Schon 2021 hat der Bremer Windparkprojektierer WPD „erheblich mehr Genehmigungen erhalten als in den Vorjahren“: Genehmigungen zum Bau neuer Windparks in Deutschland an Land. Und der baden-württembergische Energieversorger EnBW sieht ein weiteres Auftauen des Marktes beim Ausbau der Windkraft an Land voraus: „Für das Jahr 2022 erwarten wir ein weiteres Anziehen der erteilten Genehmigungen“, meldet der Konzern aus Stuttgart an.
Dies sind zwei Aussagen von Unternehmen der deutschen Windenergie-Branche, die auf die Umfrage von ERNEUERBARE ENERGIEN zu Erwartungen an das neue Windkraft-Geschäftsjahr geantwortet haben. Sie verweisen auf das Ende des Markteinbruches von 2019. Dieser war die Folge einer überstürzt vollzogenen Umstellung der bisherigen Windstromvergütung mit gesetzlich gesicherten Tarifen auf ein Wettbewerbsverfahren, bei dem Projektierer ihre Mindestvergütung in Ausschreibungen erst gewinnen müssen. Nach einer ersten leichten Markterholung 2020 führte 2021 zum Zubau einer Erzeugungskapazität von 1.925 Megawatt (MW). Es entspricht nun wieder dem mittleren Marktniveau des ersten Jahrzehnts nach Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000. Für 2022 sagen die Windenergieorganisationen BWE und VDMA Power Systems auf Basis der von ihnen erhobenen Planungsdaten der Windparkprojektierer 2.200 bis 2.700 MW voraus, wie sie am vorigen Donnerstag bekannt gaben. Es winkt somit 2022 ein Ausbauniveau nur noch knapp unterhalb der bisher nur in Boomphasen überschrittenen Schwelle von drei Gigawatt (GW) – eine solche Boomphase währte zuletzt von 2013 bis 2017.
Verbessert hatte sich 2021 bereits die Nachfrage der Projektierer und Investoren nach Windparkvergütungsrechten. Seit 2018 chronisch unterzeichnet, führten die Ausschreibungen im vergangenen Jahr erstmals zu Geboten für Windparkprojektierungen eines Volumens von 3,7 GW. Ein günstiger Umstand dafür war offenbar, dass die Behörden zuletzt viele bereits langjährige Genehmigungsverfahren schnell erledigten. Hier wirke die zunehmend auf raschen Ausbau drängende Bundespolitik motivierend, ist eine Aussage mehrerer Unternehmen in der Umfrage.
Doch viele Hürden bremsen den Onshore-Windkraft-Ausbau weiterhin ab: Verfahren zur Genehmigung neuer Windparks sind weiterhin aufwendig. Das Repowering – der Austausch alter gegen neue Windenergieanlagen – ist trotz zweimaliger Refombeschlüsse des Bundestags im vergangenen Jahr zugunsten des Repowerings weiterhin von unpassenden Natur- und Artenschutzregeln sowie Anwohnerschutzbestimmungen gebremst. Projekte mit zusammen bis zu sieben GW Erzeugungskapazität sind durch weiträumige Bannzonen um Flughäfen und Flugsicherungsanlagen blockiert.
Die Branchenakteure suchen daher nach alternativen und fortschrittlicheren wirtschaftlichen Konzepten des Windparkausbaus und der Windstromerzeugung. So bereitet EnBW zugleich die Installation von Hybrid-Energieerzeugungsparks und Wasserstoffanlagen vor, die unter einem in Berlin nun angekündigten neuen Strommarktsystem mehr technische und wirtschaftliche Bedeutung erhalten werden. EnBW plane jeweils Mischparks für Windkraft und Photovoltaik (PV) sowie von Windturbinen oder PV-Anlagen mit Speichern, kündigt das Unternehmen an. Auch Wasserstoffelektrolyse mit Windstrom gehöre der EnBW-Projektpipeline an.
