„Wir führen den Einbruch bei den Neugründungen von Energiegenossenschaften 2014 auf die EEG-Reform zurück“, sagte Eckhard Ott, Vorstandsvorsitzender des Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverbands DGRV gestern, als er für seinen Verband auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) in Berlin die Ergebnisse der DGRV-Jahresumfrage vorstellte. Die Neugründungen sind von 129 im Jahr 2013 auf 54 zurückgegangen. Für Ott ist die verpflichtende Direktvermarktung, die seit der EEG-Novelle im August 2014 gilt, für Anlagen ab 500 Kilowatt einer der Gründe, warum das Interesse der Bürger an der Gründung von Energiegenossenschaften schwindet.
Ott machte aber auch klar, dass die wahre Herausforderung für Bürgerenergiegenossenschaften erst noch kommt: Ab 2017 werden Regenerativprojekte im Wettbewerb über Ausschreibungen vergeben. Einen Testballon gab es bereits mit einer Photovoltaik-Freiflächenausschreibung. Gleiche Chancen für alle, fairer Wettbewerb – das sind Floskeln, die für die kommenden Ausschreibung nicht greifen. Große, finanzstarke Projektierer sind hier zwangsläufig besser gestellt als kleine Energiegenossenschaften. Ott erklärt: „Wir sehen Ausschreibungsverfahren als sehr kritisch an wegen des Vorteils der Großen gegenüber den Kleinen. Für Energiegenossenschaften ist das Investment in eine Windkraftanlage sehr groß. Sie können nicht parallel an drei oder vier Projektausschreibungen teilnehmen, wie es die großen Projektierer tun.“ Zudem sei es gegenüber den Mitgliedern nicht zu verantworten, wenn man nicht den Zuschlag bekommt. Denn schon um an der Ausschreibung teilzunehmen, müsse man in finanzielle Vorleistung gehen, was Genehmigungen etc. anbelangt. „Da sind Sie schnell bei 200.000 bis 400.000 Euro. Das können wir nicht verantworten. Wir verbrennen Mitgliedergelder“, bestätigte auch Micha Jost, Vorstandsmitglied der Energiegenossenschaft Starkenburg.
Der DGRV schlägt daher für Windausschreibungen ein sogenanntes Übertragungsmodell vor. Die Idee: Bürgerenergiegenossenschaften als kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dürfen ihre Projekte außerhalb des Wettbewerbs durch Ausschreibungen realisieren – aber sie müssen den bei die Ausschreibungen erzielte Vergütungshöhe für die Kilowattstunde akzeptieren. Die Sorge, dass diese Ausnahmeregelung eine unüberschaubare Regenerativbauwelle auslösen könnte, teilt Ott nicht. Er erwartet einen Anteil von höchstens 15 Prozent aufgrund der geringen Investitionskraft von Bürgerenergiegenossenschaften, derzeit tragen die Regenerativprojekte von Energiegenossenschaften im kleinen einstelligen Bereich zu den Erneuerbaren bei, sie integrieren aber viele Menschen. Allein in den 772 Genossenschaften des DGRV sind 130.000 Mitglieder aktiv. Ausführliche Infos zu dem Modell finden Sie hier.
Übrigens: bei der PV-Testausschreibung hat keine einzige Energiegenossenschaft einen Zuschlag bekommen. Dafür waren aber die erzielten Kilowattstundenpreise mit neun bis zehn Cent relativ hoch - statt regierungsseitig erhoffter Niedrigpreise. Bis August läuft die zweite Ausschreibungsrunde.
Der DGRV hat den Vorschlag laut Andreas Wieg, Leiter der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften, bereits vor den PV-Testausschreibungen beim Bundeswirtschaftsministerium eingebracht, habe aber als Antwort erhalten, man wolle stattdessen ein möglichst einfaches Konzept vorstellen ohne Sonderregelungen und mit geringen Barrieren für Ausschreibungsteilnehmer. Möglicherweise hat die Idee aber noch Hoffnung, wo jetzt klar geworden ist, dass Bürgerenergiegenossenschaften ansonsten keine Chance haben.
Philipp Vohrer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien sowie auch Ott betonten einhellig, dass die Energiegenossenschaften für die Energiewende eine zentrale Rolle spielen. Nur so ließe sich die Akzeptanz der Bürger gewinnen. Micha Jost fasste es in einer griffigen Formel zusammen: „Wer auf ein Windrad schaut, soll auch einen Nutzen davon haben.“
Vohrer stellte in diesem Zusammenhang Ergebnisse einer Blitzumfrage der Agentur für Erneuerbare Energien unter 91 Kommunen vor. „Fast 80 Prozent der befragten Kommunen finden, dass eine Beteiligung an Regenerativprojekten über Energiegenossenschaften die lokale Akzeptanz stärkt“, so Vohrer. 96 Prozent der befragten Kommunalvertreter sehen die Akzeptanz als wesentlichen Faktor für den Erfolg der Energiewende. Fazit: Ohne Akzeptanz durch Bürgerbeteiligung kann die Energiewende nicht gelingen. (Nicole Weinhold)