Die Europäische Kommission hat eine Untersuchung gegen chinesische Hersteller von kristallinen Solarmodulen eingeleitet. Brüssel wirft den Modulproduzenten aus dem Reich der Mitte vor, die Regelungen zu den Mindestverkaufspreisen und die Antidumpingzölle massiv zu unterlaufen. Damit folgt die Kommission einem Antrag des Bonner Modulherstellers Solarworld.
Gleichzeitig hat Solarworld die Kommission aufgefordert, Modulimporte aus Taiwan und Malaysia zollamtlich zu erfassen. Denn dorthin werden die chinesischen Module zunächst verschifft und umgelabelt, wenn die Einfuhrsanktionen in die EU umgangen werden sollen. Die Kommission habe genügend hinreichende Beweise dafür, dass die Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren von Photovoltaikmodulen aus kristallinem Silizium und Solarzellen aus China dadurch umgangen werden, dass die Ware offiziell aus Malaysia und Taiwan versandt und damit der Zoll und die Mindestverkaufspreise in der EU umgangen werden. „Bei diesen Importen besteht der Verdacht, dass sie in Teilen ursprünglich aus China stammen und somit einem Zoll gegen Dumping und illegalen Subventionen unterliegen“, beklagt EU Pro Sun. Die Initiative der europäischen Modulhersteller unter Führung von Solarworld kämpft seit Jahren zusammen mit der Europäischen Kommission gegen die Dumpingpreise der chinesischen Konkurrenz. „Bis zu 30 Prozent der chinesischen Solarimporte werden auf diesem Weg am Zoll vorbeigeführt“, sagt Milan Nitzschke, Präsident von EU Pro Sun und Sprecher von Solarworld.
Handelsgefüge hat sich verändert
Der Bonner Modulbauer begründet seinen Antrag mit dem veränderten Handelsgefüge der Ausfuhren aus der Volksrepublik China, Malaysia und Taiwan. Diese Veränderung habe sich nach der Einführung der Antidumpingmaßnahmen gezeigt und die Kommission habe dafür keine andere Erklärung, als dass es sich dabei um chinesische Module handelt, die in die Nachbarländer verschifft und dann erst nach Europa exportiert werden. Außerdem umgehen die chinesischen Hersteller nach Vermutungen der Brüsseler Kommission damit auch die Mengenbegrenzung für Einfuhren aus dem Reich der Mitte. Diese liegt bei sieben Gigawatt pro Jahr. Übersteigen die chinesischen Exporte in die EU diesen Wert, fallen die Regelungen des Mindestverkaufspreises weg und auf die über die Mengenbegrenzung eingeführten Module fallen Strafzölle an.
Preise sind weiter gesunken
Als dritten Grund führt Solarworld als Klägerin die tatsächlichen Preise für chinesische Module an. Die Kommission erkennt dies als hinreichende Beweise dafür an, dass die Preise unter dem Mindestverkaufspreis liegen. „Zudem enthält der Antrag hinreichende Beweise dafür, dass die Preise der zu untersuchenden Ware im Vergleich zum ursprünglich ermittelten Normalwert gedumpt sind“, erklären die Brüsseler Beamten. Tatsächlich sind die Preise polykristalliner Module aus China im vergangenen Jahr um zwei Cent pro Watt Leistung gesunken, während die Module aus anderen asiatischen Ländern in der EU im Mai dieses Jahres fünf Cent pro Watt billiger waren als noch im Juli des vergangenen Jahres. Die Preise von Modulen europäischer Hersteller fielen im gleichen Zeitraum um vier Cent pro Watt.. Diese liegen aber immer noch vier Cent pro Watt über dem Preis chinesischer Module und sechs Cent pro Watt über dem Preis von Modulen aus Asien. Insgesamt liegt der Preis der chinesischen Module derzeit bei 54 Cent pro Watt, also zwei Cent unter dem aktuellen Mindesverkaufspreis, der seit 1. April dieses Jahres gilt. Bis dahin mussten die chinesischen Modulhersteller ihre Ware für mindestens 53 Cent pro Watt verkaufen. Mit 52 Cent pro Watt liegen die Preise für Module aus anderen asiatischen Ländern allerdings sechs Cent unter dem Preis von Modulen aus dem Reich der Mitte.
