Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
EEG-Erfahrungsbericht

"Berlin verhindert schnellen Umstieg"

ERNEUERBARE ENERGIEN: Herr Albers, was hat Sie am jetzt veröffentlichten EEG-Erfahrungsbericht am meisten überrascht?

Hermann Albers: Die vorgesehenen Eingriffe in die Vergütung der Windkraft an Land: Nachdem sich die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke von vergangenem Herbst jetzt als Fehler herausgestellt hat, ließ die Regierung verlauten, dass es einen neuen Aufbruch ins Zeitalter der erneuerbaren Energien geben wird. Die Windenergie sollte die tragende Rolle dabei spielen. Und nun überrascht der Erfahrungsbericht damit, dass die Potenziale der Windenergie an Land nicht in vollem Umfang genutzt werden sollen und dass für die Windkraft an Land kein stabiler Kurs vorgesehen wird. Würde es zu den im Erfahrungsbericht vorgeschlagenen deutlichen Kürzungen in der Vergütung kommen, wird uns das sehr viele Binnenlandstandorte für Windparks kosten.

Dass diese Regierung die Offshore-Windenergie wesentlich im Verhältnis zur Windkraft an Land gestärkt sehen will, pfeifen doch die Spatzen schon seit mindestens 12 Monaten von den Dächern …

Ich habe nichts dagegen, dass im Offshore-Sektor die Forderungen erfüllt werden, die der Bundesverband Windenergie (BWE) auch schriftlich vorgelegt hatte.

Sie meinen, das Stauchungsmodell?

Ich meine die Integration des bisherigen Sprinterbonus von zwei Cent, die weitere Aussetzung der Degression und das Stauchungsmodell. Das gibt der Offshore-Windkraft die Möglichkeit, vielleicht auch die Anzahl der Projekte und die Zubaugeschwindigkeit zu erhöhen. Problematisch ist nun, dass der Ausbau der Windkraft an Land durch die im Erfahrungsbericht vorgeschlagenen Maßnahmen ausgebremst würde.

Was ist nicht richtig an etwas, das der BWE für den Solarbereich zuletzt im Chor aller Erneuerbarenverbände forderte: Dass die Degression angesichts eines beschleunigten technischen Fortschritts erhöht wird – bei Onshore-Windkraft nun um nur einen Punkt auf zwei Prozent? Vergütungsrückgänge von effektiv jährlich 0,2 Cent pro Kilowattstunde lesen sich nicht wirklich schmerzhaft. Geht es Ihnen um Symbolik?

Nein. Aber die Gründe, um für die Solarwirtschaft zweimal die Kostensituation zu überprüfen – innerhalb der dreijährigen EEG-Laufzeit – lagen darin, dass der Ausbau der Photovoltaik von 500 auf 7.000 Megawatt (MW) angestiegen war. Dies war ein Beleg für den Erfolg und die hohe Wirtschaftlichkeit dieser Branche.

In der Windenergie treffen wir auf eine vollständig andere Situation. Wir haben hier einen Rückgang im jährlichen Zubau von über 3.000 auf 1.500 MW erlebt. Allein im letzten Jahr betrug die Regression minus 19 Prozent. Hier kann niemand ernsthaft davon ausgehen, dass die großen Potenziale genutzt würden. Ganz ehrlich: Beim Lesen der Quartalsberichte der vergangenen Tage der Turbinenhersteller wird deutlich, dass in der Windkraft momentan kaum Geld verdient wird. Die Branche wird offensichtlich überschätzt..

Hat das wirklich mit der Vergütung zu tun? Probleme bereiten in Deutschland doch eher fehlende Standorte und deswegen der große bürokratische und zeitliche Aufwand bei Projektentwicklungen?

Wir müssen unterscheiden zwischen Potenzialen, die vorhanden sind und Potenzialen, die bereit gestellt werden. Wir haben ja in der vom BWE beauftragten Fraunhofer-Studie zum Potenzial der Windenergienutzung an Land feststellen können, dass bei Bereitstellung von zwei Prozent der Flächen in Deutschland 200 Gigawatt installierbar wären. Wir haben in den nord- und ostdeutschen Ländern gesehen, dass zwei Prozent auch mit der Akzeptanz der Bevölkerung möglich sind. In den süddeutschen Ländern standen dem Ausbau der Windenergie vor allem politische Entscheidungen entgegen. Seit Fukushima aber bewerten auch diese die Situation neu. Es gibt eine Reihe von Ankündigungen, eine neue Strategie zu entwerfen – nicht zuletzt in Bayern von Ministerpräsident Horst Seehofer und Umweltminister Markus Söder.

Das würde doch die Bedeutung der Degression abmildern?

Nein. Von der Politik wird offenbar unterschätzt, dass auf Basis der ja heute niedrigsten Vergütungssätze unter den erneuerbaren Energien die Potenziale nur mit einer stabilen Vergütung erschließbar bleiben. Der Erfahrungsbericht ist kontraproduktiv. Dazu gehört erstens die vorgesehene Rücknahme des Systemdienstleistungsbonus für neue Anlagen, die zur Netzstabilität beitragen. Dabei hat dieser Bonus im EEG preisstabilisierend gewirkt. Und dazu gehört zweitens die Beschränkung des Repoweringbonus auf Windenergieanlagen, die zwischen 14 und 17 Jahre alt sind.

