Das Bundeswirtschaftsministerium legt sich fest: 658 Terawattstunden (TWh) Strom und damit deutlich mehr als heute werden im Jahr 2030 in Deutschland verbraucht. Dies geht aus einer Analyse zur Entwicklung des Stromverbrauchs hervor, die Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gestern vorlegte. Im Juli hatte der Minister erstmals in der vorläufigen Schätzung dem in Folge der Energiewende steigenden Stromverbrauch Rechnung getragen. Die ermittelte Bandbreite reichte von 645 bis 665 TWh. Zuvor war das Wirtschaftsministerium von einem nahezu unveränderten Stromverbrauch von 580 TWh ausgegangen. Minister Altmaier hatte das als Fehler bezeichnet.
Branchenverbände sehen sich bestätigt
Branchenverbände hatten schon lange vorhergesagt, 2030 werde deutlich mehr Strom benötigt als bisher von der Regierung angenommen. Die Schätzung ist wichtig, weil sich auf sie der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien bezieht, der laut Klimaschutzgesetz 2030 bei 70 Prozent liegen soll. Daraus wiederum resultieren die Ausbaupfade für Windenergie und Photovoltaik im EEG.
Die aktualisierte Abschätzung basiert auf laufenden Szenariorechnungen der Prognos AG, in denen die aktuellen Ziele des Klimaschutzgesetzes für das Jahr 2030 berücksichtigt wurden. Getrieben werde der Stromverbrauch ist vor allem durch den steigenden Anteil der E-Mobilität, die elektrischen Wärmepumpen in Gebäuden und Wärmenetzen, die Erzeugung von Elektrolyse-Wasserstoff sowie die Produktion von Batterien. Eine steigende Stromeffizienz und der rückläufige Kraftwerkseigenverbrauch aufgrund des Ausstiegs aus Kernenergie und Kohle dämpften hingegen den Anstieg des Stromverbrauchs.
„Ausbauhemmnisse beseitigen“
Die vorgelegte Prognose könnte auch Einfluss auf die Verhandlungen der Ampelkoalition aus SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben. So forderte Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer VDMA Power Systems, die zukünftige Koalition müsse jetzt schnell reagieren. „Um den steigenden Strombedarf bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit zu gewährleisten, muss ein erheblicher Zubau der erneuerbaren Energien erfolgen. Hierfür müssen die Ausbau-Hemmnisse schnellstmöglich beseitigt werden.“ Ebenso müssten im gleichen Zeitraum H2-fähige Gaskraftwerke mit einer Leistung von rund 40 GW zugebaut werden. „Der Investitionsbedarf auf der Stromerzeugungsseite und in den Netzen ist enorm“, so Rendschmidt. „Jetzt muss der regulatorische Rahmen dringend angepasst werden, um die Realisierung der Projekte auf dem Weg zur Klimaneutralität zu ermöglichen.“
Ähnlich äußerte sich der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Es sei richtig, dass das Ministerium seine Prognose angepasst habe. In der eigenen Stromverbrauchsprognosen geht der Verband allerdings von 700 TWh Verbrauch im Jahr 2030 aus. „Aus unserer Sicht ist zudem ein höherer Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von 70 Prozent bis 2030 erforderlich, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen“, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Es mache einen Unterschied, ob 500 Milliarden kWh Strom zu mindestens 70 Prozent erneuerbar erzeugen müssen oder 700 Milliarden kWh. Sie forderte eine Anhebung der Ausbaupfade im EEG: „Dies könnte für 2030 etwa 100 Gigawatt (GW) für Windenergieanlagen an Land, 11 GW für Biomasse und mindestens 150 GW für PV (Dach und Freifläche) bedeuten“, so Andrae.
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