Um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen, werden die jetzigen Anstrengungen bei der Energiewende nicht ausreichen. Das ist das Ergebnis einer Studie des norwegischen Öl- und Gaskonzerns Equinor, ehemals Statoil, die gestern in Berlin vorgestellt wurde.
Weiter-so reicht nicht
Wenn die Staaten nichts unternehmen, um die Energiewende und den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen, wird der Kohlendioxidausstoß in den kommenden Jahren weiter ansteigen, vor allem aufgrund des höheren Energiebedarfs in China und Indien. Insgesamt wird der CO2-Ausstoß weltweit aufgrund der wachsenden Bevölkerung nicht so schnell zurückgehen, so dass die Klimaschutzziele verfehlt werden. Der Rückgang der Treibhausgasemissionen wird sich erst in den Jahren nach 2030 einstellen, so dass der Energiesektor bis 2050 insgesamt 1.170 Gigatonnen CO2 ausstößt. Das sind die Ergebnisse des Szenarios „Reform“, bei dem die Analysten davon ausgehen, dass der Rahmen für den Umbau der Energieversorgung so bleiben wie bisher. Das ist zu viel, um das in Paris vereinbarte Zwei-Grad-Ziel zu halten. Denn das weltweite Budget des CO2-Ausstoßes, das der Energiesektor noch hat, liegt bei 790 Gigatonnen bis zum Jahr 2100, wenn dieses Ziel geschafft werden soll.
Das liegt daran, dass die fossilen Kraftwerke nicht schnell genug durch Ökostromanlagen ersetzt werden. Der Anteil von Öl, Gas und Kohle an der Energieversorgung wird bis 2050 in diesem Falle von 82,8 Prozent im Jahr 2015 auf dann 70 Prozent zurückgehen. Dabei sinkt zwar der Anteil des Kohlestroms im Netz im Jahr 2050 auf 82 Prozent gegenüber 2015. Allerdings steigt der Gas- und Ölverbrauch an. Für die Windkraft und die Photovoltaik bleibt dann noch ein Anstieg von 1,4 Prozent im Jahr 2015 auf 9,4 Prozent im Jahr 2050.
40 Prozent Erneuerbare bis 2050
Um die Klimaschutzziele zu erreichen, braucht es mehr Anstrengungen, vor allem seitens der Regierungen. Die Analysten von Equinor haben das in einem eigenen Szenario namens „Renewal“ untersucht. Das ist ein Pfad für die Energiewende, der durch koordinierte politische Maßnahmen unterstützt wird. Hier geht es darum, unbedingt das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. In diesem Szenario sinkt der Anteil der Kohle im Strommix auf 26 Prozent des Wertes aus dem Jahr 2015. Damit trägt die Kohle nur noch zu 7,9 Prozent zur weltweiten Stromerzeugung bei. Aber auch hier steigt der Öl- und Gasverbrauch an. Der Anteil von Wind und Sonne im Strommix wächst dann auf 18,6 Prozent. Dazu kommen noch die Biomasse mit einem Anteil von 16,7 Prozent und der Wasserkraft von 4,4 Prozent. Damit steigt der Anteil der Erneuerbaren auf fast 40 Prozent. Der CO2-Ausstoß bleibt mit 38,5 Gigatonnen weit unter dem Budget, dass noch vorhanden ist.
Die Analysten haben aber noch zwei Unterszenarien untersucht. Zum einen haben sie sich angeschaut, was passiert, wenn die Nutzung von Kohlendioxid und dessen Einlagerung in Gesteinsschichten – die sogenannte CCUS-Technologie – Verbreitung findet. Dann werden zwar die gleichen Ergebnisse für den Kohlendioxidausstoß und den Ausbau der erneuerbaren Energien erreicht. Der Preis dafür werde aber doppelt so hoch sein, prognostizieren die Analysten.
CO2-Ausstoß muss schneller sinken
Ein weiteres Unterszenario haben sie geschaffen, indem sie ausgerechnet haben, dass die Energiewende erst im Jahr 2025 richtig durchstartet. Um die gleichen Ergebnisse wie im Renewal-Szenario zu erreichen, müssten weltweit jedes Jahr der CO2-Ausstoß nicht nur um vier, sondern um sechs bis sieben Prozent sinken. Dazu kommt noch, dass die Erneuerbaren dann noch stärker ausgebaut werden müssten. Denn die Kohle muss dann völlig aus dem Energiemix verschwinden. Erdgas darf nur noch zu 9 Prozent zum Energiemix beitragen, Der Anteil von Öl müsste dann auf 14 Prozent sinken. Wenn die Enegiewende jetzt gestartet würde, könnten Öl und Gas zumindest im Jahr 2050 noch mit jeweils 21 Prozent zum Energiemix beitragen. „Das zeigt die Notwendigkeit, mit der Reduzierung der CO2-Emissionen schnell zu starten, schreiben die Analysten in ihrer Studie.
Der Wille zum Klimaschutz zählt
Sie haben noch ein drittes Szenario berechnet. Dabei geht es darum, dass nicht der Klimaschutz im Vordergrund der Energiewende steht, sondern geopolitische Überlegungen und Strategien. Die Analysten nennen dieses Szenario „Revalry“. Hier wird die Energiewende am langsamsten vorangehen und vor allem im Jahr 2030 komplett zum Stehen kommen. Dann steigt der Anteil der Kohle an der Stromerzeugung im Jahr 2050 sogar um elf Prozent im Vergleich zum Jahr 2015 an. Der Anteil von Wind und Solar bliebt hingegen bei 5,5 Prozent hängen. Auch die Biomasse wird kaum ausgebaut. Der Ausbau der Wasserkraft kann wiederum kaum Schritt halten mit der dann steigenden Nachfrage nach Energie. Dies zeigt, dass der Klimaschutz Vorrang haben muss gegenüber geopolitischen Überlegungen, wenn die Energiewende und damit auch das Pariser Klimaschutzabkommen Erfolg haben sollen. (Sven Ullrich)