„Wir befürchten strukturelle Verwerfungen in der gerade auch international erfolgreichen deutschen Windindustrie“, schreiben 33 Windenergieunternehmen, vier Kreditinstitute und sechs regionale wie bundesweite Windkraft-Netzwerke als Reaktion auf den Referentenentwurf. Die Windenergie-Verbände Bundesverband Windenergie (BWE) und VDMA Power Systems geben sich in dem Schreiben zudem als offizielle Unterstützer aus. Besonders monieren die Windbranchenvertreter, dass das Ministerium weiterhin die Volumen in den jährlich geplanten Ausschreibungsrunden von einer kleinteiligen und auf vage Definitionen setzenden Formel abhängig machen will. Durch diese kaum kalkulierbare Mengensteuerung würden „Investitionsentscheidungen in signifikantem Ausmaß verhindert“. Denn die weiterhin geplante Strommengenformel würde „zu voraussichtlich stark schwankenden Ausschreibungsmengen auf niedrigem Niveau“ führen.
Die Formel war erstmals in den im Spätherbst 2015 erstmals präsentierten Eckpunkten des Ministeriums in aufgetaucht. Anders als in der aktuellen EEG-Fassung aus dem Jahr 2014 würde sie es nicht bei einem Ausbaudeckel für die Windkraft von jährlich 2.500 Megawatt (MW) netto belassen, der auch die Leistung abgebauter älterer Windenergieanlagen zugunsten der Ausschreibungsvolumen in Rechnung gestellt hätte. Die Strommengenformel sieht hingegen jährliche Ausschreibungen für die Windkraft in Abhängigkeit des Zubaus auch anderer Erneuerbare-Energien-Anlagen vor. Demnach soll das Ausbautempo künftig auf einen jährlich gewünschten Zuwachs beim Anteil des EEG-Stroms an der Stromversorgung in Deutschland feinabgestimmt werden. Die komplexe Formel erlaubt der Windkraft genau die Ausbaumengen, die jährlich nach dem erwarteten Zubau von Projekten anderer EEG-Erzeugungsarten zu diesem Erzeugungsanteil noch benötigt werden. Weil Deutschland beim Erzeugungsanteil allerdings schon heute den offiziellen Entwicklungszielen der Bundespolitik voraus ist, will das Wirtschaftsministerium die Ausschreibungsmengen auf mindestens 2.000 MW brutto begrenzen.
Die Realisierung von 2,5 Gigawatt (GW) jährlichen Ausbaus sei „wesentlich“, schreiben die Unterzeichner des Papiers jetzt, um den Wechsel zu einem Ausschreibungssystem wettbewerbsfördernd zu gestalten. Die in Deutschland gewachsene, wirtschaftlich gesunde Branche mit 130.000 Arbeitsplätzen sehen sie sonst bedroht.
Für die Offshore-Windbranche fordern sie die Garantie eines Ausbaukorridors von jährlich 900 MW. Sonst seien die gewachsenen mittelständischen Strukturen der Zulieferindustrie gefährdet. Es drohten Kurzarbeit und Beschäftigungsabbau auch in diesem Bereich. Die schnelle Industrialisierung der Zulieferindustrie werde angehalten. Zugleich fordern die Unterzeichner einen forcierten Netzausbau. Sie verweisen auf andernfalls von ihnen erwartete drohende Blockaden des Ausbaus der On- wie Offshore-Windkraft.
Bioenergieverbände kritisieren hingegen, das der Referentenentwurf nur eine Verordnungsermächtigung für ein Ausschreibungsverfahren zum Ausbau auch der Bioenergie vorsieht. Stattdessen benötige die Branche ebenfalls nun klare Ausschreibungsregeln, um planen zu können. Den beibehaltenen Ausbaudeckel von 100 MW sehen sie als zu gering zum Erhalt des jetzigen Bioenergieanteils an der Stromversorgung an. „Es gibt keinen Grund, die Spielregeln für die Ausschreibungen nicht schon im Gesetz zu verankern. Dafür haben wir konkrete Vorschläge gemacht“, betonte Frank Scholl, Sprecher des Arbeitskreises Biomasseheizkraftwerke des Fachverbands Holzenergie.
Die Klima- und Umweltschutzorganisation Greenpeace moniert ganz grundsätzlich: „Dieser Entwurf wäre der erste Sündenfall nach dem Weltklimaabkommen in Paris.“ Gabriel setze „mit dem Total-Umbau des erfolgreichen EEG auf ein Experiment mit ungewissem Ergebnis“.
(Tilman Weber)