Tilman Weber
Sechs Punkte für sofortigen Handlungsbedarf hat die Berliner Expertise-Dienstleistungsorganisation identifiziert. „Die von der Bundesregierung vorgelegte Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes EEG ist unzureichend. Sie ist weder geeignet, die neuen noch die bestehenden Klimaschutzziele zu erreichen“, heißt es im Vorwort der 44-seitigen Broschüre „Sofortprogramm Windenergie an Land – Was jetzt zu tun ist, um die Blockaden zu überwinden.“
Der EEG-Entwurf im Bundestag müsse noch einmal „grundlegend korrigiert werden“, notiert Agora Energiewende. Demnach müsse der Gesetzgeber durch die geplante EEG-Novelle 2021 einige wenige Ergebnisse unbedingt erreichen, damit die Onshore-Windkraft in Deutschland ausreichend zur Erfüllung der Klimaziele beitragen kann: Die Politik müsse dafür den Zubau der Onshore-Windkraft ab 2022 auf das Niveau von 2017 von jährlich 5,5 Gigawatt (GW) zurückbringen. Und sie müsse bestehende Blockaden abbauen – ob bei Flächenausweisungen für Turbineninstallationen, bei Windparkgenehmigungen oder beim Zulassen von Repowering. Zudem solle ein Masterplan in der kommenden Legislaturperiode den Zielkonflikt des Klimaschutzes zu Abstandsregeln für den Schutz von Anwohnern sowie zum Naturschutz klären.
Die sechs Sofortmaßnahmen
Damit die EEG-Novelle diese Ergebnisse überhaupt möglich macht, fordert Agora Energiewende diese sechs Sofortmaßnahmen:
1. Eine Anhebung des geplanten jährlichen Ausschreibungsvolumens für Vergütungsrechte neuer Windparks auf 5.500 MW schon ab 2022 und auf 5.800 MW im Jahr 2028. Die von den Parlamentariern an diesem Mittwoch zunächst noch einmal im Wirtschafts- und Energie-Ausschuss behandelte Gesetzesvorlage sieht 2021 eine Ausschreibung von 4.500 MW vor und von 2022 bis 2025 Ausschreibungen für 2.900, 3.000, 3.100 und 3.200 MW. Erst danach soll die Bundesnetzagentur gemäß Gesetzentwurf die Volumen in großen Stufen ausweiten, um 2028 einen Höchstwert von 5.800 MW auszuloben. Dieser Regierungsentwurf würde so zu einem jährlichen Bruttozubau neuer Windkraft an Land von 3,4 Gigawatt (GW) führen – vor Abzug zeitgleich abgebauter, nicht mehr durch EEG-Festvergütung geförderter Altanlagen. Die vorliegende EEG-Novelle zielt damit eine Ende 2030 erreichte Windkraft-Onshore-Kapazität am Netz von 71 GW, nachdem viele Betreiber unrentable Altanlagen abgebaut haben werden. Agora-Energiewende verlangt derweil einen jährlichen Bruttozubau von 4,5 GW und einen Ausbau bis 2030 auf 80 GW.
2. Eine Öffnung zusätzlicher für den Windparkzubau als geeignet ausgewiesener Flächen. Diese müsse vor allem durch Anpassungen im Baurecht erfolgen. Beispielsweise will Agora Energiewende den Anlagenzubau auch auf Gewerbeflächen zugelassen sehen. Der Schutz von Anwohnern solle zudem mit einem gesetzlichen Mindestabstand zwischen Wohnhäusern und Turbinen nur der zweifachen Gesamtanlagenhöhe gewährleistet sein, heißt es in dem Papier. Neueste Großanlagen müssten damit mindestens 400 bis 500 Meter Abstand halten, während die bundesweit strengste Abstandsvorgabe durch die bayerische Landesregierung seit 2017 Mindesttabuzonen um Siedlungen von 2 bis 2,5 Kilometern einrichtet.
3. Die Absicherung lange genutzter Windkraftflächen fürs Repowering – den Austausch alter gegen neue leitungsfähigere Anlagen oder für den Weiterbetrieb von Altanlagen. Dafür müsse Repowering überall dort erlaubt sein, wo neue Anlagen einen Abstand um das Zweifache ihrer Gesamthöhe einhalten. Falls auf ungünstig nah an Siedlungen gelegenen Altturbinen-Standorten die neuen Anlagen hingegen näher an Wohngebiete heran müssten, sollte dort ein Repowering durch Neuanlagen mit ähnlicher Leistung und Nabenhöhe wie bei den Altanlagen möglich bleiben. Wo Repowering nicht realistisch ist, sollte der Gesetzgeber dafür den Weiterbetrieb von Post-EEG-Anlagen fördern.
4. Mehr Rechtssicherheit durch eine vereinfachte Methodik bei der Ausweisung von Windkraftkonzentrationszonen. Hierfür sollten die Parlamentarier eine Überarbeitung der Sonderregelungen für Windenergie im Paragraf 249 des Baugesetzbuches veranlassen.
5. Die Genehmigungsverfahren beschleunigen. Klare Fristen für Stellungnahmen beteiligter Akteure gelten wie beispielsweise weiterer Behörden, schlägt Agora Energiewende analog zu früheren Vorschlägen aus der Windenergiebranche vor. Die Genehmigungsbehörden selbst sollten bei solchen verpassten Abgabefristen die behördliche Zustimmung nach eigenem Ermessen selbst erteilen können. Außerdem solle eine bessere Personalausstattung der an der Genehmigung beteiligten Behörden die Wartezeiten bei der Bearbeitung verkürzen.
6. Mehr artenschutzrechtliche Ausnahmeregelungen zugunsten neuer Windparks an Land. Außerdem müsse ein neuer Rechtsrahmen her, an dessen Entwicklung ein Artenschutzfonds Windenergie zu beteiligen wäre. Gemäß dem Vorschlag von Agora Energiewende zielt der neue Rechtsrahmen hier darauf ab, den Populationsschutz „windenergiesensibler Arten“ zu stärken und dennoch mehr Windenergie zuzulassen. Dies soll wohl den Gegensatz aufheben, der sich im Rechtsverständnis der Gerichte bisher zwischen einem Schutz für jedes einzelne Tier vor einer Tötung durch einen Rotor und einem Schutz für jede Tierpopulation vor einer erkennbaren Dezimierung ergab.
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