Sollte die Europäische Kommission Strafzölle auf chinesische Photovoltaikmodule verhängen, stünden allein in Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich und Großbritannien in den nächsten drei Jahren über 300.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Der Arbeitsplatzverlust in der gesamten Europäischen Union würde sich auf 437.600 summieren. Außerdem würden die Strafzölle zwischen 2013 und 2015 in Europa einen wirtschaftlichen Schaden von 18,37 Milliarden Euro anrichten. Allein in Deutschland würde sich dieser in den nächsten drei Jahre auf über sieben Milliarden Euro belaufen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos im Auftrag der Allianz für Bezahlbare Solarenergie (Alliance for Affordable Solar Energy – AFASE), einer Koalition von inzwischen 160 europäischen Unternehmen, die sich gegen die Verhängung von Handelsbarrieren wehrt. „Am stärksten davon betroffen sind Deutschland und Italien“, sagt Oliver Ehrentraut, Projektleiter bei Prognos und Autor der Studie. „Allein in Deutschland werden in den nächsten drei Jahren über 164.000 Jobs wegfallen“.
Nachfrage würde stark sinken
Als Grund nennt Ehrentraut den Rückgang der Nachfrage nach Photovoltaikanlagen, weil diese wegen der Zölle teurer werden. Er hat verschiedene Szenarien mit Zöllen in Höhe von 20, 35 und 60 Prozent durchgerechnet. „In den schlimmsten Szenarien wird die Nachfrage um bis zu 48 Prozent zurückgehen“, so der Studienautor. Schon bei einem Zoll von 20 Prozent veranschlagt Prognos einen Nachfragerückgang um 30 Prozent. Im Gegensatz zu den Klägern, die sich ausschließlich auf die Arbeitsplätze in der Modulfabrikation beziehen, geht Prognos von der Gesamtheit der etwa 140 Millionen Beschäftigten in der EU aus. Schließlich habe der Rückgang der Nachfrage durch die Verteuerung der Anlagen nicht nur Auswirkungen auf die Hersteller von Photovoltaikmodulen, sondern auf die gesamte Wertschöpfungskette. Wechselrichterhersteller wären genauso hart davon betroffen wie Installateure, Servicedienstleister, Material- und Rohstofflieferanten sowie Equipmenthersteller. Gerade für die letzteren ist wiederum China der wichtigste Markt. Nicht zu unterschätzen sind außerdem die indirekten Effekte auf den Arbeitsmarkt. „Wir reden hier über Jobs in der gesamten Wirtschaft“, erklärt Oliver Ehrentraut. „Davon sind viele im Solarsektor angesiedelt, aber auch viele in anderen Wirtschaftsbereichen wie Transport und Logistik oder anderen Serviceunternehmen.“
„Künstlich produzierte Arbeitsplatzverluste“
Unter diesen Prämissen hält ASAFE die Antidumping- und Antisubventionsklage von EU Pro Sun für kontraproduktiv. „EU Pro Sun behauptet, dass bis zu 8.700 Arbeitsplätze in Europa verloren gehen, wenn die Europäische Kommission keine protektionistischen Maßnahmen einführt. Wie können jedoch solche Maßnahmen im Interesse der europäischen Solarindustrie sein, wenn durch Strafzölle mehr als dreimal so viele Arbeitsplätze in Gefahr sind?“, fragt Thorsten Preuschgas, Geschäftsführer vom Duisburger Projektentwickler Soventix. „Wenn man sich vorstellt, dass es in Europa gerade nicht wirklich rosig um die Beschäftigung bestellt ist, kann man derzeit nicht noch weitere künstlich produzierte Arbeitsplatzverluste gebrauchen“, ergänzt Oliver Ehrentraut. (Sven Ullrich)