Entgegen einem aktuellen Bericht des Handelsblatts liege das Projekt allerdings keineswegs auf Eis, wendet sich RWE-Sprecher Konrad Böcker im Gespräch mit ERNEUERBARE ENERGIEN gegen jüngste anderslautende Medienberichte. „Im Gegenteil: Wir sind mitten im Ausschreibungsverfahren für die Komponenten, und dafür ist auch Geld freigegeben worden“, betonte Böcker am Donnerstag.
RWE verweist allerdings dennoch bereits auf eine rote Linie: Vor einer endgültigen Entscheidung zum Investieren müsse einerseits absolut gesichert sein, zu welchem Zeitpunkt Nordsee-Netzbetreiber Tennet den Netzanschluss bereitstellen werde, sagte Böcker. Und andererseits müsse geklärt sein, wer im Fall einer Überschreitung der Frist für den finanziellen Schaden zu haften habe. Die Bundesregierung hat die Gesetzesvorlage für eine entsprechende Haftungsregelung noch zu August bereits versprochen.
Keine weiteren Projekte ohne sicheren Netzanschluss
Der Windpark Innogy Nordsee soll in drei Ausbaustufen 40 Kilometer nördlich von Juist auf einer Fläche von rund 100 Quadratkilometern entstehen. Er gilt RWE als wichtiges Prestigeobjekt, da er mit geplanten 160 Windturbinen und einer Leistung von 1.000 Megawatt zu den größten Offshore-Projekten der Welt gehören würde. Die Genehmigung für den ersten Teilabschnitt mit 54 Anlagen hatte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie im April dieses Jahres erteilt.
Schon damals hatte der damalige Finanzgeschäftsführer und jetzige Chef von RWE Innogy Hans Bünting betont, dass es für den Bau des Meereswindparks zwingend Planungssicherheit beim Netzanschluss und bei der Übernahme von Haftungsrisiken geben müsse. Insgesamt will RWE für alle drei Teilabschnitte rund drei Milliarden Euro investieren. Mit den Genehmigungen für die Ausbaustufen zwei und drei rechnet der Energieversorger bis Ende des Jahres.
Fundamente für Nordsee Ost sollen bald gesetzt werden
Unterdessen steht der Baubeginn von RWE Innogys erstem Offshore-Windpark Nordsee Ost unmittelbar bevor. Das eigens gebaute Installationsschiff, das über vier Beine verfügt und sich in Wassertiefen von mehr als 40 Metern aufstellen kann, hat die Belastungstests der vergangenen Wochen erfolgreich bestanden: In den kommenden Tagen soll die Victoria Mathias nun in Bremerhaven die ersten Fundamente laden und anschließend im Baufeld rund 35 Kilometer nördlich von Helgoland setzen – und das trotz der angekündigte Verzögerungen beim Netzanschluss.
Die von der Bundesnetzagentur vorgegebene Anbindungfrist von 30 Monaten ab Investitionsentscheidung ist gerade abgelaufen, ein verbindliches Datum für den tatsächlichen Netzanschluss hat Tennet bislang nicht genannt. Nachdem der Netzbetreiber aus den Niederlanden inzwischen allerdings schon zweimal Verzögerungen angekündigt hat, rechnet RWE mittlerweile damit, dass Nordsee Ost frühestens 2014 Strom ins Netz einspeisen kann. Ob das Unternehmen angesichts der damit verbundenen finanziellen Verluste, die mit einem dreistelligen Millionenbetrag beziffert werden, vor Gericht ziehen wird, steht noch nicht fest. „Wir behalten uns eine Klage als Ultima Ratio vor“, sagte RWE-Sprecher Böcker. Allerdings betont er auch: „Wir sind nicht die einzigen Betroffenen: Es muss darum eine Branchenlösung geben, um das Problem zu lösen.“
(Anne-Katrin Wehrmann)