Das Potenzial dezentraler Batteriespeicher in Deutschland übersteigt das gesamte Speichervermögen der hierzulande vorhandenen Pumpspeicherkraftwerke. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse der neuen Speicherstudie, die Wissenschaftler der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin erstellt haben. Außerdem sind die dezentralen Stromspeicher für einen schnellen Ausbau der Photovoltaik in Deutschland von entscheidender Bedeutung. „Bei vorausschauender Planung der Speicherladung lässt sich die Netzeinspeisung auf die Hälfte der installierten Photovoltaikleistung reduzieren und damit die Anzahl der installierbaren Photovoltaikanlagen deutlich erhöhen“, rechnet Volker Quaschning vor. Er ist Professor an der HTW und Mitautor der Speicherstudie.
Überschüsse beherrschen
Konkret gehen die Berliner Wissenschaftler davon aus, dass zum gelingen der Energiewende die Photovoltaik mit mindestens 25 Prozent zur Stromerzeugung in Deutschland beitragen müsste. Dazu wären Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von mindestens 200 Gigawatt notwendig. „Bereits bei einer installierten Photovoltaikleistung von 70 Gigawatt, was rund einer Verdopplung der heutigen Leistung entspricht, können Photovoltaiksysteme temporär den Verbrauch vollständig abdecken“, rechnen die Autoren der Studie vor. „Steigt die Photovoltaikleistung auf die erforderlichen Werte von deutlich über 100 Gigawatt, kommt es zur Mittagszeit zu erheblichen Überschüssen durch die Solarstromerzeugung, die ohne weitere Maßnahmen auch durch einen noch so ambitionierten Leitungsausbau nicht zu beherrschen wären.“
Täglich 500 Gigawattstunden speichern
An dieser Stelle kommen die Speicher als unverzichtbarer Bestandteil des Photovoltaikausbaus ins Spiel. Denn wenn man bei einer installierten Solarstromleistung von 200 Gigawatt die Abregelung von Anlagen vermeiden möchte, müssen bei einer Überschussleistung von 70 Gigawatt täglich 500 Gigawattstunden gespeichert werden. „Diese Energiemenge entspricht mehr als dem Zehnfachen der Speicherkapazität der heute in Deutschland in Betrieb befindlichen Pumpspeicherkraftwerke“, warnen die Berliner Wissenschaftler. „Zentrale Speicher werden in absehbarer Zeit nur einen Teil der Energiemenge aufnehmen können. Langfristig stehen dann auch bei der Power-to-Gas-Technologie große Speicherkapazitäten zur Verfügung, da hier das Gasnetz als Speicher nutzbar gemacht werden kann.“
Allerdings kann das Gasnetz zwar die notwendige Kapazität bereitstellen, doch die notwendige Leistung ist der Flaschenhals dieser Form der Speicherung. Zudem sind die Power-to-Gas-Anlagen immer noch teuer und es dauert noch eine Weile, bis sie zu einem angemessen Preis zur Verfügung stehen. „Die Potenziale der dezentralen Speicherlösungen lassen sich hingegen bereits sehr kurzfristig erschließen“, erklären die Autoren der Studie. „Neben stationären Batteriespeichern kommen mobile Batteriespeicher in Elektrofahrzeugen oder die Erzeugung von Trinkwarmwasser und Prozesswärme sowie die Raumtemperaturänderung in Gebäuden in Frage. Weitere Potenziale ließen sich in Kühlhäusern erschließen.“
Die Herausforderung meistern
Die für die Energiewende notwendige dezentrale Speicherkapazität ist zwar eine Herausforderung, aber diese kann Deutschland meistern. Schon wenn jeder zweite Haushalt einen Speicher in angemessener Größe installiert, würde eine Kapazität von 380 Gigawattstunden erreicht. „Zusammen mit dem gewerblichen Bereich überschreiten die Speicherpotenziale die bei einer installierten Photovoltaikleistung von 200 Gigawatt maximal zu erwartenden Überschüsse“, rechnen die Autoren vor. „Die verfügbare Spitzenleistung wäre bereits bei deutlich geringerer Marktdurchdringung mehr als ausreichend. Werden mit einem ambitionierten Photovoltaikausbau auch die aufgeführten Speicherpotenziale erschlossen, lassen sich damit die resultierenden Überschüsse problemlos nutzen.“
Speicher sind schon wirtschaftlich
Das Problem ist die Wirtschaftlichkeit der Speicher. Diese ist – abgesehen von dem Wunsch der Betreiber von Photovoltaikanlagen nach größtmöglicher Autarkie – noch nicht vollständig gegeben. Doch angesichts der weiter steigenden Stromkosten vor allem für Privathaushalte und kleine Gewerbebetrieb und den sinkenden Kosten für die Speicher werden diese bald wirtschaftlich sein. „Sobald die mittleren Stromkosten den angenommenen Netzbezugspreis von 34 Cent pro Kilowattstunde unterschreiten, ist die Investition in ein Speichersystem wirtschaftlich sinnvoll“, haben die Berliner Wissenschaftler ausgerechnet.
Die mittleren Stromkosten ergeben sich dabei aus den Investitions-, Betriebs- und Finanzierungskosten für den Solargenerator und den Speicher und den Ausgaben für den aus dem Netz bezogenen Kosten. Davon abzuziehen sind die Einnahmen aus der EEG-Vergütung bei Netzeinspeisung des Überschusses aus der Photovoltaikanlage. So unterscheiden sie sich von den Kosten des Strombezugs. Diese fallen ohne Solaranlage an. Liegen die mittleren Stromkosten demnach 34 Cent pro Kilowattstunde unter den Kosten, die ein Haushalt ohne Photovoltaik zahlt, ist ein Speicher wirtschaftlich. Diese Differenz ergibt sich bei den derzeitigen Preisen, wenn die Strombezugskosten aus dem Netz über 20 Jahre gerechneten jährlich um zwei Prozent ausgehend von einem Wert von 28 Cent pro Kilowattstunde steigen.
Diese Werte gelten allerdings nur, wenn der Speicher eine Anzahl von 5.000 Zyklen erreicht und 20 Jahre hält. Da die Berliner die Eigenverbrauchsumlage nicht mit eingerechnet haben, gilt die Berechnung außerdem nur für Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von bis zu zehn Kilowatt. So sind aber Speicher für den Eigenverbrauch schon jetzt wirtschaftlich. Auch größere Speicher für Gewerbebetriebe werden bald ihre Wirtschaftlichkeit erreichen. Dies um so schneller, wenn die Netzbetreiber den Mehrwert aus den Speichern honorieren und die Politik keine weiteren Hürden für den Eigenverbrauch errichtet. (Sven Ullrich)