Der Bonner Modulhersteller Solarworld will beim zuständigen Amtsgericht einen Insolvenzantrag stellen. Der Vorstand begründet dies mit der fehlenden positiven Prognose zum Fortbestand des Unternehmens angesichts des aktuellen Geschäftsverlaufs. Solarworld sei überschuldet und damit bestehe die Pflicht, einen solchen Insolvenzantrag zu stellen, erklärt der Vorstand. Auch für die Tochtergesellschaften wird geprüft, ob ebenfalls die Pflicht besteht, einen Insolvenzantrag zu stellen.
Technologisch vorn mitgespielt
Mit Solarworld gerät jetzt der letzte große europäische Modulhersteller an den Rand der Pleite. Die Werke im sächsischen Freiberg und im thüringischen Arnstadt haben eine Produktionskapazität von immerhin mehr als einem Gigawatt. Damit kann es Solarworld zumindest was die Größe betrifft, mit der chinesischen Konkurrenz aufnehmen. Auch technologisch spielt der Bonner Konzern ganz vorn mit und kann mit seinen Produkten auf dem Weltmarkt bestehen. Immerhin liefen im Freiberg Werk von Solarworld weltweit mit die ersten Module mit den sogenannten PERC-Zellen vom Band. Diese haben eine passivierte und verspiegelte Rückseite, so dass mehr Photonen zur Stromproduktion genutzt werden können. Inzwischen haben andere Hersteller nachgezogen und auch auf diese Technologie umgestellt. Auch bei der Einführung von bifacialen Modulen, bei der die Rückseite ebenfalls zur Stromproduktion beiträgt, war Solarworld ganz vorn mit dabei.
Doch diese technologische Führung in der Welt konnte das Unternehmen nicht in positive Geschäftszahlen umsetzen. Seit vergangenem Jahr schreibt der Konzern wieder tiefrote Zahlen. Zwar konnte das Unternehmen etwa 40.000 Euro mehr Umsätze erlösen, die Gewinne vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen rutschten wieder ins Minus, nachdem Solarworld einen Gewinn von 40,8 Millionen Euro eingefahren hatte. Ende 2016 stand ein Minus von 25,8 Millionen Euro in den Büchern. Entsprechend stieg auch der Verlust nach Abzug von Steuerung und Zinsen auf 98,8 Millionen Euro.
Zwischen Konkurrenz aus China und fehlendem Heimatmarkt
Den eigentlichen Grund für die Probleme im Konzern sieht Solarworld in der Konkurrenz zu den chinesischen Anbietern, die ihre Module immer noch zu niedrigeren Preisen auf dem Weltmarkt anbieten als europäische Hersteller. Dadurch schreite die Preisverwerfung auf den Modulmärkten weiter voran, betont der Vorstand von Solarworld und sieht darin den Grund für die Überschuldung des Konzerns. „Seit nunmehr fünf Jahren beklagen wir in der EU massives Dumping chinesischer Solarhersteller“, sagt Milan Nitzschke, Vorstandssprecher von Solarworld in seiner Funktion als Präsident von EU Pro Sun, einer Plattform der europäischen Modulhersteller, die sich gegen die chinesische Konkurrenz zur Wehr setzt. „Auch die 2013 eingeführten Antidumpingmaßnahmen wurden lange Zeit nur halbherzig kontrolliert, so dass kontinuierlich weiterer Schaden für die heimische Industrie entstanden ist“, begründet Nitzschke die Tatsache, dass Solarworld es trotz der Importzölle und der Mindestverkaufspreise nicht aus den roten Zahlen herausgeschafft hat.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Europäische Kommission zwar den Marktzugang für die chinesische Konkurrenz der europäischen Hersteller mit den Antidumpingmaßnahmen begrenzt hat. Gleichzeitig hat es aber die gleiche Kommission in Zusammenarbeit mit vielen Regierungen versäumt, ein entsprechendes Umfeld zu bereiten, in dem ein Heimatmarkt für die europäischen Hersteller hätte entstehen können.