Mit sogenannten Hybridparks und mit Wasserstoffelektrolyse könnten die Branchenakteure künftig eine höherwertige, weil verlässlich lieferbare Energie erzeugen, lautet die Kalkulation auch anderer Branchenakteure. Während Wind und Sonne oft zu unterschiedlichen Jahres- und Tageszeiten und in unterschiedlichen Wetterphasen Strom erzeugen und als Kombination die Einspeisung verstetigen, lassen Batterien die Einspeisung dosieren und gute Preisphasen auf den Strommärkten abpassen. Mit Grünstrom betriebene Elektrolyseure wiederum können Wasserstoff erzeugen, der sich auch als hochwertiger klimaneutraler Treibstoff im Verkehr oder als klimaneutraler Prozessenergie-Brennstoff in der Industrie vermarkten lässt. Voraussetzung ist allerdings die Energiemarktreform, die derartige Konzepte von Abgaben befreit und Nachfrage und Angebot zusammenbringt. Die neue Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP in Berlin hat diese Reform Ende 2021 angekündigt, zum Antritt der von ihr gestützten Bundesregierung.
Auch Alexander Jäger-Bloh bereitet die Erweiterung des Projektgeschäftes auf neue technologische Bereiche und Vermarktungskonzepte vor. Das jetzt erkennbare Anziehen bei Windturbinenerrichtungen und Genehmigungen sieht er zunächst nur als Resultat daraus an, dass sich der Stau in den Behörden bei Projektgenehmigungen aufgelöst hat. Allerdings werde das Bearbeitungstempo bei neuen Genehmigungsanträgen auch 2022 noch „nicht deutlich schneller“ sein, vermutet der Geschäftsführer der Dean-Gruppe aus Niedersachsen. Probleme mit Blockaden durch die Bundeswehr, die Störungen ihrer Luftraumüberwachung und ihrer Trainingsflüge fürchtet, oder mit Bannzonen um die An- und Abflugverkehr überwachenden Drehfunkfeuer an Flughäfen blockieren auch im neuen Jahr die Projektentwicklungen aus Sicht des Projektentwicklers aus Neustadt am Rübenberge. Seit Jahren agiert die Dean-Gruppe als Initiatorin einer Brancheninitiative gegen diese Blockade.
Bereits jetzt hat die Dean-Gruppe einige Repowering-Projekte in ihrer Vorhaben-Pipeline, wie Jäger-Bloh betont. Er sieht diese allerdings bis zur Beseitigung rechtlicher Hürden durch die neue Bundesregierung vom Artenschutz und von Hubschraubertiefflugzonen blockiert. Die Dean-Gruppe erwäge daher nun, Altanlagen zunächst mit Wasserstoffelektrolyse zu verbinden, statt sie schon jetzt ganz abzubauen.
Gemeint sind mehr als 20 Jahre alte Windturbinen, die seit 2021 ihre gesetzlich auf diesen Zeitraum beschränkte, bisher vom EEG gesicherte Mindestvergütung verlieren. Jährlich fallen damit ausgeförderte Anlagen eines Volumens von mehreren GW aus dieser Absicherung heraus.
Doch der aktuelle Handelspreis auf dem Strommarkt ist aufgrund aktueller Turbulenzen auf den Gasmärkten und steigender Preise für Emissionsrechte von Kohlekraftwerken hoch. Und dies ermuntert Altanlagenbetreiber zum vorläufigen Weiterbetrieb statt sie zu repowern.
Eno Energy setzt aus ganz eigenen Gründen dennoch auf den Repoweringmarkt, wie Geschäftsführer Stefan Bockholt erklärt. Als kleinstes Windturbinenunternehmen steht Eno nicht unter vergleichbarem Druck wie große Turbinenbauer, jährliches Wachstum bei den Errichtungen neuer Windparks und bei den Auftragszahlen nachzuweisen. Zumal Eno noch mit einer gesonderten Windparkprojektierungs- und Windparkbetriebssparte des Unternehmens verbunden ist.
Die Rostocker analysieren den Markt aus der Perspektive ihres speziellen Anlagenportfolios: Anlagen einer Vier-MW-Plattform mit 114 und 126 Meter Rotordurchmesser neben der neuesten 6,0-MW-Anlagenplattform, Enoventum, mit 160 Meter Rotordurchmesser. Eno könne für Repoweringprojekte sowohl modernste Großanlagen der Sechs-MW-Klasse, als auch bei Höhenbegrenzungen des Standorts deutlich kleinere, aber ebenfalls sehr leistungsstarke Turbinen anbieten, erklärt Bockholt.
Erneuerbare-Energien-Projektentwickler Juwi errichtet derweil nun das derzeit erste Hybridprojekt, das einen Windpark mit einem Speicher verbindet und dabei einen Zuschlag in den beiden bisherigen sogenannten EEG-Innovationsausschreibungen erhalten hatte.
