Lange ist es her, dass in der Ukraine mehr als 100 Megawatt neue Solarstromleistung installiert wurden. Nach dem Rekordjahr 2013, als neue Anlagen mit insgesamt 377 Megawatt neu ans Netz gingen, ging der Ausbau stetig zurück. Im vergangenen Jahr bekam er aufgrund der Einführung einer Einspeisevergütung wieder Schub. Immerhin bekommen Betreiber von Dachanlagen, die in diesem Jahr neu in Betrieb gehen umgerechnet 16,37 Cent pro Kilowattstunde eingespeiseten Solarstroms. Die Vergütung für Strom aus großen Solarkraftwerken ist etwas niedriger, mit 15,02 Cent pro Kilowattstunde aber immer noch üppig. „Der Sektor der erneuerbaren Energien in der Ukraine ist eine der am schnellsten wachsenden und attraktivsten Industriezweige im Land, die für Investoren interessant sind“, betonen Igor Dykunskyy und Dmitriy Sakaluk von der Anwaltskanzlei DLF Attorneys-at-Law mit Sitz in Kiew.
Die beiden Anwälte haben sich auf das Erneuerbare-Energien-Recht in der Ukraine spezialisiert. „Wir erwarten, dass der positive Trend auf im Jahr 2017 weitergeht“, sagen sie mit Blick auf die steigenden Zubauzahlen des vergangenen Jahres, als 107 Megawatt Solarstromleistung neu installiert wurden. Immerhin ist für dieses Jahr der Aufbau von 54 Solarkraftwerken mit einer Gesamtleistung von 488 Megawatt geplant. Immerhin 360 Megawatt davon wurden im ersten Halbjahr schon gebaut, so dass der tatsächliche Zubau die Prognosen übertreffen könnte.
Strommarkt neu geordnet
Diese optimistische Prognose wird durch das Inkrafttreten eines neuen Strommarktgesetzes gestützt, das auf die zukünftige Versorgung mit erneuerbaren Energien abgestellt ist. So sieht das Gesetz vor, dass der gesamte erzeugte Regenerativstrom von einem garantierten Käufer zu beschaffen ist. Die Kosten für die Beschaffung tragen die Übertragungsnetzbetreiber. Die Regierung kann jedem Teilnehmer am Strommarkt die Verpflichtung eines garantierten Käufers auferlegen. Zudem führt das Gesetz einen neuen Marktteilnehmer ein: des Stromhändler. Dieser kauft den Strom vom Anlagenbetreiber und vermarktet ihn am Day-Ahead- oder am Intraday-Markt, ähnliche wie die Direktvermarkter das in Deutschland auch tun. Dazu kommt noch, dass jetzt auch direkte Stromlieferverträge zwischen Erzeugern und Verbrauchern zugelassen sind. Auf der anderen Seite müssen die Betreiber von Solarkraftwerke ihre tägliche Energieproduktion prognostizieren. Sollte die tatsächliche Einspeisung von der Prognose abweichen, müssen sie Ausgleichsenergie einkaufen.
Viele der im vergangenen Jahr realisierten Projekte wurden von ausländischen Investoren finanziert. Die Regierung in Kiew plant derzeit sogar, in der verstrahlten Zone des einstigen Kernkraftwerks Tschernobyl einen riesigen Solarpark mit einer Gesamtleistung von einem Gigawatt zu bauen – eine Chance für ausländische Investoren, den Sprung auf den ukrainischen Markt zu schaffen, wie die beiden Kiewer Anwälte vermuten.
Eigenverbrauch zugelassen
Es sind aber nicht nur die großen Solaranlagen, die zunehmend gebaut werden. Die Kiewer Experten beobachten auch eine steigende Nachfrage nach Dachanlagen. Diese bekommen zwar keinen Bonus, wenn die Betreiber einen Teil der Komponenten aus ukrainischer Herstellung einsetzen. Doch die attraktiven Tarife locken immer mehr Hauseigentümer, sich eine Solaranlage zu kaufen. Bis zu einer Leistung von 30 Kilowatt ist auch der Eigenverbrauch erlaubt. Den Überschussstrom können die Anlagenbetreiber zum Einspeisetarif an den Energieversorger verkaufen.
Dieses Segment lockt vor allem die Hersteller auf den ukrainischen Markt. Zumal importierte Komponenten für den Einsatz in Regenerativenergieanlagen von der Umsatzsteuer befreit sind. „Um im Ausland erfolgreich zu sein, ist es nicht nur wichtig, innovative Produkte mit höchsten Qualitätsstandards anzubieten, sondern dort auch Kunden und Servicepartner optimal und umfassend zu unterstützen“, weiß Benjamin Fischer, Leiter des internationalen Vertriebs beim österreichischen Wechselrichterhersteller Fronius. Das Unternehmen hat deshalb Mitte dieses Jahres eine Geschäftsniederlassung etwa 20 Kilometer südöstlich von Kiew eingerichtet, wo die technischen Berater von Fronius die einheimischen Installateure und Servicepartner technisch unterstützen. Dazu gehören auch Schulungen über die technische Auslegung und die Klärung von Installationsproblemen. „Unser Schulungsangebot ist so beliebt, dass es fast immer ausgebucht ist“, sagt Fischer. Deshalb werde Fronius das Angebot auch ausweiten.
Immer lieferfähig bleiben
Die Niederlassung in der Ukraine dient aber auch gleichzeitig als Lager für Ersatzteile. „Muss ein Bauteil ersetzt werden, übernehmen wir die Bestellung, den Transport und die Abfertigung am Zoll“, sagt Benjamin Fischer. „Zudem erhalten die Kunden innerhalb eines Tages ein Austauschgerät und können so Ausfälle auf ein Minimum reduzieren.“ Denn gerade angesichts der hohen Einspeisevergütungen wird es extrem teuer und ärgerlich, wenn die Anlage länger als notwendig steht, weil ein Ersatzteil fehlt.
Fronius verspricht sich viel vom noch recht jungen Markt in der Ukraine. „Unser Ziel für dieses Jahr ist es, dort eine installierte Gesamtleistung von 100 Megawatt zu verkaufen“, erklärt Fischer. „Wir sind auf dem besten Weg, das zu erreichen.“ (Sven Ullrich)