damit geht die allgemeine Konsolidierung der Windkraftindustrie wohl in eine neue Runde: Über strategische, technologische oder finanzielle Gründe für die außerordentlich große Investition veröffentlichte GE nur vage Erklärungen. Es gehe ihr darum, wichtige Entwicklungsfähigkeiten zu vergrößern, erklärte die Erneuerbare-Energien-Konzernsparte GE Renewable Energy. Der Deal solle dem Unternehmen „die Fähigkeiten verbessern, die Energieausbeute zu erhöhen und für Onshore- wie Offshore-Kunden Werte zu schaffen. … Wir werden lokaler sein, mehr Flexibilität und Wissen im Turbinendesign und der Lieferkette haben. Wir werden außerdem verbesserte digitale und Service-Fähigkeiten entwickeln, sagte der Geschäftsführer der GE-Erneuerbaren-Sparte, Jérôme Pécresse.
Der Franzose war bis 2015 Chef der Erneuerbare-Energien-Abteilung des französischen Technologiekonzerns Alstom. GE übernahm Alstom bereits im vergangenen Jahr zu großen Teilen mitsamt Regenerativsparte. Zu dieser gehörte die Windturbinenfertigung Alstoms in Frankreich und Spanien. Die nach dem Alstom-Kauf gegründete Konzerntochter GE Renewable Energy vereinigt nun die Alstom-Windturbinenherstellung mit den Werken des bisherigen GE-Windturbinenbaus. Pécresse war zum Präsident und CEO von GE Renewable Energy ernannt worden.
Der CEO von LM Wind Power, Marc de Jong, erklärte zum vereinbarten Wechsel seines Unternehmens zum US-Konzern: Dieser mache „klaren wirtschaftlichen Sinn für das Wachstum von LM Wind Power, und wir sind absolut erfreut über die Aussichten einen Weltmarktführer als Eigentümer zu haben. Dies stattet uns mit der notwendigen Stabilität, Marktpräsenz und Stärke aus, um unsere ehrgeizigen geschäftlichen Wachstumspläne zu realisieren … und die Stromgestehungskosten (der Windenergie, die Redaktion) zu senken.“
Integration der Komponentenfertigung ein Konzerntrend
Bereits im vorvergangenen Jahr, 2014, hatte GE-Konzern-Chef Jeff Immelt eine künftige konzernweite Strategie von mehr Übernahmen von Zulieferern angedeutet. Zur Option einer „vertikalen Integration“ der Produktion von Kraftwerkstechnologie sei anzumerken: „Derzeit besitzen wir prinzipiell alle Designs. Wir können wählen, wie viel wir uns in Bezug auf vertikale Integration abbeißen, aber wir werden (auf jeden Fall, die Redaktion) eine höhere Gewinnmarge haben. Wir werden das entweder durch geringere Einkaufspreise schaffen oder dadurch, dass wir mehr selbst tun.“ Dies sagte Immelt laut einer Mitschrift der Nachrichtenagentur Thomson Reuters in Bezug auf alle Konzerntechnologien. Der für GE-Ratings zuständige Analyst des Schweizer Finanzdienstleisters Credit Suisse, Julian Mitchel, teilte nun zum LM-Kauf durch GE mit: „Die Akquisition ist konsistent mit dem Trend bei dem Konzern zu mehr Insourcing“: zu einem größeren Anteil an Technologie-Produktion unter dem GE-Konzerndach also anstelle von Fertigungsaufträgen für Zulieferer. Noch bis vor drei Jahren hatten Vertreter der GE-Windsparte auf Windmessen hingegen betont, GE setze auf Design to Print: GE entwickle die Technologie der Windenergiekomponenten und der Gesamtanlagen weitgehend selbst, gebe aber Bau- und Schaltpläne mit Fertigungsaufträgen an die Zulieferer weiter. Und zwar in einer Form, dass die Zulieferer sie nicht auch für Zulieferungen an GE-Wettbewerber nutzen können, aber exakt nach den GE-Anlagenkonzepten hergestellte Bauteile lieferten.
Zumindest auf den ersten Blick dürfte der GE-LM-Coup vor dem Hintergrund neuer an LM erteilter Aufträge aufhorchen lassen – auch aufgrund der zeitlichen Nähe zu zuletzt für gescheitert erklärten GE-Plänen, den Offshore-Windturbinenhersteller Adwen zu kaufen. Tatsächlich hatte GE Interesse an dem Joint Venture Adwen gezeigt, das zur Hälfte dem finanziell angeschlagenen französischen Technologieunternehmen Areva und dem spanischen Windturbinenhersteller Gamesa.gehört. GE-Konkurrent Siemens, ebenfalls Technologie-Konzern und Windturbinenhersteller, hatte im Juni die Übernahme von Gamesa angekündigt und bereitet nun die Übernahme des spanischen Windturbinenunternehmens vor. Mitte September hatte Areva erklärt, das Vorkaufsrecht für den 50-Prozent-Anteil Gamesas an Adwen nicht nutzen zu wollen und nun die eigenen 50 Prozent an Siemens/Gamesa zu verkaufen. Hier hatte sich auch GE vergeblich als Käufer ins Spiel gebracht, nachdem 2014 Siemens umgekehrt noch beim Bieterwettkampf mit GE um Alstom gescheitert war..
LM ist Zulieferer von GE, aber auch von GE-Konkurrenten
Kurioserweise ist LM Wind Power Mitentwickler und vor allem künftiger Zulieferer der Rotorblätter für die neuesten Windturbinen bei Siemens und bei Adwen. So hat LM bereits den Prototyp für das längste Rotorblatt der Welt gebaut, das in Adwens Acht-Megawatt-Anlage AD-8.0-180 zum Einsatz kommen wird. Außerdem hat Siemens auf der Windenergiemesse Wind Energy in Hamburg im September bekannt gegeben, für die dort vorgestellte neu entwickelte Binnenlandanlage SWT-3.15-142 mit dem Rekordrotordurchmesser für Windkraft an Land erstmals vom Prinzip einer eigenen Fertigung abzuweichen. Dafür wolle Siemens sogar auf das selbst entwickelte Prinzip verzichten, die Rotorblattschale nahtlos aus einem Guss herzustellen – statt der anderswo üblichen Bauweise mit zwei Halbschalen. Notwendig werde der Schritt dadurch, dass Siemens den stabilisierenden Gurt in dem neuen Rotorblatt mit Kohlefasern verstärken will. Denn die Rotorblätter müssen steifer als üblich und dennoch gewichtsarm ausgelegt werden. Sie sollen nämlich mit einer nur geringen Vorbiegung auskommen – um beim Transport unter Autobahn-Brücken hindurch gefahren werden zu können. Mit der Fertigung dieser Rotorblätter werde daher LM Wind Power beauftragt.
Probleme durch den Kauf von LM durch ausgerechnet einen der Hauptkonkurrenten seien für Siemens allerdings nicht zu erwarten, ließ der Siemens-Konzern als erste Reaktion verlauten. „Momentan erwarten wir, dass alle Geschäftsbeziehungen zu LM Wind Power andauern werden.“ Zumindest was die Binnenlandanlage SWT-3.15-142 angehe, würden aktuell keine Änderungen in Erwägung gezogen, lässt das Unternehmen mit Verweis auf GE-Erklärungen wissen. So teilte Konzern GE mit, er plane LM als eigenständige Einheit zu betreiben. LM werde alle Industriekunden „voll unterstützen“.Schon bisher ist LM übrigens Rotorblattzulieferer auch für GE-Windturbinen.
(Tilman Weber)