Gut wird 2022 für das Unternehmen aus Rheinland-Pfalz aber wohl ohnehin, weil es 2021 für gleich mehrere Projekte „nach zum Teil zehnjähriger Planungszeit einen Genehmigungsbescheid erlangen konnte“, wie Juwi-Vorstand Christian Arnold betont. Juwi werde daher 2022 mehrere mit Vergütungszuschlägen versehene Projekte errichten und sie Investoren anbieten.
Auch das Stadtwerke-Kooperationsunternehmen Trianel wird gemäß Angaben zu unserer Umfrage das neue Jahr zur Umsetzung endlich durch die Genehmigungsbehörden freigegebener Projekte nutzen. So werde Trianel 2022 rund 25 Millionen Euro in Entwicklung von Wind- und PV-Projekte investieren und gereifte Wind- und PV-Projekte realisieren. Trianel werde zusammen mit Stadtwerken in diese Energieanlagenparks auch investieren, betonte der Bereichsleiter Projektentwicklung Onshore bei Trianel, Herbert Muders. Zugleich wird das kommunale Gemeinschaftsunternehmen weiter „aktiv an regionalen Wasserstoff- und Sektorenkopplungsprojekten arbeiten“, sagte Muders. Als Besonderheit will es außerdem einen „Aufbau professioneller Strukturen“ einleiten, die Bürgerbeteiligungen an den bundesweiten Trianel-Projekten besser organisieren lassen.
Die Zulieferer von Leistungselektronik und Steuerungstechnologie für Windenergieanlagen planen für die vielseitige Einsetzbarkeit der Anlagen, für zunehmend schwierigere Standorte und für die Verbesserung der Netzeigenschaften der Turbinen ihre eigenen Antworten. So kündigt der Windsparten-Chef bei Bachmann, Gabriel Schwanzer, die weitere Markteinführung der digitalen Steuerungsplattform Wind Energy 5.0 an. Sie soll unterschiedliche Steuerungsfunktionen zusammenführen: eine innovative Zustandsüberwachung, die Turbinenautomatisierung, Energieprotokolle, Visualisierungen von Anlagenzuständen sowie die Netzregelung.
Und Phoenix Contact verspricht „Hochperformante Multi-Core-Windturbinensteuerungen“ kombiniert mit neuen Übertragungsstandards wie Profinet-over-TSN. Damit will das Zulieferunternehmen immer mehr „echtzeitkritische Anwendungen“ zentral in die Hauptsteuerung integrieren. Indem bisher getrennte Automatisierungs- und Überwachungssysteme damit verschmelzen, soll dies ein intelligentes „Deep Learning“ der Windturbine beispielsweise über ihr Verhalten in bestimmten Lastzuständen in Echtzeit ermöglichen.
Doch der deutsche Windmarkt ist spätestens seit dem Einbruch 2018 für nur noch eher wenige Unternehmen genug: Das Exportgeschäft hat für Windturbinenhersteller und Komponentenzulieferer genauso wie für Projektierungsunternehmen längst einen bedeutenden Anteil an Umsatz und Gewinnen.
Geht es nach Dennis Rendschmidt, dem im Herbst neu angetretenen Geschäftsführer der Windkraftabteilung des Maschinen- und Anlagenbauverbands VDMA, so wird 2022 noch einmal ein gutes Jahr für die Exportgeschäfte der deutschen Windenergieindustrie. Die stark gestiegenen Transport- und Logistikpreise, so kalkuliert VDMA Power Systems, werden für die deutschen Exporteure in Sachen Windkraft 2022 noch nicht sehr relevant, da Lagerbestände bei den Unternehmen die Situation einstweilen entspanne. Allerdings befürchtet Rendschmidt, dass ohne eine Verbesserung der internationalen Handelsbeziehungen auf politischer Ebene die Beschaffung von Rohstoffen und Komponenten zu einem langfristigen Problem für den internationalen Handel auch im Windkraftbereich zu werden droht.
Dieser Artikel ergänzt eine große Analyse zur Umfrage für unsere Onshore-Windmarkt-Jahresvorschau. Sie ist in der Januarausgabe des gedruckten Magazins ERNEUERBARE ENERGIEN zu lesen, die nun frisch erschienen ist und viele weitere Akteure zu Wort kommen lässt. Besorgen Sie sich hier ein Exemplar!
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