Ich weiß aus den Rückmeldungen der Projektträger, dass schon eine Vergütungskürzung insgesamt um einen halben Cent für viele mittel- und süddeutsche Projekte das Aus bedeutet. Diese Entscheidung jetzt würde definitiv Potenzial und Standorte kosten: auf einer Basis von acht bis neun Eurocent pro Kilowattstunde für Windkraft an Land. Während man offensichtlich in Kauf nimmt, die Offshore-Vergütung von 15 bis 17 oder auch 18 Cent wirtschaftlich dem Verbraucher problemlos begründen zu können. Und das macht den Erfahrungsbericht wirklich überraschend.

Lässt sich aus dem Erfahrungsbericht so eindeutig herauslesen, dass der Repoweringbonus auf die heute 14 bis 17 Jahre alten Anlagen beschränkt werden könnte?

Er bedeutet wirklich, dass Turbinen der Errichtungsjahre 1990 bis 1993 und von ´98 bis 2002 vom Anlagenaustausch Alt gegen Neu abgeschnitten werden, während die jetzige Regelung ein Mindestalter der Windräder von zehn Jahren vorsieht. Weil die zubaustarken Jahre 1998 bis 2002 gewesen sind, würden damit 75 Prozent der heutigen Kapazität herausgenommen. Ich hatte die Ankündigung der Bundesregierung im vergangenen Jahr zur Beschleunigung des Repowerings so verstanden, dass mit dem Bonus auch bei jüngeren Projekten die Bereitschaft gefördert werden soll, in neue Investitionen und Technologien hineinzugehen. Offensichtlich will die Politik nun auf schnelle Investitionen in Windenergie an Land verzichten.

Bleibt noch die empfohlene Marktprämie – die Förderung von freiwilligem direktem Stromverkauf etwa an der Börse anstelle der EEG-Vergütung durch die Netzbetreiber. Die Prämie soll in Momenten hohen Strombedarfs auf den Stromhandelspreis vom Staat aufgeschlagen werden. Sie warnen hier bereits vor Mitnahmeeffekten. Man müsstesie also nur gezielter ausgestalten?

Lieber will ich dabei bleiben, das relativ konkrete Modell des Kombibonus weiter zu konkretisieren. Damit wäre auch der Verstetigungsbonus nicht vom Tisch. Der Erfahrungsbericht zeigt freilich: Er wird von der Politik nicht ernst genommen.

Bei so viel Kritik: Waren die Erneuerbaren-Verbände während der Erarbeitung des Erfahrungsberichtes weniger involviert als vor vergangenen EEG-Novellen?

Wir haben den Regierenden sehr früh unser Positionspapier überreicht. Wir haben eine ganze Reihe von Gesprächen geführt – bis in die Spitze der Ministerien hinein, mit Herrn Brüderle, dem Wirtschaftminister, mit Herrn Röttgen. Ich frage mich aber heute, ob der Erfahrungsbericht die Qualität hat, die ein Erfahrungsbereicht haben muss. Denn er findet auf einer sehr verkürzten Basis der Datenermittlung statt. Insbesondere der hohe Kostenanstieg der vergangenen Monate und auch der Zinsanstieg von einem Prozent allein in den vergangenen zehn Wochen scheinen für Onshore-Windenergie nicht berücksichtigt worden zu sein. Die Risiken weiterer Anstiege in diesem Segment sind mir zu kurz gekommen. Dafür hält der Erfahrungsbericht fest, dass Windkraftanlagen um 20 Prozent billiger geworden seien. Dies kann ich zumindest aus meinen Geschäften als selbstständiger Windmüller widerlegen. In Deutschland hat es eine solche Marktentwicklung nicht gegeben.

Haben Sie Hoffnung, noch substanziell eingreifen zu können? Oder macht Sie die verglichen mit vorigen EEG-Novellen offenbar eher geringe Einbindung der Erneuerbarenverbände in den Erfahrungsbericht skeptisch?

Ich kenne innerhalb der Bundesregierung unterschiedliche Standpunkte darüber, ob die Beschleunigung der erneuerbaren Energien durch das EEG vor allem schnell definiert werden soll oder in einem Verfahren mit hinreichender Beteiligung des Parlaments. Ich glaube, dass sehr viele in Berlin eine grundsätzliche Debatte des Parlaments bevorzugen. Und das Parlament hat vielleicht besser als das eine oder andere Ministerium die Chance, vor Ort mit Projektträgern zu sprechen, Bilanzierungen und Zahlen kennen zu lernen. Wir vertrauen darauf, dass man dann die Windkraft onhore hinreichend berücksichtigt. Sie ist die günstigste und ressourcenreichste Quelle – und jene, die am schnellsten ausbaubar ist. Es geht ja hier um eine schnelle Antwort auf den Ausstieg aus der Atomenergie.

Im Moment steht im Raum, dass die Bundesregierung eine Entscheidung fasst, die im Schwerpunkt dort mehr Vergütung zulässt, wo es den großen Energieversorgungsunternehmen zu Gute kommen würde. Dieser Eindruck war schon bei der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke im vergangenen Herbst in der deutschen Öffentlichkeit entstanden. Ihn zu wiederholen, wäre ein Fehler.

(Das Interview führte Tilman Weber)