Dumpingexporte über Taiwan und Malaysia
Die europäische Herstellerinitiative EU Pro Sun begrüßt den Schritt der Europäischen Kommission. „Chinesische Solarhersteller umgehen die Antidumpingmaßnahmen der EU, indem sie ihre Waren vor dem Transport nach Europa in andere Länder bringen und damit die Angabe des Herkunftslandes fälschen“, Milan Nitzschke, Präsident von EU Pro Sun. „Das ist Zollbetrug und muss gestoppt werden. Europäische Solarhersteller werden durch dieses fortgesetzte Dumping massiv geschädigt. Zahlreiche EU-Firmen mussten deswegen bereits ihre Produktion schließen.“
Gleichzeitig betont aber EU Pro Sun, dass Hersteller in Taiwan und Malaysia, die sich nicht an der chinesischen Zollumgehung beteiligen, von den Zollmaßnahmen ausgenommen werden können. „Es geht ausdrücklich um chinesische Dumpingimporte, deren Zollumgehung über Taiwan und Malaysia gestoppt werden soll, nicht um Produkte, die tatsächlich in Taiwan und Malaysia hergestellt worden sind“, betont Nitzschke. „Diese sollen weiterhin zollfrei eingeführt werden.“ Deshalb sollten sich Unternehmen, deren Produkte regulär in Taiwan und Malaysia produziert werden, bei der Europäischen Kommission melden und eine Befreiung von den Zollmaßnahmen beantragen. Die EU Kommission hat hierfür eine Frist bis Anfang Juli gesetzt.
„Die Zölle haben versagt“
In der Branche stoßen die Strafmaßnahmen gegen chinesische Hersteller nicht auf ungeteilte Zustimmung. Im Gegenteil: Einige Modulhersteller aber vor allem Großhändler, Projektentwickler und Systemanbieter kritisieren die Sanktionen als kontraproduktiv. „Die Zölle auf chinesische Solarmodule haben versagt und gehören abgeschafft“, fordert der Projektentwickler IBC Solar in Bad Staffelstein. „Seit ihrer Einführung sind EU-Hersteller von Modulen reihenweise aus dem Markt ausgeschieden. Unter den zehn wichtigsten Solarfirmen der Welt befindet 2014 und 2015 kein einziges EU-Unternehmen. In der gesamten EU hat die Politik staatlich festgesetzter Höchstpreise den Markt einbrechen lassen.“ IBC Solar sieht die neuerliche Klage von EU Pro Sun als Weg noch tiefer in die Sackgasse hinein. „Welchen Sinn hat es, erst Schutzzölle durchzupeitschen um anschließend deren Wirkungslosigkeit zu beklagen, wenn gleichzeitig eine ganze Branche darunter leidet?“, fragen sich die Franken. „Die EU muss diesem Irrweg ein Ende bereiten und erstens zur marktwirtschaftlichen Preisbildung zurückkehren und zweitens endlich den heimischen Unternehmen unter die Arme greifen. Förderung statt Protektionismus ist der Weg aus der Sackgasse zurück auf die Straße des Erfolges“, betont IBC Solar.
Zollnachzahlungen drohen
Selbst der europäische Branchenverband EPIA hat sich nach Jahren des Schweigens endlich positioniert. Man unterstütze zwar auf der einen Seite die europäische Produktion sowie die einheimische Forschung und Entwicklung, aber auf der anderen Seite auch den Bau von Solaranlagen, erklären die Branchenvertreter. „Europa hat einen starken Solarsektor inklusive Herstellung, Entwicklung, Betrieb und Wartung der Anlagen. Auch bei der Integration der Photovoltaik in die Stromsysteme ist Europa führend.“ Doch mit dem Sanktionen gegen chinesische Hersteller werden vor allem die großen Anlagen teurer und damit geht der Zubau zurück. Dies kostet massiv Arbeitsplätze. Zwar würde es auch Arbeitsplätze kosten, wenn die europäischen Hersteller gegenüber der chinesischen Konkurrenz preislich nicht mehr wettbewerbsfähig wären. Doch die meisten Arbeitsplatzverluste gingen in den vergangen Jahren bei den Installationsunternehmen verloren. Damit ist vor allem der arbeitsintensive Teil der Wertschöpfungskette von den Beschäftigungsverlusten betroffen. Für die EPIA ist dies ein klares Zeichen, dass nicht die Konkurrenz aus China die Jobs in der europäischen Solarbranche vernichtet, sondern die rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen, der zum Rückgang des Zubaus führt. Gleichzeitig haben vor allem Großhändler und Installateure, die direkt beim Hersteller kaufen, das Problem, dass ihnen jetzt Zollnachzahlungen drohen, sollten sie tatsächlich chinesische Module gekauft haben, die über den Umweg über Taiwan oder Malaysia in der EU gelandet sind. „Wir wünschen uns, dass die Handelsbeziehungen zwischen Europa und China so bald wie möglich wieder zu einem normalen, unverzerrten und fairen Niveau zurückkehren, wenn die Strafzölle beziehungsweise die Mindestverkaufspreise Ende 2015 auslaufen“, erklärt Oliver Schaefer, Präsident der EPIA. „Der Vorstand von EPIA ist sich darin einig, und wir glauben, dass eine Rückkehr zur Wettbewerbsgleichheit dafür sorgen wird, dass der Ausbau der Photovoltaik in Europa wieder anzieht. Kunden können dann wieder massengefertigte Qualitätsprodukte zu den bestmöglichen Preisen kaufen.“ (Sven Ullrich)