Das Thüringer Umweltministerium hatte womöglich Ende 2019 vorausgeahnt, dass der erhoffte Windparkausbau im Wald bald scheitern könnte – und hatte damals beim Leipziger Institut für Energie GmbH eine Studie zur möglichen Ausweitung der Windparkentwicklungsflächen außerhalb der Wälder in Auftrag gegeben. Nach der Änderung des Thüringer Waldgesetzes im Dezember 2019 im Rahmen des aktuellen politischen Patts im Landtag zwischen der windkraftskeptischen CDU und der aktuell zur Zurückhaltung gezwungenen windkraftfreundlichen Koalition aus Linken, Grünen und SPD ist nun auch das Ergebnis der Studie da.
Die Studie verweist auf ein großes Potenzial nicht genutzter Stellschrauben, um das Landesziel eines Ausbaus der Windkraft auf ein Prozent der Landesfläche wenigstens zu ermöglichen. So habe das Land vor dem Waldverbot zwar bisher sieben Prozent der Landesfläche nach Abzug aller durch harte und weiche Tabukriterien nicht geeigneten Areale als prinzipiell geeignete Prüfflächen definiert. Doch die Regionalplaner hätten dennoch schon vor dem Waldverbot nur 0,6 Prozent der Landesfläche als Vorranggebiete ausweisen können. Der Wegfall der Waldflächen sorge sogar dafür, dass die Regionalplaner noch weiter zurückfielen und nun sogar um 8.000 Hektar in Rückstand gerieten, was etwa 0,5 Prozent der Landesfläche entspricht.
Doch gemäß den Leizpiger Autoren sind in Thüringen bei weitem nicht nur die klassischen harten und weichen Tabukriterien für die Einschränkung der Eignungsflächen verantwortlich: Harte Tabukriterien wie gesetzliche Vorgaben etwa zu Naturschutzgebieten oder faktische Hindernisse wie Seen, Siedlungen und Gewerbe oder klassische weiche Tabukriterien wie die von den regionalen Planern abgewogenen Interessenskonflikte und daraus abgeleiteten Regionalplanprinzipien seien von vielen weiteren landespolitischen Einschränkungen begleitet: Mindestabstände zu Wohnhäudern und zu anderen Vorranggebieten, Windpark-Mindestgrößen, Sichtschutz rund um Kulturerbestätten, Einschränkungen auch in Naturparks und Landschaftsschutzgebieten und viele weitere Einzelfall-Entscheidungen.
Die Landesregierung könne genau hier gegensteuern: Fiele die vorgegebene Mindestgröße für Vorranggebiete von 25 Hektar weg, ließen sich gerade in Südwestthüringen als Landschaft mit nur geringem Offenlandanteil auch Einzelstandorte moderner Vier-Megawatt-Turbinen zur rentablen Windstromerzeugung ausweisen. Der in Mittelthüringen vorgeschriebene Abstand von 1.250 Meter zu Siedlungen müsse auf den vom Bundeswirtschaftsministerium empfohlenen 1.000-Meter-Mindestabstand verkürzt werden, den die Windkraftbranche ohnehin als zu pauschal kritisiert. Regional könne sich, wo auch dann noch keine ein Prozent des Flächenanteils in Sicht sei, der Mindestabstand auch auf 900 oder 800 Meter absenken – oder „stärker nach Siedlungsgröße gestaffelt werden“. Angesichts von inzwischen 25.000 allein wegen Sichtabständen um Kulturgüter für Windkraft gesperrten Hektar müsse die Landesregierung zudem für viele dieser Stätten wie die Wartburg prüfen, ob auch ein kleinerer Sichtabstand genüge.
In Betracht ziehen müsse die Thüringer Regierung allerdings auch, so fordern die Studienautoren, dass sie ihre vielfältigen zusätzlichen Abwägungskriterien für oder gegen einen Windparkstandort nicht mit einer von ihr offenbar bisher ebenfalls beabsichtigten gleichmäßigen Verteilung der Windkraft im Bundesland vereinen könne. So ergibt die Kalkulation der Leipziger, dass Mittel- und Nordthüringen 1,71 und 1,59 Prozent der regionalen Fläche für Windkraftnutzung ausweisen müssten, während in den waldreicheren Regionen Ost- und Südwestthüringen sogar nur 0,58 und 0,31 Prozent der Flächen in Betracht kämen.