Überkapazitäten aufgebaut
Nitzschke sieht die Ursache für die Schieflage am Markt in den massiven Überkapazitäten die in China in den vergangenen Jahren staatlich finanziert aufgebaut wurden. „In einer Marktwirtschaft wäre das irrational, im kurzfristigen Interesse Chinas, Dominanz über eine der wichtigsten Schlüsselindustrien zu gewinnen aber offensichtlich erfolgreich“, beklagt er. „Seit Mitte letzten Jahres hat die chinesische Regierung den Druck nochmals erhöht, als sie die Nachfrage nach Solarprodukten im eigenen Land drosselte. Damit wurde die chinesische Überproduktion erneut in Massen zu Dumpingpreisen in die internationalen Märkte gelenkt. Dies hat weltweit zu Verlusten und dem Abbau Zehntausender Arbeitsplätze geführt.“
Die Billigangebote der chinesischen Konkurrenz auf gleichem technologischem Niveau führt tatsächlich zu Nachteilen für die europäischen Hersteller auf den Märkten der Welt, auf denen sie sich direkt mit den Anbietern aus dem Reich der Mitte messen müssen. Da sind Projekte, wie der 20-Megawatt-Solarpark im Senegal, das Solarworld im Oktober 2016 mit seinen Modulen beliefert hat, eher die Ausnahme. Meist werden solche Anlage mit chinesischen Modulen gebaut. Ob deren niedrigen Preise auf der Basis von staatlich subventionierten Dumpingangeboten zustandekommen, da streitet sich die europäische Solarbranche bis heute noch.
Große Geschäfte in den USA
Den größten Teil seines Umsatzes erwirtschaften die Bonner in den USA. Immerhin dort können sie vom Boom profitieren. Immerhin zehn Millionen Euro mehr flossen im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2015 aus den USA in die Konzernkasse von Solarworld. Dagegen steht ein Umsatzrückgang in Deutschland – für Solarworld der zweitgrößte Einzelmarkt – in Höhe von 13,5 Millionen Euro, was nicht zuletzt auf die sinkende Nachfrage aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen zurückzuführen ist. Auch im restlichen Europa ist Solarworld gut vertreten. Im Vergleich zu 2015 konnte das Unternehmen im Jahr 2016 gut zwölf Millionen Euro mehr Umsatz erwirtschaften.
Sorgenkinder bleiben vor allem die asiatischen Boommärkte. Dort erlöst das Solarworld nur knapp sieben Prozent seiner Umsätze – im Jahr 2016 immerhin 20 Millionen Euro mehr als noch 2015, als der Anteil Asiens am Konzernumsatz bei nur 4,5 Prozent lag. In China, dem weltweit führenden Einzelmarkt, ist Solarworld ohnehin nicht gut gelitten, da das Unternehmen als treibende Kraft die Konkurrenz aus dem Reich der Mitte mit Dumping- und Subventionsvorwürfen unter Druck setzt.
Umstieg auf Mono ist geplant
Immerhin hat der Konzern schon auf die Probleme auf dem Weltmarkt reagiert. Es muss dringend eine Abgrenzung zur chinesischen Konkurrenz her. Deshalb hat der Konzernvorstand schon vor einigen Monaten beschlossen, die Produktion polykristalliner Standardmodule, mit denen man sich in direkter Konkurrenz zu den chinesischen Anbietern befindet, einzustellen. Statt dessen will Solarworld nur noch monokristalline Module produzieren. Die beiden Werke in Freiberg und Arnstadt sollen entsprechend so umgebaut werden, dass die bisherigen Redundanzen wegfallen, mit dem entsprechenden Wegfall von Arbeitsplätzen. Nach Konzernangaben verlief diese Umstrukturierung bisher nach Plan. Sie sollte bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein.
Schuldenberg lastet auf dem Unternehmen
Doch ob und wie diese Umstrukturierung weitergeht und bis zum Ende durchgezogen wird, entscheidet wahrscheinlich in Zukunft der Insolvenzverwalter, wenn die Bonner tatsächlich zum Amtsgericht gehen. Doch ein Vorteil hat die Insolvenz. Der Konzern kann dann seine Umstrukturierung durchziehen, ohne von den Gläubigern bedrängt zu werden. Immerhin stehen noch zwei Anleihen mit einem Volumen von 182,53 Millionen Euro aus, von denen bisher nur ein Teil abgelöst wurde. Auch eine noch Strafzahlung an Hemlock Semiconductor wegen der Nichtabnahme von vereinbarten Polysilizium-Lieferungen in Höhe von 793 Millionen US-Dollar (862,5 Millionen Euro) ist nicht einfach vom Tisch zu wischen. Zwar ist hier für Solarworld der Gerichtsweg noch nicht bis zum Ende durchschritten, doch schwebt hier ein Damoklesschwert über dem Modulhersteller, der das Eigenkapital des Konzerns um ein Mehrfaches übersteigt. Sollte Solarworld tatsächlich in die Insolvenz gehen, müsste sich Hemlock mit einem winzigen Bruchteil der geforderten Summe begnügen. (Sven Ullrich)