Deutschland wird seinen Energiemix bis 2050 drastisch verändern und dadurch nicht nur seine Klimaziele fast erreichen, sondern auch größere Unabhängigkeit von Energieimporten erreichen. Das besagt der erstmalig erstellte Energy Transition Outlook Germany, den das Energieberatungs- und Versicherungsunternehmen DNV jetzt vorgestellt hat.
Demnach werden die CO₂-Emissionen bis 2045 um 89 Prozent und bis 2050 um 95 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Politisches Ziel ist aber, Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Gleichzeitig werde das Land bis 2050 fast die Hälfte (46 Prozent) des Energiebedarfs elektrifizieren und damit mehr als doppelt so viel wie die heutigen 19 Prozent. Die politischen Entscheidungsträger stünden nun vor der Aufgabe, diese Lücke zu schließen, heißt es in einer Presseinformation des DNV.
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DNV
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Importe sinken auf 27 Prozent
Die Importe, die derzeit 70 Prozent des deutschen Primärenergiebedarfs ausmachen, werden nach Ansicht des DNV bis 2050 auf 27 Prozent sinken. So geht der Bericht davon aus, dass die Einfuhren von Kohle um 99 Prozent und von Erdöl um 79 Prozent zurückgehen. Erdgas und Wasserstoff würden bis Mitte des Jahrhunderts gleichauf liegen, wobei ein Drittel des Wasserstoffs im Inland produziert wird.
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Wichtige Treiber der Elektrifizierung seien sinkende Kosten für neue Technologien wie Batterien und Wärmepumpen und durch politische Maßnahmen wie die steigenden CO₂-Preise. DNV erwartet, dass sich die Stromerzeugung bis 2050 auf 1.000 TWh verdoppeln wird - 90 Prozent davon aus erneuerbaren Energien. „Insgesamt prognostizieren wir, dass Deutschland ein sehr viel nachhaltigeres Energiesystem erreichen wird, ohne die beiden anderen Eckpunkte des Energietrilemmas zu opfern: Bezahlbarkeit und Energiesicherheit“, sagt DNV-CEO Remi Eriksen.
Investitionen von 3,3 Billionen Euro bis 2025
Der Übergang werde in den kommenden 25 Jahren durch Energieinfrastruktur-Investitionen in Höhe von 3,3 Billionen Euro erforderlich machen, so DNV. Das Kapital fließe vor allem in drei Bereiche: in den Ausbau von Anlagen für erneuerbare Energien, Wasserstoff und Speicher auf dem freien Markt; in regulierte Vermögenswerte wie Stromübertragungs- sowie Gas- ind Wasserstoffnetze und in Endverbraucher-Anlagen wie neue Heizungen und Photovoltaiksysteme auf Dächern. Zur Förderung dieser Investitionen seien aber eine langfristig verlässliche Regulierung, gezielte Subventionen und wirksame Maßnahmen zur Risikominderung erforderlich.
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Gleichzeitig geht DNV davon aus, dass neben dem Wachstum der erneuerbaren Energien auch die Energieeffizienz erheblich gesteigert wird. Bis 2050 werde sich die Energieintensität der deutschen Wirtschaft (d. h. der Energieverbrauch pro BIP-Einheit) fast halbieren, während der Energieverbrauch pro Kopf um über 50 Prozent sinken wird.
Energiepreise werden kein Standortnachteil
Ein weiteres wichtiges Ergebnis: Die Energiepreise werden nach Ansicht des DNV keinen Standortnachteil für die Industrie bringen. Energieintensive Branchen benötigetn allerdings Unterstützung, um ihre Geschäftsmodelle gezielt auf Energieeffizienz, Elektrifizierung und CO2-Abscheidung auszurichten. Nach den jüngsten Rekordpreisen für Energie werden diese Industrien in Zukunft zudem von fallenden Strompreisen profitieren. Wer Flexibilität in seinen Prozessen ermöglicht, könne zusätzlich profitieren.
Remi Eriksen betont: „Die große Frage ist, ob all diese Vorteile zu vertretbaren Kosten erreicht werden können. Angesichts der außergewöhnlich hohen Gas- und Strompreise, die Deutschland in jüngster Zeit erlebt hat, bestehen hier natürlich Bedenken. Unsere Analyse zeigt jedoch: Die Energiewende ist für Deutschland bezahlbar."