Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) will sich auf die Weiterentwicklung sogenannter Perowskit-Solarzellen konzentrieren. Dabei handelt es sich um ein Hybridmaterial aus organischen Methylammoniumverbindungen und anorganischen Halogeniden, das als Halbleitermaterial dient.
Noch ist die Technologie weit von der Markteinführung entfernt. Um diese Voranzubringen, werden die Karlsruher Wissenschaftler fachübergreifend in den kommenden drei Jahren im Projekt Nanosolar an Lösungen für neue Dünnschichtverfahren mit Perowskiten als Halbleitermaterial arbeiten. Es geht dabei um die kontrollierte Abscheidung von Nanokristallen für die Perowskite im Druck- und Beschichtungsverfahren, das dem der Herstellung von organischen Solarzellen ähnelt. „Das Projekt verbindet Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Wissenschaft“, erklären die Karlsruher Wissenschaftler. „Um die neue Technologie fundamental zu verstehen, untersuchen wir die Beziehungen zwischen den Strukturen und den Eigenschaften der Materialien, um diese zu optimieren. Die Ergebnisse sollen in spätestens drei Jahren vorliegen.
Wenig Materialeinsatz möglich
Der Vorteil der Perowskite als Halbleitermaterial ist der geringe Materialeinsatz. Damit können bei der Herstellung erheblich Kosten im Vergleich zu den derzeit am Markt befindlichen Dünnschichttechnologien eingespart werden. Die Perowskite haben aber noch einen entscheidenden Nachteil: Bisher müssen die Zellen mit einer giftigen Bleibverbindung hergestellt werden, um die Perowskit-Kristalle aufwachsen zu lassen. „Wir suchen jetzt nach einem Weg, ungiftige Metalle einzusetzen““, erklärt Alexander Colsmann, der am Lichttechnischen Institut des KIT die Abteilung Organische Photovoltaik leitet, den Forschungsansatz. „Wenn es gelingt, nachhaltige, umweltfreundliche Herstellungsprozesse für diese neue Technologie zu etablieren, könnten Perowskit-Solarzellen neben der großflächigen Stromerzeugung auch für die dezentrale Energieversorgung genutzt werden. Das Material einer Dünnschicht-Solarzelle hat ein homogenes Erscheinungsbild und eignet sich deshalb zum Beispiel als Fassadenverkleidung.“
Blei als Element einer Fassadenverkleidung ist aber ein rotes Tuch für die Investoren, die eventuell auf eine solche Technologie zurückgreifen wollen. Für die Karlsruher Forscher ist deshalb die Entgiftung der Perowskit-Solarzellen nicht nur im Sinne der Nachhaltigkeit, sondern eine zentrale Voraussetzung für ihre Markteinführung und ihren wirtschaftlichen Erfolg. Deshlab ist das Ziel der Forschung, die nanoskaligen Kristallstrukturen gezielt einzustellen und neuartige, umweltfreundliche Materialien und Prozesse zur Herstellung von Perowskiten zu entwickeln, um sie in Solarzellen zu integrieren. Im ersten Schritt untersuchen die Forscher zunächst den gesamten Prozess von der Synthese der Rohmaterialien bis zum fertigen Modul mit einer funktionsfähigen Solarzelle.
Auf Erfahrungen aus der organischen Photovoltaik setzen
Neben den geringen Materialkosten haben die Perwowskite aber auch noch das Potenzial für hohe Wirkungsgrade. „Perowskit-Solarzellen haben in den vergangenen Jahren eine beispiellose Entwicklung durchlaufen,“, erklären sie. „Innerhalb von nur fünf Jahren wurde ihr Wirkungsgrad erheblich gesteigert, sie setzen mittlerweile über 20 Prozent der Sonnenstrahlung in elektrische Energie um.“ Dies haben australische und britische Wissenschaftler schon im vergangenen Jahr auf kleinen Solarzellen geschafft.
Wie viele Dünschichttechnologien haben auch die Perowskite das Problem bei der Umsetzung der Laborwirkungsgrade der Zellen in die Massenfertigung von Modulen. Einen entscheidenden Schritt haben die belgischen Forscher vom IMEC in Leuven gemacht. Sie haben einen Wirkungsgrad von acht Prozent auf einer Fläche von immerhin schon mal 16 Quadratzentimetern erreicht. „Dieser Erfolg ist ein wichtiger Durchbruch bei der Realisierung marktfähiger Dünnschichtlösungen für die Anwendung als gebäudeintegrierte Photovoltaik“, betonen die belgischen Wissenschaftler.
Für die Wissenschaftler des IMEC sind die Perowskite ein exzellentes Material für die Dünnschichtphotovoltaik. Diese Zellen und Module versprechen in Zukunft ein riesiges Potenzial für Wirkungsgradsteigerungen. „Nicht nur das IMEC verbessert das Perowskitmaterial, aber es passt die auch Zell- und Modulstruktur so weit an, um die Effizienz der Perowskitsolarzellen und Module auf über 20 Prozent zu erhöhen“, stellt Tom Aernouts, Forschungsleiter für Dünnschichtphotovoltaik am IMEC, in Aussicht. „Die rasanten Fortschritte, die wir dabei machen, basieren auf unseren Erfahrungen mit der traditionellen organischen Photovoltaik.“ (Sven Ullrich)