Den Betreibern von Photovoltaikanlagen in Italien geht langsam die Freude an ihrem Generator verloren. Denn schon Ende des vergangenen Jahres hatte die Regierung in Rom die Spielregeln für die Förderung von Anlagen mit einer Leistung von mehr als 200 Kilowatt über das Conto Energia rückwirkend verändert. Der italienischen Regierung droht jetzt eine Klageflut. Doch sie lässt sich nicht beirren. Der chronisch klamme italienische Staat braucht noch mehr Geld, um das Finanzierungsloch zu stopfen, das sich bei der für die Förderung regenerativen Stroms zuständigen Behörde Gestore dei Servici Energetici (GSE) aufgetan hat.
Rom greift den Anlagenbetreibern in die Tasche
In Zukunft müssen Betreiber von Solarstromanlagen, die eine Förderung aus dem Conto Energia bekommen, eine zusätzliche jährliche Abgabe zahlen. Diese wird anhand der Größe des Generators berechnet. Betreiber von Anlagen mit einer Leistung zwischen drei und sechs Kilowatt müssen demnach mit Kosten von 2,20 Euro pro installiertes Kilowatt rechnen. Für Anlagen mit einer Leistung zwischen sechs und 20 Kilowatt fallen jährliche Zusatzkosten von zwei Euro pro Kilowatt an. Leistet der Generator zwischen 20 und 200 Kilowatt, muss der Betreiber jedes Jahr eine Sonderabgabe von 1,80 Euro pro installiertes Kilowatt an die GSE abführen. Für Anlagen mit einer Leistung zwischen 200 Kilowatt und einem Megawatt beträgt die Sonderabgabe 1,40 pro Kilowatt. Am besten kommen noch die Betreiber von großen Solarparks weg. Diese müssen für ihre Anlage jedes Jahr 1,20 Euro pro installiertes Kilowatt nach Rom überweisen. Was zunächst wenig klingt, verhagelt dennoch die Renditeberechnung der Investoren.
Sonderabgabe ohne Förderung
Doch nicht nur die Anlagenbetreiber, die für ihren Solarstrom Geld aus dem Fördertopf bekommen, müssen sich auf erhebliche Mehrkosten einstellen. Auch die Anlagenbesitzer, die vom Net Metering Programm profitieren, werden zur Kasse gebeten. So werden für Anlagen mit einer Leistung zwischen drei und 500 Kilowatt jährlich 30 Euro fällig, die die Betreiber nach Rom überweisen müssen. Für die Eigentümer von Generatoren mit einer Leistung zwischen 20 und 500 Kilowatt kommen zusätzlich noch jährliche Sonderabgaben in Höhe von einem Euro pro Kilowatt dazu. Auch von dieser Regelung nimmt Rom die Betreiber von Anlagen mit einer Leistung von bis zu drei Kilowatt aus.
Stromverkauf ohne Mehrwertsteuer
Eine dritte Änderung hat die Regierung in Rom schon zum Jahreswechsel eingeführt. Die Anlagenbetreiber können den Strom an die GSE nicht mehr mit Mehrwertsteuer verkaufen. „Was zunächst gar nicht gravierend klingt, hat aber Konsequenzen für Betreiber, die noch aus der Bauzeit über ein hohes Mehrwertsteuerguthaben verfügen“, erklärt Andreas Lutz, Geschäftsführer von New Energy Projects. Das Beratungsunternehmen hat sich unter anderem auf den italienischen Photovoltaikmarkt spezialisiert. Für diese wird es nun schwieriger, das Guthaben abzubauen“, warnt Lutz. „Wir empfehlen mit dem Steuerberater zu besprechen, ob ein Antrag auf Erstattung des Guthabens gestellt werden sollte.“
Unsichere Rahmenbedingungen verschrecken Investoren
Wie der italienische Photovoltaikmarkt auf die ständigen rückwirkenden Änderungen reagiert, bleibt noch abzuwarten. Rom tut sich damit aber selbst keinen großen Gefallen. Denn diese Praxis könnte auch Investoren in anderen Branchen verschrecken. Schon vor Monaten hatte der italienische Solarverband davor gewarnt, dass rückwirkende Änderungen von Spielregeln in der Wirtschaft das Vertrauen der Investoren in stabile Rahmenbedingungen in der gesamten Industrie nachhaltig stören könnte. Zusätzlich setzt sich Rom damit auch dem Risiko einer völkerrechtlichen Klage aus. Denn Italien hatte einst den Energy Charter Treaty (ECT) unterzeichnet. Dabei handelt es sich um eine Art Energieverfassung, die den Schutz für ausländische Investoren gewährleisten soll. Mit der rückwirkenden Kürzung der staatlichen Förderung hat Italien gegen den in der ECT festgeschriebenen fair and equitable treatment verstoßen. Der Vertragstext ist da eindeutig. „Jede Vertragspartei fördert und schafft im Einklang mit diesem Vertrag stabile, gerechte, günstige und transparente Bedingungen für Investoren anderer Vertragsparteien, in ihrem Gebiet Investitionen vorzunehmen“, lautet die entsprechende Formulierung im Vertrag. „Diese Bedingungen umfassen die Verpflichtung, den Investitionen von Investoren anderer Vertragsparteien stets eine faire und gerechte Behandlung zu gewähren.“
Der Begriff Enteignung steht im Raum
Zusätzlich sehen die Fachleute von Roedl und Partner in München in solchen Rückwirkenden Änderungen eine indirekte Enteignung, wie sie ebenfalls in der ETC behandelt wird. Sie berufen sich dabei auf ein Urteil des ETC-Schiedsgerichts aus dem Jahr 2008 gegen Bulgarien. Damals urteilten die Richter, dass eine Enteignung auch besteht, wenn staatliches Handeln zum Verlust des wirtschaftlichen Nutzens der Investition führt.
Verwaltungsklage geht schneller
Ob gegen Italien tatsächlich ein solches völkerrechtliches Verfahren in Gang kommt, hängt von den Anlagenbetreibern ab. Schließlich ist ein solches Verfahren langwierig und teuer. Beim ETC-Schiedsgericht liegen die Klagen gegen den spanischen Staat wegen rückwirkender Kürzung der Förderung schon seit Jahren auf dem Tisch, ohne dass es bisher zu einer Entscheidung gekommen wäre. Deshalb raten die Fachleute den Anlagenbetreibern, zunächst eine Verwaltungs- und dann eine Verfassungsklage anzustrengen. Dies geht schneller, ist billiger und hat gute Aussichten auf Erfolg. (Sven Ullrich)